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Kanada von innen

KANADA VON INNEN

Joy Fraser
Roman / Ratgeber

Edition Lithaus

Taschenbuch, 120 Seiten
ISBN: 978-393930522-4

Aug. 2007, 12.00 EUR
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Mein erster Winter präsentierte sich mit langsam abfallenden Temperaturen, sodass ich mich daran gewöhnen konnte. Es traf mich nicht wie ein kalter Schlag ins Gesicht, aber dennoch ist es nicht leicht, sich mit der nun wirklich eisigen Kälte abzufinden. Bestimmte Regeln müssen eingehalten werden, oder man bringt sich in große Gefahr. Als Mitteleuropäer hat man sich nur gelegentlich mit Temperaturen von minus 15°C Grad herumzuschlagen, und bei minus 10°C sind vor einigen Jahren Obdachlose in Berlin erfroren. Doch das sind Ausnahmen, die von sich reden machen.
Auch in Kanada erfriert der ein oder andere gelegentlich, aber nur durch Dummheit und schlechte Vorbereitung. Wenn man beispielsweise betrunken und zu Fuß versucht, im Dunkeln sein Haus zu finden, während ein eisiger Blizzard tobt, kann es schon mal vorkommen, dass man die Orientierung verliert und zwei Meter vor der Haustür an Unterkühlung stirbt.
Fälle von schlechter Vorbereitung sind häufiger. Auf dem Alaska Highway ist ohnehin nicht viel Verkehr, und im Winter kann man stundenlang auf kein anderes Auto treffen. Von Whitehorse nach Dawson City zu fahren ist ein abenteuerliches Unterfangen. Die Fahrt geht sechs Stunden durch nichts als Wildnis, und man muss sich gut ausrüsten. Ohne eine dicke Decke, etwas Essbares, warme Getränke, ein Funkgerät und den Erstehilfekasten sollte man sich gar nicht erst auf den Weg machen. Es wird empfohlen, den Trip nicht allein zu unternehmen. Im Falle eines Unfalls, verursacht durch wildlife auf der Straße, kann ein Beifahrer lebensrettend sein. Ist man selbst nicht in der Lage den Wagen wieder zu starten, wird man erfrieren noch bevor man verbluten kann.

Selbst das Funkgerät, das zumindest den Kontakt zur Yukon Amateur Radio Association herstellen kann, die das gesamte Yukon-Highway-System abdeckt, garantiert keine schnelle Hilfe. Vergessen sollte man sämtliche Hollywood-Wildnisabenteuer-Filme, die immer ein Happy End haben und immer einen Retter unvermutet aus dem Wald spazieren lassen. Der nächste Mensch könnte noch Stunden entfernt sein. Hilfe per Helikopter könnte zwar geschickt werden, doch nur bei klarem Wetter. Sitzt man in einem Schneesturm fest, oder dort wo der Heli startet ist das Wetter schlecht, ist man gnadenlos sich selbst überlassen. Bis der Sprit ausgeht. Spätestens dann sollte man sein Testament machen. Es sei denn, man ist nicht zu sehr verletzt, kann seinen inneren Buschmann reaktivieren, oder hatte einen Wintersurvival-Kurs und kann sich im Wald ein Feuer und eine Iglu-artige Unterkunft basteln. Die meisten Reisenden sind jedoch nicht derartig gut vorbereitet.

Immer wieder erfrieren Menschen in ihren Autos. Bei minus 40°C Grad schließt eine Autotür nicht mehr, nachdem sie einmal geöffnet wurde. Und in Dawson City wird es oft um die minus 64°C Grad frisch. Die Radiostation warnt regelmäßig vor gefährlichem Wetter und Leichtsinnigkeit.

Windchill erhöht den Kältewert, macht die gefühlte Temperatur noch eisiger und lässt unbedeckte Haut binnen Sekunden erfrieren. Minus 30°C Grad ohne Wind fühlt sich weit wärmer an und ist ungefährlicher als minus 20°C mit Wind. Windchill kann die tatsächliche Temperatur im Minusbereich verdoppeln. Das ist tückisch, schaut man auf das Thermometer und entdeckt kuschelige minus 3°C Grad, mag man denken die Handschuhe dürfen heut zuhause bleiben. Gerät man aber in den kalten Wind, bekommt man frostbite binnen weniger Minuten. Tauen die Hände dann im Warmen wieder auf, reagiert der Körper mit Übelkeit, und man übergibt sich. So oder so, mit der Kälte zu spaßen hat unangenehme Folgen, selbst wenn nichts Ernsthaftes passiert ist.

Öffnet man die Haustür, steht man augenblicklich in einer weißen Wolke, wenn die warme Innenluft nach draußen strömt. Wenn Hauswände und Dachgebälk daraufhin laute Knackgeräusche von sich geben, kann man sicher sein, es mit mindestens minus 30°C Grad zu tun zu haben. Gemauerte Wände könnten reißen, weshalb kanadische Häuser aus einem Holzgerüst bestehen, ähnlich dem Skelett deutscher Fertighäuser.

Selbst dreifach verglaste Fenster sind innen von einer dicken Eisschicht umrandet. Gefrorenes Kondenswasser sorgt dafür, selbst bei laufenden Innenventilatoren, welche zu hohe Luftfeuchtigkeit nach außen ziehen. Kanadische Heizsysteme sind gleichzeitig Luftaustauscher, damit man im Winter kein Fenster öffnen muss, um an Frischluft zu gelangen. Dadurch wird zwar auch die Warmluft nach außen geleitet, was höhere Heizkosten verursacht, aber das ist unvermeidbar. Öffnet man bei minus 40°C Grad zum Stoßlüften ein Fenster, erfrieren die Zimmerpflanzen, das Haus knackt gefährlich als würde es zerbersten, der Wärmeverlust wäre dramatisch, und würde erneut die Heizkosten erhöhen. Außerdem würde dieses Fenster erst im Frühling wieder dicht schließen.

So oder so, es muss gut geheizt und es darf nicht gelüftet werden. Alles was ich über Frischluftzufuhr in Deutschland gelernt habe („Sie lüften nicht genug, daher der Schimmel im Bad!“) musste ich ablegen. In Kanada gelten andere Regeln.

Bei solchen Temperaturen muss man das Auto zehn Minuten vorwärmen, bevor man losfährt, oder selbst ein vorgewärmter Motorblock nimmt Schaden. Sämtliche Metall- und Plastikteile stehen unter enormer Belastung, und selbst Metall bricht wie Glas bei zu starker Beanspruchung. Ein Fiberglas-Trabant würde glatt komplett zersplittern wenn man die Tür zu fest zuschlägt. Amerikanische Corvettes haben das bereits bewiesen und im kalten Kanada ihr Leben ausgehaucht.

Nach dem Einsteigen in das Auto stellt man fest, dass der Sitz sich ungewöhnlich hart anfühlt. Ein Kissen mitzunehmen ist zu empfehlen, denn die Sitze sind steif gefroren. Das Auto rollt unrund für eine Weile, denn die Kälte friert die Reifen in ihrer geparkten Position – oben rund, unten flach. Die Kanadier nennen das Phänomen: Square tires – eckige Reifen. Der Schnee über den man gerade gelaufen ist, knirscht extrem, und steht man draußen für nur fünf Minuten, knirscht die Winterjacke bei jeder Bewegung genau wie der Schnee. Die Welt wurde zur Tiefkühltruhe.

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