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Startseite > Bücher > Phantastik > Eloy Edictions > Boris Koch > DER ADRESSIERTE JUNGE > Leseproben > 5 - Die Mutter der Tränen

5: Die Mutter der Tränen

Amygdala
DER ADRESSIERTE JUNGE

Boris Koch
Roman / Phantastik

Eloy Edictions

Amygdala: Band 2
Taschenbuch, 104 Seiten
ISBN: 978-398384110-5

Okt. 2005, 1. Auflage, 10.00 EUR
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Das Licht vor unserer Türe leuchtete. In seinem Schein standen Rebekka, zwei Polizeibeamte, ein paar Nachbarn und Jürgen mitsamt seinen Eltern. Der Junge wirkte verstört, sein Vater schüttelte ihn an den Schultern und alle schienen auf ihn einzureden. Als ich anhielt, wandten sich alle Gesichter mir zu, keiner sprach mehr.
'Mehr weiß ich nicht', stotterte Jürgen mit tränenaufgeweichter Stimme in die Stille. 'Irgendeine Lichtung mit Baumhaus.' Als hätte er es schon tausend Mal gesagt.
Rebekka hielt zwei Taschenlampen in der Hand und kam mir entgegen. 'Steig ein!' Und die anderen liefen zu ihren Autos, als hätten sie nur auf mich gewartet.
'Zum Spielplatz. Und da durch den Tunnel, du weißt schon', dirigierte sie mich. 'Sie haben bis halb fünf gespielt, dann sind die meisten heim, fernsehen. Nur Thomas und Kalle wollten noch in den Wald, irgendein Baumhaus einer anderen Bande plündern. Jürgen meint, vielleicht sind sie erwischt worden und wären jetzt an einen Baum gefesselt und würden als weiße Eindringlinge am Marterpfahl eine unrühmliche Figur in einem Indianerspiel abgeben. Wahrscheinlich steckt da der Meier Richard dahinter.'
Sie schluckte und murmelte noch ein: 'Hoffentlich.' Andere Möglichkeiten wollte sie nicht aussprechen. Ich auch nicht, und so legte ich meine Hand auf ihren Oberschenkel, so lange ich nicht schalten oder lenken musste. Meine Hand zitterte wie ihr Bein.
Kalles Eltern trafen kurz nach uns am Waldrand ein. Auch sie hatten Nachbarn im Schlepptau, und so stapften fast zwanzig Männer und Frauen mit Lampen in den Wald. Zwischen den Bäumen war es völlig dunkel.
'Thomas!'
'Kalle!' Wir fühlten uns hilflos und riefen bei jedem Schritt, wollten gehört werden, denn die dünnen hektischen Lichtstrahlen zeigten uns zu wenig, sie zeigten uns vor allem nicht unsere Kinder. Nur den verlassenen Weg, der uns tiefer in den Wald hineinführte. Er war nach den ersten Metern kaum noch gekiest, sondern von schwerer, satter Erde, die sich in das Profil der Schuhe setzte.
'Schreit nicht so viel, wir hören ja gar keine Antwort.' Rebekkas Stimme zitterte. Doch auch unser Schweigen legte keine Antwort frei. Der Wald knackte, zwitscherte und raschelte, aber niemand schrie: 'Wir sind hier!' Oder 'April, April!' im September.
Nach wenigen hundert Metern gabelte sich der Weg. Jürgen zuckte mit den Schultern und deutete auf den schmaleren nach links. Die Nedveds, ein älteres Ehepaar aus unserer Straße, gaben mir ihre Handynummer und nahmen den Weg rechts, 'zur Sicherheit', wir anderen vertrauten Jürgens Ahnung. Die zwei Polizisten ermahnten sie, vorsichtig zu sein, und die Nedveds nickten artig, und er sagte, er wäre beim Militär gewesen, um uns zu beruhigen. Niemand scherzte wie sonst, dass das über zwanzig Jahre her war, die nur sein Stolz ohne Spuren überdauert hatte, der Körper war normal gealtert.
Zwei weitere Kreuzungen später waren wir noch zu zehnt und fanden die Fahrräder. Plötzlich tauchten sie im unruhigen Licht unserer Lampen auf. Sie waren verlassen und an einen Jägerstand am Wegrand gekettet. Wir riefen lauter und leuchteten in alle Richtungen. Der Strahl meiner Lampe erfasste einen hellen kopfgroßen Fleck auf dem dunklen Boden etwa dreißig Meter entfernt.
Wie das fahle Gesicht eines Toten.
Rebekka schrie auf, ich biss mir auf die Zunge und rannte los.
'Verwischen Sie keine Spuren!' Ein Beamter versuchte, einen kühlen Kopf für alle zu bewahren.
Aber das war mir in dem Moment egal. Drei, vier Sekunden Panik, dann fiel ich vor dem weißen Fleck auf die Knie und dankte einem Gott, an den ich nicht glaubte. Mein Körper zuckte und wollte vor Erleichterung weinen, doch ich ließ ihn nicht.
'Der Ball! Es ist der Ball!'
Er war eine Senke hinabgerollt und ruhte nun zwischen den Wurzeln eines breiten Baumstumpfs. Ich spürte, wie die Anspannung hinter mir sich auflöste, als atme der ganze Wald aus.
Irgendwer lachte hysterisch, und damit zerbrach der Moment der Erleichterung. Es war nur der Ball, doch die Jungen blieben noch immer verschwunden. Mit etwas Glück hatten wir wenigstens eine Spur.
Die Polizisten ließen ihre beiden Hunde an den Rädern schnüffeln. Die Tiere sprangen aufgeregt umher, bellten und zerrten uns dann zwischen die Bäume, fast senkrecht weg vom Weg. Minutenlang folgten wir ihnen voller Hoffnung, dann stießen sie wieder auf einen gekiesten Waldweg und drehten sich ratlos im Kreis. Sie bellten und jaulten und zogen den Kopf ein, als fühlten sie sich schuldig.
'Such! Such!'
Und sie suchten, aber sie fanden nicht. Die Spur war mit einem Mal verschwunden. Über Handy riefen wir diejenigen, die sich von uns getrennt hatten und erklärten ihnen, wo die Räder standen und wo wir. Dann bildeten wir eine möglichst breite Kette, den Nachbarn in Rufweite, und durchkämmten den Wald. Schritt für Schritt stapften wir über den weichen Boden und stolperten über auftauchende Wurzeln und hartnäckige Pflanzen. Die Namen der beiden Jungen hallten immer wieder durch den Forst, und hin und wieder ein Fluch, wenn ein Suchender von einem spitzen Ast im Gesicht getroffen wurde.


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