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Prolog

ENGELSJAGD
ENGELSJAGD

Andrea Gunschera
Roman / Urban Fantasy

Sieben Verlag

City of Angels: Band 2
Taschenbuch, 400 Seiten
ISBN: 978-394154705-6

Sep. 2010, 14.90 EUR
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Prag, 1712

Krachend fiel die Tür ins Schloss. Gabriel starrte auf die Risse die sich auf der Spiegelfläche gebildet hatten. Die Echos von Zoes Absätzen verhallten im Korridor. Schweigen quoll in die Leere.
„Geh doch zum Teufel“, murmelte er. Die Kerzenflammen zitterten. Sein Blick streifte das zerwühlte Bett auf der anderen Seite des Zimmers, die Kissen noch warm von ihrem Duft. Citrus und Sandelholz. Ein Duft, der den Geruch der Krankheit überdeckte, so wie der Schleier, mit dem sie seit Tagen ihr Gesicht verhüllte.
„Geh doch!“, brüllte er.
Die Stille glättete sich und schluckte die Silben wie Fußspuren im Schlamm. Solange die Pest unter ihrem Dach hauste, hatte Gabriel die Bediensteten aus dem Haus verbannt. Er hatte geglaubt, dass es nur wenige Tage dauern würde. Nur so lange, bis Zoe sich erholte. So überzeugt war er gewesen, dass er sie heilen konnte.
Endlich regte er sich, riss einen der hohen Fensterflügel auf und blickte hinab auf die Straße. Nieselregen benetzte das Kopfsteinpflaster, tränkte die Nebelschwaden und ließ ihn frösteln. Weit entfernt hörte er Hufschlag, die eisenbeschlagenen Räder einer Kutsche. Stimmen verhallten in der Dunkelheit. Er wollte wütend auf Zoe sein, doch es gelang ihm nicht. Schuld erstickte den Zorn wie eine Decke aus Asche. Gottes Fluch über seine gefallenen Kinder.
Plötzlich konnte er nur noch daran denken, dass Zoe allein dort draußen war. Zwar patrouillierten Wachen die Gassen des Hradcany, doch seit die Pest die Stadt verwüstete, herrschten kriegsähnliche Zustände auf den Straßen von Prag. Den Stadtwachen gelang es nicht, den plündernden Mob in die Schranken zu weisen.
Mit einem Ruck wandte Gabriel sich ab. Auf dem Weg nach unten nahm er zwei Treppenstufen auf einmal, packte seinen Degen und stürmte hinaus in die Nacht.
Die Stimmen schwollen an und verhallten. Er glaubte, Kinderlachen zu hören. Vor der Czerny-Villa am oberen Ende der Gasse standen mehrere Kutschen, die Umrisse schwarz im Fackelschein. Einen Moment zögerte er, dann entschied er sich für die andere Richtung, den Berg hinunter. Rauch hing in der Luft. Der Wind trug den Qualm der Scheiterhaufen hinauf in die Stadt.
„Zoe!“, rief er.
Sie konnte nicht weit gekommen sein. Etwas regte sich vor ihm in den Schatten. Er blieb stehen.
„Zoe?“
Eine Katze schoss aus dem Hauseingang, ein Fauchen, das Tier verschwand im Dunkeln. Die Glocken der Katedrála schlugen an, zwei Stunden vor Mitternacht. Langsamer setzte er seinen Weg fort. Seine Instinkte spannten sich. Er wusste nicht sofort, was es war, vielleicht ein Geräusch. Ein Wimmern, ein aufgeschrecktes Käuzchen. Oder der Geruch von Kupfer, der seine Sinne streifte. Seine Faust schloss sich um den Degen.
„Zoe!“
Hinter einer Biegung beleuchteten zwei Sturmfackeln die Treppenflucht, die hinunter zur Nerudova führte. Gabriel sog scharf die Luft ein. Blut.
Der Regen benetzte sein Haar und machte sein Leinenhemd klamm. Er fror in der plötzlichen Kälte. Die Treppen sahen aus wie ein Schlund, der in die Tiefen der Hölle führte.
Mit einer Hand zog er den Degen, mit der anderen hob er eine Fackel aus der Halterung. Die Flammen zischten und wanden sich, Pech verbrannte ihm den Handrücken. Fluchend setzte er einen Fuß auf den schlüpfrigen Stein.
Das Wimmern war wieder da, und dieses Mal hätte Gabriel geschworen, dass es kein Käuzchen war. Die Angst um Zoe ballte sich in seinem Magen zu einem Eisklumpen. Sein Handrücken schrammte über einen vorstehenden Pfeiler, leise klirrte das Waffengehenk. Tiefer führten die Treppen, tiefer den Berg hinab. Seine Sinne, die schärfer waren als die eines gewöhnlichen Menschen, machten Konturen im Nebel aus. Abrupt blieb er stehen.
Er schauderte, als sie so unvermittelt vor ihm auftauchte. Nicht wegen der Kälte, sondern wegen des Grauens, das sie umwehte. Eine Ahnung dessen, was vor ihm lag. Was er tun musste.
„Zoe“, flüsterte er.
Sie hatte ihren Schleier zurückgezogen. Ein entrückter Ausdruck lag auf ihrem Gesicht, die Lippen glänzten. Feuerschein, gestreut durch den Nebel, umfloss sie wie eine Aura aus Licht. Ein Engel in weißer Seide. Ein Tropfen Rot löste sich, rann ihr das Kinn hinunter und zerstörte die Illusion.
„Zoe, was hast du getan?“
Das Wimmern schnitt in die Stille und zog seinen Blick in die Schatten hinter Zoe. Er trat an ihr vorbei und senkte die Fackel. Ein Mädchen lag auf den Stufen, vielleicht sechs Jahre alt. Gabriel dachte an das Gelächter, das er von der Czerny-Villa gehört hatte. Die Kleine trug nur Fetzen am Leib. Ihre Brust hob und senkte sich heftig, wie ein verletztes Vögelchen.
Er spürte Zoes Finger an seinem Arm, ein überraschend starker Griff. Sie drängte ihn zur Seite und beugte sich über das Kind.
„Nicht!“ Er ließ die Fackel fallen und packte ihr Handgelenk.
Zoe fuhr herum. Die Bosheit in ihren Augen erschreckte ihn.
„Lass mich“, knurrte sie. „Keiner wird sie vermissen.“
Die Flechte, vor ein paar Tagen noch ein winziges Mal, hatte sich in eine Schorfkruste verwandelt, die ihren Hals und die Hälfte ihrer Wange bedeckte. Gabriel wusste, dass es mehr Stellen wie diese an ihrem Körper gab. Zoe veränderte sich und es gab nichts, das er dagegen tun konnte. Er hatte ihr sein Blut gegeben, doch statt zu genesen, verwandelte sie sich. In etwas Grausiges, in einen Alptraum. Das Schrecklichste daran war, dass er die Symptome kannte. Er wusste, was am Ende des Weges lag. Vergeblich hatte er ihr mehr von seinem Blut gelassen, immer mehr, weil er gehofft hatte, dass das die Verwandlung aufhalten würde.
Sie wehrte sich gegen seine Umklammerung und er registrierte, wie stark sie geworden war. Ihre Lippen verzerrten sich, sie knurrte. In diesem Moment hatte sie nichts Menschliches mehr an sich.
„Hör auf!“, fuhr er sie an.
Zu seiner Überraschung gehorchte sie und ließ von ihm ab.
„Ich liebe dich.“ Die Worte waren rau in seiner Kehle. Der Schmerz drohte ihn zu zerreißen. „Ich liebe dich wirklich. Aber ich lasse nicht zu, dass du Kinder tötest. Wir werden einen Weg finden – “
„Was geschieht mit mir?“, wisperte sie. Die wahre Zoe schimmerte durch die Raubtiermaske, die süße und wundervolle Zoe, die Frau, die er hatte heiraten wollen, zwei Tage, bevor die Pest in die Stadt gekommen war. „Was hast du getan?“
„Ich liebe dich“, wiederholte er. „Du musst mir vertrauen.“ Leere Worte. Die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage überwältigte ihn.
Ihre Augen flammten auf. Ohne Ansatz zog sie ihm die Nägel übers Gesicht. Ein Brennen, das ihn so sehr überraschte, dass er seinen Griff lockerte. Zoe riss sich los und stürzte sich auf das Kind. Gabriel setzte ihr nach, als ein Schuss krachte. Er taumelte zurück, stürzte und prallte mit dem Rücken gegen eine Stufe. Benommen starrte er hinab auf das Blut, das seine Hemdbrust überschwemmte und dann auf die Pistole in ihrer Hand. Beißender Pulverdampf breitete sich aus. Die Wunde würde ihn nicht umbringen, dazu bedurfte es mehr als einer Kugel, doch der Schmerz lähmte ihm den rechten Arm und trieb ihm die Tränen in die Augen. Er tastete nach dem Degen, den er beim Sturz verloren hatte, und richtete sich wieder auf.
Zoe ließ die Pistole fallen und packte das Kind an den Haaren. Die Kleine leistete kaum noch Widerstand. Er ahnte den Dolch in der Hand seiner Verlobten mehr, als dass er ihn sah. Zoe würde dem Mädchen die Kehle aufschlitzen. Alles in ihm bäumte sich auf.
Zoes Kopf fuhr herum, als er auf sie zustürzte. Sie holte zum Stoß aus, er hob den Degen. Ein Reflex, tausendfach eingebrannt. Die Klinge sauste nieder in einem funkelnden Bogen, die Spitze fand Widerstand. Zoe schrie, halb Schmerz, halb Wut. Dann war er bei ihr, wollte sie greifen und ihr den Dolch entwenden. Seine Brust brannte wie Feuer.
„Trink von mir“, keuchte er. Dabei wusste er, dass es sie nicht retten würde. Doch was sollte er tun?
Ihr Dolch schrammte ihm über die Rippen, zerfetzte sein Hemd und riss ihm die Seite auf. Entweder hatte sie ihn nicht gehört oder sie war zu wütend, zu sehr im Kampfrausch gefangen. Er fing ihr Handgelenk, sie drängte ihn rückwärts. Er rutschte, vermutete die Treppenstufe hinter sich, aber trat ins Leere. Sie stürzten eng umschlungen. Der Aufprall war hart und schmerzhaft und Gabriel schmeckte Blut. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass sie sich nicht mehr wehrte.
„Zoe?“ Entsetzen kroch seine Kehle hinauf. Sie lag auf der Seite wie eine zerbrochene Puppe, die Augen weit offen und leer. Ihr Kopf war in einem unmöglichen Winkel vom Hals abgeknickt. Sein Blick flog hoch zum Mädchen. Die Steine schwammen in Blut.
Gottes Fluch über seine gefallenen Kinder.
Die Schuld war ein schwarzes Leichentuch. Seine Schultern zitterten, als er neben Zoe in die Knie sank und ihren Kopf auf seine Oberschenkel bettete.
Langsam beugte er sich hinab, um sie zu küssen.
So, als schliefe sie nur.

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