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GOWELI II

GOWELI - DIE UNBEFLECKTE EMPFÄNGNIS

Gian Carlo Ronelli
Roman / Mystery-Thriller

Sieben Verlag

Broschiert, 236 Seiten
ISBN: 978-394023515-2

Aug. 2008, 1. Auflage, 16.50 EUR
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Neenah öffnete die Augen. Eine Windböe fegte über die Baumwipfel. Der Mond hatte sich hinter einem Wolkenfetzen versteckt und lugte ängstlich hervor. Abgebrochene Äste drückten gegen ihr Gesäß. Die Füße schmerzten, als wären sie übereinen Pfad aus glühenden Kohlen gerannt. Neenahs Hand tastete nach Christine, die zusammengekauert neben ihr im Dickicht lag. Christine zitterte, als wäre sie kurz vor dem Erfrieren.
„Christine?“
Ein schmerzerfülltes Wimmern kam als Antwort. Neenah zog Christine an sich, versuchte sie zu wärmen. Ihre Hand strich über Christines Locken. Ein stechender Schmerz ließ sie zurückzucken. Neenah starrte auf ihre Handflächen, entdeckte beiderseits einen blutigen roten Fleck. Brandblasen? Woher? Sie konnte sich an nichts erinnern. Was ist?, hatte sie Christine noch in der Kapelle gefragt. Einen Lidschlag später war sie hier im Wald aufgewacht.
„Mein Bauch ...“ Christine presste ihre Hand gegen den Magen. „Es tut so weh.“
Tränen rannen über ihre Wangen.
„Schon gut. Das wird schon wieder. Kannst du dich an irgendetwas erinnern?“
Christine schüttelte den Kopf, drückte ihn dann gegen Neenahs Brust.
„Wir müssen nachsehen. In der Kapelle“, sagte Neenah.
„Nein!“ Christines Stimme war der Inbegriff von Hysterie. Entsetzt starrte sie in Neenahs Gesicht. „Nein ...“, weinte sie. „Bitte nicht.“ Das Zittern verstärkte sich zu einem Schüttelfrost.
„Okay, schaffst du es zurück in deine Kammer?“ Christine nickte zaghaft.
„Dann geh jetzt. Ich werde noch kurz in der Kapelle nachsehen, die Kerzen wegräumen und komme dann nach.“
Christine erhob sich langsam und stolperte in gebückter Haltung über den Pfad.
Kurz darauf verschwand das weiße Nachthemd hinter der Steintreppe. Neenah blickte zur Kapelle. Das Portal stand offen, Kerzenschein kämpfte sich durch die Dunkelheit, gab sich aber nach wenigen Metern geschlagen. Äste knackten unter ihren Fußsohlen, jeder Schritt wurde von Schmerzen begleitet, wie von brennenden Holzpfählen, die tief in ihr Fleisch getrieben wurden. Endlich hatte sie die Stufen zum Eingang erreicht. Sie blickte in die Kapelle. Nichts. Alles war so, wie sie es in einer ihrer letzten Erinnerungen gespeichert hatte. Die gelbe Kuchenkerze lag auf dem Teller, daneben das Küchenmesser. Auch das Geschenkpapier befand sich noch neben der Schatulle. Neenah betrat die Kapelle, blickte sich um. Alles schien in Ordnung zu sein.
Da! Der Engel!
Sie hatte ihn vermutlich fallen lassen. Sie ging in die Hocke, hob ihn auf, legte ihn auf die Handfläche und betrachtete ihn. Er passte exakt auf die Brandwunden.
Mit einem lauten Donner fiel das Portal hinter ihr ins Schloss. Ein Windstoß fegte über sie und die Kerzen hinweg. Neenah wirbelte herum und starrte zum Eingang.
Dann blickte sie wieder auf die Kerzen. Vermutlich war es nur Zufall. Dennoch zog ein frostiger Schauer über ihren Rücken. Einige der Kerzen waren durch den Luftzug erloschen.
Das H brannte noch, das a nur mehr teilweise und ging als o durch. Ein p war vollkommen erloschen, beim Zweiten brannten fünf Kerzen senkrecht, erinnerten an ein l. y, B, i, r, tund h flackerten wild, d, a, y waren erloschen. Von Neenah war nur Nee übriggeblieben. Es wirkte wie eine Botschaft von Christine, sie war der einzige Mensch, der sie Nee nannte. Und die Botschaft lautete: Holy Birth, Nee!

Szenentrenner


„Amen.“ Das Wort, gesprochen von zwanzig Nonnen, hallte einige Sekunden in der Kapelle nach. Die darauffolgende Stille wurde durch die Stimme der Oberin, Schwester Maria, durchbrochen. Sie krächzte ein „In nomini patris“ vom Altar zu den Kirchenbänken. Die Antwort kam in Form eines eintönigen „et filii et spiritus sancti.“
Neenah kniete am äußeren Rand der dritten Bankreihe und blinzelte zur gegenüberliegenden Seite, zu Christines Platz. Er war leer. Sie hatte in aller Früh an Christines Tür geklopft, geöffnet und nachgesehen. Sie war nicht im Zimmer.
Neenah bekämpfte das Gefühl von Sorge mit der Vermutung, vielmehr der Hoffnung, Christine wäre bereits zur Kapelle unterwegs. Aber sie hatte sich geirrt.
Schwester „Whoopi“ Gabriela kniete neben ihr, die Augen geschlossen, in ein stilles Gebet versunken. Scheinbar. „Wo ist sie?“, flüsterte sie plötzlich, ohne dabei aufzublicken.
„Ich weiß es nicht. Vielleicht beim Arzt. Sie klagte über Bauchschmerzen.“
Gabriela öffnete ein Auge und blickte nach vorn, schräg rechts. Ihr Arm fuhr in die anvisierte Richtung und tätschelte die Schulter der Nonne, auf die sie ihr Augenmerk gerichtet hatte. Schwester Anna-Maria, Schlüsselhüterin und Zuständige für medizinische Belange. „War Christa bei dir?“, tuschelte Gabriela. Ein zaghaftes Kopfschütteln war die Antwort.
„Schwestern!“ Ein strafender Blick der Priorin mahnte zur Ruhe. Neenah vermied es, sie anzusehen und schloss die Augen. Sie spürte genau, wie sie sich im Visier der Oberin befand. Deren Schritte hallten bedrohlich, kamen näher, bis sie schließlich neben ihr verstummten.
„Ich mache mir Sorgen um Schwester Christa“, sagte Neenah. Leises Wispern erfüllte die Kapelle. Neenah öffnete die Augen und drehte ihren Kopf zur Priorin.
Sie hatte die Brauen in das bleiche Gesicht gezogen. Tiefe Furchen zogen sich von den Nasenflügeln bis zum Kinn, als hätte sich eine böse Fratze für alle Ewigkeit in ihr Antlitz eingraviert. „Sie fühlte sich gestern nicht gut und war heute früh nicht in ihrer Kammer“, erklärte Neenah.
Das Wispern nahm zu. Die Oberin blinzelte dreimal, ihre Mundwinkel zuckten,
ihr Blick fegte über die flüsternde Schwesterngemeinde und kehrte kurz darauf zu Neenah zurück. „Es wird schon nichts passiert sein“, zischte sie.
Schwester Gabriela stand auf, wirkte wie ein Schlachtschiff, das Neenah Rückendeckung gab. „Wir sollten sie suchen.“ Aus dem aufflammenden Stimmengewirr drangen einige Ja’s, Holz knarrte, als die Schwestern sich nach und nach erhoben.
„Wer unbedingt will, kann sich an dieser Suche beteiligen“, gab die Oberin dem Drängen nach, das inzwischen von der gesamten Schwesternschaft ausging.
Neenah streifte ihren Oberarm, als sie sich an ihr vorbeischlängelte. Wie ein Stromschlag sprang Antipathie von der Oberin auf sie über und bestätigte ihre Vermutung, auf ihrer schwarzen Liste zu stehen. Seit der ersten Stunde. Ohne erfindlichen Grund.
Neenah drängte sich durch das Portal, angetrieben von Sorge und Angst um Christine. Sie warf einen vorsichtigen Blick zurück. Die Oberin hatte sich keinen Millimeter bewegt. Ihr Blick war immer noch auf Neenah gerichtet, krallte sich an ihrem Gesicht fest, als wollte er sie zurückziehen, um sie für die Störung des Morgengebets zu bestrafen.
Schwester Gabriela versuchte, Ordnung in das schnatternde Durcheinander vor der Kapelle zu bringen. „Beginnen wir im Gebäude“, rief sie.
Aber Neenah hörte ihre Stimme nur mehr aus der Ferne, konnte nicht warten, bis sich die Schwestern zu einer Vorgehensweise entschlossen hatten. Sie musste Christine suchen, sie musste sie finden, auch wenn sie nicht die geringste Ahnung hatte, wo diese stecken könnte.
Neenah rannte über den Waldpfad, stolperte, stürzte, rappelte sich wieder auf.
Eine nicht erklärbare Panik jagte sie wie eine hungrige Raubkatze, zwang sie weiterzulaufen, über die Steintreppe auf den Kiesweg. Immer schneller, denn irgendetwas flüsterte ihr ‚zu spät’ ins Ohr und trieb ihr Tränen in die Augen.

Szenentrenner


Neenah kämpfte sich durch das Dickicht. Ein fingerdicker Ast verhakte sich in ihrem Schleier und riss ihn vom Kopf. Strähnen fielen in ihr Gesicht. Schnell strich sie das Haar aus den Augen und sah sich um, nutzte diese Pause, um etwas Luft in ihre Lungenflügel zu pumpen und den Schleier aus den Krallen des Astes zu lösen.
„Christa!“ Gabrielas Stimme hallte durch den Wald, ein paar Vögel stoben auf
und flogen durch die Baumwipfel davon.
Neenah hatte mit den Schwestern jeden Millimeter des Gebäudes, einschließlich Nebengebäude durchsucht und aufgrund mangelnden Erfolges beschlossen, ihre Suche auf den Wald auszudehnen. Sie hatten sich getrennt und durchkämmten seit Stunden paarweise das fast undurchdringliche Dickicht nach einer Spur.
Von irgendwo her hallte eine Frauenstimme, die Christines Ordensnamen rief, dicht gefolgt von einem lauten Knacken. Gabriela war auf einen Ast getreten, etwa hundert Meter vor ihr, fluchte laut, entschuldigte sich beim Herrn dafür und arbeitete sich dann auf eine Lichtung zu. Die Vormittagssonne verschwand hinter einer Wolkenbank und sandte einen Schatten, der sich bedrohlich in den Wald schlich.
„Nee ...“
Neenah wirbelte herum, starrte zu dem Stamm des Baumriesen, den sie vor wenigen Sekunden passiert hatte. Christine hockte zusammengekauert davor, ihr Nachthemd war von Flecken überzogen, als wäre sie über den schmutzigen Waldboden geschleift worden. Ihr Gesicht war bleich, ihre Augen leer, ihre Wangen eingefallen.
„Großer Gott, Christine.“ Neenah ging einen Schritt auf sie zu. Christine streckte
ihren Arm aus, bedeutete ihr, nicht näher zukommen. Die Hand war blutig, ihr Nachthemd unterhalb der Brust zerfetzt. „Was ist passiert?“
„Mord, Nee.“ Ihre Stimme klang seltsam verzerrt, als käme sie von einem Grammophon. Kälte kroch über den Waldboden, über Neenahs Schuhe, ihre Unterschenkel bis zu ihrem Bauch, ließ sie schützend die Hand auf die Bauchdecke legen. Neenah blickte sich um, wollte nach Gabriela rufen, aber außer einem Husten verließ nichts ihre Mundhöhle. „Mord, Nee!“ Christines Augen funkelten, als wollten sie Neenah warnen. „Sie werden dich töten ... sie müssen sie verhindern“, wimmerte Christine.
„Was? Töten? Verhindern? Was, in Gottes Namen, meinst du?“
„Die heilige Geburt, Nee.“
Heilige Geburt? Holy Birth, Nee.
Schwester Gabriela schrie. Neenah schaute zur Lichtung, sah Gabriela am Boden knien, die Hände vor dem Gesicht, immer noch hysterisch schreiend. Neenah blickte wieder zu Christine. Sie war verschwunden.
„Oh mein Gott!“, schrie Gabriela.
Neenah stolperte über umgestürzte Bäume und durch knöcheltiefes Laub zur Lichtung. Ein Weinkrampf schüttelte Gabriela. Sie schien Neenahs Schritte zu hören, drehte den Kopf zu ihr. Ihre Augen leuchteten dunkelrot, ihre Hautfarbe hatte sich in ein seltsames Grauschwarz geändert. Mit zitternder Hand zeigte sie zur Lichtung.
„Nein“, stammelte Neenah. „Nein!“ Sie schüttelte den Kopf, spürte Tränen über ihre Wangen rinnen, fühlte die Kälte, die sie mehr und mehr gefangen nahm. Dann kam der Waldboden mit rasender Geschwindigkeit auf sie zu. Tiefes Schwarz legte sich auf ihre Augen.

Szenentrenner

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