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Der Moloch

DER MOLOCH
DER MOLOCH

Adrian Doyle
Roman / Mystery

Bastei

VAMPIRA: Band 2
Heftroman, 64 Seiten

Mai. 2011, 2. Auflage, 1.60 EUR

Jeff Warner wohnte in Newtown-Sydney. In der King Street, fast gegenüber dem Toucan Tango, einer Mischung aus Disco und Nightclub, wo sich Freaks, Transvestiten, Homosexuelle und ein Heer erlebnishungriger Normalos in vorwiegend brasilianischen Samba-Rhythmen wiegten. Eine Schickimicki-Adresse war es nicht. Aber weder diese Tatsache, noch der bis weit in den Morgen gehende Lärm hatten Warner je etwas ausgemacht. Andere, die mit ihm in dem Apartmenthaus wohnten, führten zeitweise regelrechte Privatkriege gegen das Toucan Tango und seine Besucher. Der Ideenreichtum variierte zwischen hasenherzigen Pöbeleien von den Fenstern aus über heimliche Reifenstechereien bis hin zu offenen Prügeleien. Leiser war es dadurch in all den Jahren, die Warner die Fehden mitverfolgte, allerdings noch nicht geworden.
Er hielt sich da raus. Wenn er es darauf anlegte, konnte er tagsüber schlafen – der ruhigsten Zeit in diesem Teil der King Street.
Und so müde wie er jetzt war, empfand er die Klänge, die mühelos bis in die Tiefgarage sickerten, sogar als angenehm. Wie jeden Montag und Dienstag war Jazz-Time angesagt.
Warner stieg aus seinem Dienstwagen und kickte die Tür ins Schloss, ohne abzuschließen. Das tat er hier unten nie. Erstens, weil die Eisengitter vor der Einfahrt nur mit einem genau abgestimmten Code-Geber zu bewegen waren, und zweitens, weil es, naja, eben nur ein Dienstwagen war...
An der Decke brannten grellweiße Neonröhren, deren Licht aber nicht die Schatten der Pfeiler und Querträger auflöste.
In den fünfzehn Dienstjahren hatte Warner sich ein Gefühl für Gefahr angeeignet, auch wenn keine sichtbaren Anzeichen dafür Vorlagen.
Dieses Gefühl sagte ihm, ehe er sich drei Schritte vom Wagen entfernt hatte, dass ihn jemand beobachtete.
Er blieb stehen, zog lässig eine Zigarettenpackung aus der Außentasche seines Jacketts und ein vergoldetes Feuerzeug aus der Innentasche. Mit den Lippen fischte er eines der Stäbchen heraus, knüllte die Restpackung zusammen, als sei sie leer, und schleuderte sie achtlos zu Boden. Dann steckte die Zigarette in Brand.
Ehe er das Feuerzeug zurücksteckte, nahm er einen tiefen Zug und entließ den Rauch durch die Nase.
In derselben Bewegung, mit der er das Feuerzeug wieder verstaute, umklammerte er den Knauf seines Dienstrevolvers im Schulterholster.
Zugleich verließen drei Gestalten in unmittelbarer Nähe ihre Deckung.
"Mister Warner?"
Sie kamen mit freundlichem Lächeln auf ihn zu.
Aber kein Freund wartete kurz vor Morgengrauen in einer verschlossenen Tiefgarage, wenn er nicht zufällig auch im selben Haus wohnte.
Warner kannte die Drei nicht.
Es waren keine Freunde.
"Detective Jeff Warner?", rief ein anderer.
Sie waren adrett gekleidet – alle drei. Nur das maskenhafte Lächeln erinnerte mehr an Wachsfiguren denn an lebendige Wesen.
Warner hatte immer noch die Hand unter der Jacke. Wenn die Drei wussten, wer er war, mussten sie auch ahnen können, was er krampfhaft festhielt.
Es schien sie nicht zu belasten.
"Wer will das wissen?"
"Wir", lächelte das eine Wachsgesicht.
"Warum so schüchtern? Sind sie es?", fragte ein anderes.
Warner nickte. "Stehenbleiben!"
"Aber, aber. Warum so ablehnend? Wir haben Informationen über eine Geschichte, die Sie interessiert. Wie wir hörten, interessiert Sie fast nichts anderes mehr. Dem können wir entgegenkommen..."
"Wovon reden Sie?" Als die Drei noch näherrückten, zog Warner den Revolver und zielte auf sie. "Stehenbleiben!", wiederholte er. "Ich scherze nicht!"
"Wir auch nicht", erfuhr er. "Trifft sich das nicht prima? Wir scheinen auf einer Wellenlänge..."
Daran zweifelte Warner. Er hatte das ungute Gefühl, dass sich die drei Unbekannten nicht einmal von dem geladenen Revolver, den er jetzt demonstrativ entsicherte, aufhalten lassen wollten.
"Von welchen Informationen sprechen Sie?"
"Die Serie, der Sie auf die Spur gekommen sind."
Was wussten die Kerle von dem Ausdruck in seiner Tasche?
"Die... Morde?", fragte er. Die Mündung seiner Waffe zielte auf den Mittleren.
"Keine Morde..." Der Anvisierte verzog das Gesicht. Schöner wurde es dadurch nicht. "Wir reden von Notwendigkeiten."
"Notwendigkeiten?"
"Wie sähe die Welt aus, wenn lauter... Kreaturen herumliefen?"
Warner missfiel, dass fast jede seiner Fragen mit einer Frage beantwortet wurde – und er nichts damit anfangen konnte. "Was soll das Gerede? Stehenbleiben, verdammt!"
Sie mussten taub sein.
Oder lebensmüde.
Oder beides zusammen.
Warner schoss.
Blitzschnell senkte er den Lauf und ließ das Blei in den Boden hacken. Es heulte als gefährlicher Querschläger durch die Garage und schlug in eines der geparkten Autos ein.
Der Denkzettel verfehlte seine Wirkung noch fataler als die vorausgegangenen Versuche, die Begegnung gewaltfrei zu klären.
Als wäre der Schuss das Signal gewesen, begannen die Gesichter der Drei nun tatsächlich wie Wachs zu zerfließen.
Warner war von dem Vorgang so geschockt, dass ihm der Revolver wie von selbst ein zweites, ein drittes und ein viertes Mal losging.
Eine Kugel für jeden.
Mitten in die Brust der Monsterfratzen!
Warners Hand hatte schneller begriffen, womit er es zu tun hatte, als sein Verstand.
Die drei Figuren fielen nicht. Sie kamen wie Zombies auf ihn zu. Die Zeit des Redens war vorbei.
Zeit zu sterben, dachte Warner dumpf.
Begreifen konnte er es immer noch nicht.
Zwei Kugeln verschwanden im Kopf des Mittleren und blieben irgendwo in dem verformten, pelzüberzogenen Schädel stecken.
Er marschierte weiter wie bisher.
Was sich in der Garage abspielte, lag jenseits von allem, woran Warner glaubte.
So wie das Gebäude in der Paddington Street.
Die Revolvertrommel war leer.
Sechs Schüsse.
Fünf Volltreffer, die keine Wirkung zeigten...
Er versuchte sein Heil in der Flucht zu finden. Aber sie holten ihn ein, ehe er richtig auf dem Absatz gedreht hatte.
Stählerne Arme griffen zu.
Nichts Unmenschliches war ihnen fremd, diesen drei Gestalten, die schnurstracks aus der Hölle gekommen sein mussten!
Als zwei ihn festhielten und der Dritte zielstrebig Warners Kopf umfasste, begriff er hellsichtig, was sie über die Fälle mit den Genickbrüchen wussten.
Es brauchte nur noch eine kurze, aber unzweifelhaft heftige Bewegung, um Detective Jeff Warner in diese traurige Serie einzureihen...
Das Rasseln des Torgitters ließ die Hände um Warners Schädel im letzten Moment innehalten.
Der befürchtete Knacks blieb aus, als Scheinwerferbündel über den Boden der Zufahrt huschten und laute Musik ertönte.
Warner stürzte zu Boden.
Stampfender Tekkno-Sound, der auch vor der Verunglimpfung sakraler Musik nicht Halt gemacht hatte, schwoll an, rückte näher.
Neben ihm wanden sich die drei Schauergestalten im Takt der harten Rhythmen. Der offene Wagen rollte langsam auf sie zu. Als der Punkt erreicht war, an dem die Grenze des Erträglichen für empfindliche Ohren endgültig überschritten wurde, flohen die Gepeinigten schreiend Richtung Ausgang.
Warner richtete sich ungläubig auf, als der Wagen neben ihm hielt und die Musik abgestellt wurde, die – bei aller Verfremdung – ihre Wurzeln in kirchlichen Klängen hatte.
"Um Gottes willen – weiterlaufen lassen!", schrie er und hangelte sich an der Tür hoch.
Nelly Shumway, die ein Stockwerk unter ihm wohnte, tippte ihm verständnislos gegen die Stirn. "Zu viel beschlagnahmten Stoff genascht, Bulle, ey?", erkundigte sie sich einfühlsam.
Warner legte sich selbst halb über sie, um an ihre niedliche Fünfhundert-Watt-Bord-Jukebox zu gelangen, und drehte voll auf. Er hätte alles getan, damit die kugelsicheren Typen nicht noch einmal zurückkehrten.
Die hastenden Schritte waren verstummt.
Nelly schien nicht abgeneigt zu sein, ihm weiter Gastfreundschaft auf ihrem Schoß zu gewähren. Warner hatte nicht vor, es in Anspruch zu nehmen, obwohl Nelly unter den tieferen Schichten ihres Make-ups ein ganz adrettes Wesen sein konnte.
Ohne die geringste Chance, bei diesem Lärm verstanden zu werden, seufzte er: "Ich hätte nie geglaubt, mich über das Auftauchen einer Verrückten wie dir einmal zu freuen, Nelly. Aber es ist so. Ich gestehe..."

Szenentrenner


Secada zuckte vor der dämonischen Erscheinung zurück, in die sich die Frau verwandelt hatte, nachdem er sie über das Geländer gestoßen hatte.
Hatte sie gelogen, als sie davon sprach, der Weg hinaus führe nur über den Keller?
Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass der Keller näher lag. Er floh die letzten Stufen nach unten und sah nicht mehr zurück zu dem feuerspeienden Drachenmaul, das ebensogut Illusion wie Wirklichkeit sein konnte.
Secada unterschied nicht mehr zwischen diesen beiden Möglichkeiten. Er wollte nur noch dem Horror entkommen!
Alles, was er je über paraphysikalische oder parapsychische Phänomene zu wissen glaubte, hatte er von sich gestreift.
Es war nutzlos.
Es war lächerlich.
Absolut lächerlich gegen das, was tatsächlich möglich war!
Seit Betreten dieses verschlingenden Gebäudes glaubte er an Satan, Belzebub, Hexerei, Nekrophilie, alles Okkulte und an Magie.
Ganz besonders an Magie.
Vorbehaltlos!
Hatte Virgil Codd gewusst, wohin er ihn schickte?
Dass er ihn ins Verderben schickte?
Secada arbeitete mit Codd seit einem Jahr zusammen. Der Polizeichef hatte ihm in Aussicht gestellt, mittelfristig eine eigenständige Abteilung innerhalb der Behörde aufzubauen, deren Leitung Secada übernehmen sollte. Angeblich ging es darum, sich die Möglichkeiten der Parapsychologie für kriminalistische Ermittlungen zunutze zu machen. Damit war Jahrzehnte zuvor schon einmal – vorwiegend in den Ländern des damaligen Ostblocks – experimentiert worden. Greifbare Ergebnisse schien man trotz spektakulärer Einzeltalente nie erzielt zu haben.
Dass ausgerechnet die Polizei von Sydney nun darauf zurückkam, hatte Secada von Anfang an verwundert. Doch die in Aussicht gestellte einmalige Chance hatte er sich nicht entgehen lassen wollen, auch wenn sich die Zusammenarbeit mit Codd bereits nach kurzer Zeit als äußerst strapaziös entpuppt hatte.
Was Secada immer noch nicht begriff, war, dass Codd ihn schon vor Wochen auf "ein Gebäude, das nicht betreten werden kann", hingewiesen hatte – lange vor dem Zwischenfall, der die Polizeiaktion ausgelöst und zur Absperrung dieses Hauses in der Paddington Street geführt hatte, auf das Codds Umschreibung absolut zutraf.
Hatte er dieses Gebäude gemeint, oder war es doch eine rein zufällige Übereinstimmung?
Wenn er es aber gekannt hatte, warum hatte er nicht schon vorher etwas dagegen unternommen oder ihn, Secada, vorbeigeschickt?
Ein infernalisches Geräusch machte Secada darauf aufmerksam, dass er sich einen ungünstigen Zeitpunkt ausgewählt hatte, um alte Kamellen auszugraben.
Das Fundament, das das Haus trug, schien die Last abschütteln zu wollen. Von überallher drang Knirschen, als käme es zu Verschiebungen im felsigen Untergrund, die sich auf das darauf Erbaute übertrugen.
"Wohin willst du? Warte!"
Sie tauchte am Ende der Treppe auf und war noch perfekter als zuvor.
"Nenn mich Esha!"
Seine Jugendliebe hatte Esha geheißen. Vor langer, langer Zeit...
"Verschwinde!" zischte Secada. "Oder zeig mir den Ausgang! Entscheide dich!"
Es war kein Mut, der ihn so auftreten ließ. Es war der Beginn völliger Resignation.
"Einmal noch", bat sie. "Liebe mich noch einmal! Ich brauche dich so sehr...!"
Sie nannte sich nicht nur Esha, sondern sah jetzt auch so aus. Secada begriff, dass sie seiner unerwidert gebliebenen Liebe schon vorher geähnelt hatte, ohne dass es ihm bewusst geworden war. Der Gedanke machte ihn rasend.
"Warum tust du mir das an?", schrie er.
Esha trat ihm nackt entgegen und drehte ihm den Rücken zu. "Nimm mich!", bat sie.
Er schüttelte den Kopf.
Er ging auf sie zu.
Streckte die Hand aus. Berührte das Trugbild, das sich echter als die Wirklichkeit anfühlte. Das Blut schoss ihm in den Kopf. Sein Verstand schrumpfte zur Größe einer Erbse. Seine Finger machten sich selbständig. Er riss sich die Kleidung vom Leib. Esha wartete geduldig. Dann streckte sie ihm ihren wundervollen Po noch fordernder entgegen und liebkoste ihn mit Worten, bis er ihr gab, wonach ihr der Sinn stand. Seine Hände krallten sich in ihr Fleisch. Den Rhythmus bestimmte sie.
Secada vergaß, dass sie beide standen.
Er vergaß, wo er war.
Bis sie unter seinen Händen hart wurde.
Hart wie... knorriges, totes Holz!
Ungläubig starrte er auf das, in das sie sich verwandelt hatte: ein monströses, alraunenähnliches Wurzelgebilde, das zu Boden stürzte und sich in seine morschen Teile auflöste, als er es losließ!
Secada zerrte die Hosen nach oben. Der Wahnsinn flackerte nun endgültig in seinem Blick. Über, unter und neben ihm knirschte das Haus. Der Kellerboden war an etlichen Stellen aufgebrochen. Mächtige Wurzeln sprengten den Stein.
Secada begriff, dass es von hier aus nur einen Weg in die Erde, niemals jedoch aus ihr und diesem Gefängnis heraus geben konnte.
Er wandte sich der Treppe zu, die bis zur Hälfte ihrer Höhe auch wie eine Riesenwurzel aussah. Von seinen Kräften verlassen, zog Secada sich am Geländer nach oben. Stufe um Stufe. Mühsam entfernte er sich aus der Tiefe. Eine Ewigkeit quälte er sich nach oben. Er wagte nicht, zurückzublicken. Er hatte Angst, sie könnte wieder unten stehen und nach ihm winken. Ihn locken und verschlingen.
Halbtot erreichte er das Ende der Treppe und trat durch die Kellertür.
Das Haus strahlte in rotem Schein. Rahmen an den Wänden zeigten bewegte Bilder. Auf einigen erkannte Secada sich wieder. Während seiner High-School-Zeit. Mit Esha. Mit Freunden, die er aus den Augen verloren hatte...
Er torkelte weiter. Da war Licht geradeaus, das sich von der nebligen Röte unterschied. Er stolperte, fing den Sturz mit den Händen auf, schlug sich aber trotzdem die Knie blutig. Sofort schien der Boden tausend Zungen zu gebären, die ihm das Blut ableckten.
Secada rappelte sich krächzend auf und taumelte weiter. Auf das Licht zu, das ihn zu der Türattrappe führte. Die Tür stand sperrangelweit offen.
Ein Widerspruch in sich. Aber das war Secada längst egal. Er zog Kraft aus der Hoffnung, es vielleicht doch noch zu schaffen. Die letzten Meter legte er auf allen Vieren zurück.
Das Haus seufzte glückselig, als er es verließ.
Es ließ ihn gehen.
Es widmete seinen Hunger denen, die draußen waren.
Es folgte Secada...

Andrä Martyna
Andrä Martyna
© http://www.andrae-martyna.de

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