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DIENER DES BÖSEN
Myra "einfach Myra" Applegate schnürte gerade ihr Bündel, als eine dunkle Männerstimme unweit in der Finsternis seufzte: "Wun-der-schön...!" ![]() Der Schlüssel passte. Myra "einfach Myra" Applegate konnte es nicht fassen. Als ihr großmäuliger Kavalier das Licht anknipste, strahlte ihr nie gesehener Luxus entgegen. Von draußen war es nur einer von vielen Barackenbauten, eine halbe Meile südlich des Sydneyer Hyde Parks gewesen. Nichts, was zufällige Streuner sonderlich neugierig gestimmt hätte. "Willst du nicht hereinkommen?" Sie stand immer noch in der offenen Tür. "Was'n das hier? Wenn die Bullen uns –" "Es gehört mir", wehrte er ab. "Wann glaubst du das endlich?" "Du läufst nich viel besser 'rum als ich – und ich hab nich so'ne Klitsche!" "Gehört zu einem früheren Leben", sagte er. "Eigentlich kann ich nicht mehr viel damit anfangen. Ich wollte dir nur eine Freude machen..." Myra schmiss ihr Bündel irgendwohin und kickte die Tür hinter sich ins Schloss. Noch einmal warf sie einen Rundblick. Dann stemmte sie die Fäuste in die Hüften und sagte: "Okay!" "Okay?" Sie schniefte. "Ich nehm dein unmoralisches Angebot an. Kannst mich vögeln." Sie wischte sich die Nase am Ärmel ihres Lottermantels ab. "Das isses mir wert. Unter einer Bedingung..." Er blickte fragend. "Keine perversen Sachen!" "Was ist pervers?" Myra hörte schon nicht mehr richtig zu. Sie durchmaß das Innere der Baracke, das fast nur aus einem einzigen großen Raum bestand. Lediglich ein paar geschmackvolle Paravants grenzten den hinteren Bereich vor neugierigen Blicken ab. Alles war so stilvoll eingerichtet, dass sie aus dem Schauen und Staunen gar nicht mehr herauskam. Beiläufig schälte sie sich aus Mantel und darunter befindlichen Kleidungsstücken. "Armstrong" machte sich an einer HiFi-Anlage zu schaffen, und kurz darauf untermalte klassische Musik die zunehmend romantische Stimmung. Das Bett allein – Mittelpunkt des Raumes – war schon eine Offenbarung. Myra war hin und weg von dem seidigen Behang. Dicht daneben lockte eine in den Boden eingelassene Wanne mit Whirlpooldüsen. Ein breiter Streifen darum herum war marmorgefliest, während die übrige Fläche von schrittdämpfendem, flauschigem Teppich bedeckt war. Stilvolle Tapeten, weiche, intime Beleuchtungseffekte und teure Vollholzmöbel komplettierten Myras Verdacht, im falschen Film gelandet zu sein. Apropos Film: "Dadrauf bin ich aber nich grad geil!" Sie war stehengeblieben und rüttelte an einer Stativleuchte, in deren unmittelbarer Gesellschaft weitere Scheinwerfer und eine fast professionell wirkende Kamera um das Bett aufgebaut waren. Armstrong stand mittlerweile an der gutbestückten Hausbar. "Ein Drink?" "Immer." Er schenkte aus einer bernsteinfarbenen Flasche ein und brachte ihr das Glas. "Du säufst nich mit?" "Alk bekommt mir nicht... mehr." Myra tippte sich an die Stirn, brabbelte irgendetwas, das wie "Ich pfeif auf die Leber, die pfeift auch auf mich!", klang und stürzte den Inhalt des Glases in einem Zug herunter. Sofort ging ein Leuchten über ihr Gesicht. "Herrgott, was für'n Tropfen! – Zahnweh?" Armstrong hatte das Gesicht verzogen. Aber er schüttelte den Kopf. Sein Blick maß die Altkleidersammlung an Myras Körper. "Ich lasse dir ein Bad ein. Du bist noch ganz durchfroren." Er weiß genau, wie er mich kriegt, dachte Myra nun doch unbehaglich. "Und du? Steigste mit 'rein? Platz genug is ja." Er antwortete nicht. Als das dampfende Wasser die Wanne bis knapp zur Hälfte gefüllt hatte, war Myra aus Altkleidern und -papier heraus und zierte sich nicht länger, ihre akzeptable Figur unverhüllt vorzuführen. Erstaunlicherweise vermittelte Armstrong nicht den Anschein, als würde er sich dafür sonderlich interessieren. "Wag dich ja nich, mich doch irgendwie heimlich auf Zelluloid zu bannen!", wiederholte Myra noch einmal ihre Abneigung, während sie sich etwas irritiert ins ideal temperierte Wasser absenkte. Mit dem, was von ihrer weiblichen Intuition übriggeblieben war, fand sie den Knopf für den Whirpool. Sie quietschte vor Vernügen, als die harten Strahlen ihren Körper zu kneten begannen und das Wasser an der Oberfläche des Beckens wie prickelnder Champagner zerstäubte. "Jetzt noch'n Drink wie der von vorhin, das wär göttlich!" Armstrong brachte die ganze Flasche. Myra setzte an und schluckte so gierig, dass einiges über ihre Lippen schwappte und sich mit dem Wasser vermengte. Sie lachte und stellte die halbleere Flasche neben sich. "Du bist ja immer noch in Vollmontur... Komm endlich!" Armstrong stand mit verschränkten Armen neben dem Beckenrand. Er starrte auf sie herab. Nun schon deutlich interessierter, wie sie mit Befriedigung feststellte. Alles andere hätte ihr verbliebenes Ehrgefühl auch nicht akzeptiert. "Ich steh auf dich!", seufzte er plötzlich. Der glückselige Ton verursachte Myra die stärkste Gänsehaut, an die sie sich erinnern konnte. "Is ja schon gut. Krieg dich wieder ein. Das is'n Deal, mehr nich, klaro? Bild dir bloß keine Schwachheiten ein...!" Er ließ die Arme baumeln und stieg zu ihr in die Wanne. Mit den Fetzen, die er am Leib trug. Sein Blick machte ihr plötzlich Angst, und sie ahnte, dass es ein nicht mehr gutzumachender Fehler gewesen war, den Mantel so weit außer Reichweite abzustreifen. Das einzige, was sich notfalls als Waffe gebrauchen ließ, steckte in einer der Außentaschen. "Mann, bist du krank, ey", blaffte sie ihn an. Er plumpste ihr gegenüber ins Wasser. Sie wollte aufspringen, aber er hielt sie fest und zog sie auf sich zu, bis sie halb auf ihm zum Sitzen kam. Myra hatte Erfahrung genug, um bei solcher Nähe zu erkennen, wann ein Mann erregt war. Dieser war es nicht. Zumindest nicht dort, wo sie es hätte erwarten dürfen. Sie schlug mit den Fäusten um sich. Er ließ kurz los und schloss dann seine Hände um ihre Unterarme. Stählern. Myra hatte den Eindruck, als würde ihr das Blut bis hinunter in die Finger abgeschnürt. Sie wurden taub und färbten sich blau. "Au! Lass los, du Arsch!" "Später", sagte Armstrong ruhig. Er sah immer noch so abgefahren gelassen aus, dass Myra trotz Schmerzen gar nicht auf den Gedanken kam, laut loszubrüllen. "Hör auf mit dem Scheiß!", keuchte sie lediglich. "Ich sagte doch, du kannst dich bedienen. Aber nich so – zärtlich, ey!" Seine Hände öffneten sich. "Entschuldige. Ich wollte dich nicht quälen. Ich will dir doch Gutes tun. Bei den anderen klappte es noch nicht richtig. Aber ich fühle, bei dir könnte es hinhauen." Myra saß starr in der Wanne. Der Wellengang des aufgewühlten Wassers beruhigte sich etwas, obwohl die Düsen unverändert weitersprudelten. "Die anderen...?", echote sie. Er legte sanft den Finger auf ihre Lippen. "Psst. Sie sind nicht mehr wichtig. Du bist wichtig." Er blickte begehrlich auf ihren Hals, obwohl Männer normalerweise lieber auf ihre großen Brüste starrten, die in krassem Kontrast zu ihrem beinahe kindlichen Körper standen. Er öffnete den Mund. Zum ersten Mal. Deshalb fiel es ihr auch sofort auf. "Darf ich dich... küssen?" Myra war gelähmt vor Angst. Der Kerl machte sie fertig. Total fertig. Sie zitterte und nickte schließlich, um ihn nicht zu weiterer Gewalt zu animieren. All ihr Geschwafel über "Psycho" und "Eichenkreuz" war vergessen. So aufgeschlossen stand sie dem Sterben doch nicht gegenüber. "Du wirst es nicht bereuen", flüsterte er bizarr. "Ich schenke dir ewiges Leben!" Er beugte sich über sie, streifte ihre Brüste nur flüchtig und strich in plumper Begierde über ihren Hals. Die andere Hand umfasste ihren Kopf. Bog ihn zur Seite. Myra starrte wie hypnotisiert hinüber zu den Paravents. Sie wusste nicht, warum, aber plötzlich drängte sich ihr die Überzeugung auf, dass sich dahinter mehr verbarg, als ihre Phantasie je zu entwerfen vermocht hätte. Viel mehr und viel, viel Schlimmeres... [Zurück zum Buch] |
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