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DIENER DES BÖSEN

DIENER DES BÖSEN
DIENER DES BÖSEN

Adrian Doyle
Roman / Mystery

Bastei

VAMPIRA: Band 9
Heftroman, 64 Seiten

Aug. 2011, 1.60 EUR

Myra "einfach Myra" Applegate schnürte gerade ihr Bündel, als eine dunkle Männerstimme unweit in der Finsternis seufzte: "Wun-der-schön...!"
Sie fuhr herum.
"Arschloch!", quetschte sie durch die Zähne.
"Nein, wirklich... Herz-aller-liebst!"
Sie richtete sich auf.
Tatsächlich,s dachte sie sarkastisch. Die Zeitungen, die sie gegen die Kälte unter ihre Kleidung gestopft hatte, knisterten. Wunderschön. Herzallerliebst. Reif für die Top Ten von "Harpers' Bazar"...!
Einmal hatte sie eine Ausgabe dieses Snob-Magazins in einem städtischen Abfalleimer gefunden und sich verächtlich-neidvoll all die abgebildeten Beautys zu Gemüte geführt. Seitdem wusste sie genau, was sie von denen trennte: Kohle und der richtige Stecher.
"Scheißkerl!" fauchte sie. "Wer bist'n du? Zeig mal deine Visage!"
Der Schatten eines gutgewachsenen Mannes schob sich zwischen Brückenlaterne und Myra. Im Schlaglicht ähnelte der Kerl einem dreidimensionalen Scherenschnitt. Erst als er sich weiter auf die Obdachlose zubequemte, löste sich das Dunkel leidlich auf.
Myra war überrascht, wie gut der Typ aussah. Obwohl er schon ewig kein Wasser mehr an sich herangelassen zu haben schien und seine Klamotten kaum einen besseren "Schneider" besaßen als ihre.
Er war jung.
Wie ich, dachte sie klamm. Sie hatte lernen müssen, dass Jugend nicht vor dem freien Fall aus dem Wohlstandsparadies schützte. Sie konnte sich, im Gegenteil, in der Gosse zum echten Problem auswachsen. Zumindest für eine leidlich junge, leidlich hübsche Frau, der man auch unter all den Lumpen ansah, dass der Karriereknick noch nicht allzu lange zurücklag.
"Was willst'n von mir...?"
"Dich verwöhnen!"
Vögeln, präzisierte Myra. Sie kannte sich aus. Alle wollten ihr immer nur an den knackigen Hintern. Im Gegensatz zu den meisten, mit denen sie täglichen Umgang hatte, schien dieser hier sie aber wenigstens nüchtern zu begehren.
"Das haben schon ganz andere versucht!" Ihre Hand schob sich unmerklich in die Manteltasche, wo sie für unliebsame Begegnungen eine Überraschung in Form eines Reizgassprays parat hielt.
"Wer?" Die Miene des Unbekannten wechselte abrupt ins Grimmige, als er wiederholte: "Wer? Ich bring sie um!"
Myra musterte ihn genauer und suchte vergebens nach dem geringsten Anzeichen, dass er scherzte.
"Wie kommst'n drauf zu meinen, ich ließe dich 'ran?"
"Du hast Geschmack, ich beobachte dich schon einige Zeit. Ich kann dir bieten, was dir sonst keiner bietet!"
Das klang selbstbewusst.
Das klang zum Kotzen überheblich!
"Und das wäre?"
"Ich bin ein phantastischer Liebhaber."
Die Prahlerei begann Myra zu nerven. "Deine einzigen Fehler sind Bescheidenheit und eine gewisse Schüchternheit, stimmt's?"
"Ganz genau!" Er grinste, ohne den Mund zu öffnen.
Schlechte Zähne, kombinierte Myra. Aber darüber hätte man, wenn der Rest stimmte, hinwegsehen können.
"Ich kenn dich nich. Biste neu auf Walze?"
"Ziemlich... neu. Wie heißt du eigentlich?"
"Einfach Myra – und du?"
"Was würde dir gefallen?"
"Oh, wie geheimnisvoll..."
"Wäre dir langweilig lieber?"
Sie legte den Kopf schief. "Am liebsten wär's mir, du würdest deine Latschen in andere Wohnzimmer stellen!"
Er pfiff anerkennend, nachdem er den Blick unter die Brückenwölbung hatte schweifen lassen. "Schicker Wohnsitz..."
"Haste was Besseres?"
"Solche wie du wohnen", sagte er, "ich residiere!"
Spinner!, dachte Myra. Aber volle Kanne, ey.
Ihr Gesichtsausdruck war vielsagend genug. Selbst für einen Egomanen wie ihn. "Ich kann es dir beweisen", bot er an. "Lass dich einfach zu mir einladen."
Er zog einen prallen Schlüsselbund aus der Jackentasche und schüttelte ihn. Die Schüssel schlugen wie Glockenklöppel gegeneinander.
"Wo hast'n den geklaut?"
"Meiner!"
"Klar. Wahrscheinlich 'n verkappter Millionario, der mal'n bisschen 'wahres Leben' inhalieren will, hm?"
"Volltreffer", griente der immer noch Namenslose.
Myra schüttelte das von einer Wollmütze geschützte Haupt und sagte spontan: "Ich nenn dich Armstrong."
"Armstrong?"
"Wie der erste Typ auf'm Mond. Der hat dort auch seine Latschen eingestanzt, ohne jemanden zu fragen!"
"Ich fühle mich geehrt", sagte Armstrong. "Aber was ist nun? Mein Angebot steht..."
"Solang's nur dein Angebot ist..."
Er hob feierlich die Rechte zum Schwur.
"Wo soll'n das sein, deine 'Residenz'?", fragte Myra.
"Nur ein Katzensprung von hier. Du wolltest doch sowieso aufbrechen. Sieh es dir wenigstens an!"
"Du könntest so'n Psycho sein", schniefte sie.
"Sehe ich so aus?"
"Nö."
"Na also."
"Na also", wiederholte Myra und schulterte ihr Bündel. "Okay, wenn's nich weit is..."
"Du wirst es nicht bereuen."
"Und falls doch", seufzte sie wegwerfend, "ich steh auf Eichenkreuze. Wenn du doch 'n verkappter Psycho sein solltest, könnteste mir den klein' Gefallen wenigstens tun. Hinterher. Schön schlicht sollt's sein und tief in mein Grab gerammt. Die Säcke vonner Stadt sparen doch für unsereins an allem!"
Er schien nichts daran absonderlich zu finden, sondern versprach auf ebenso launige Art: "Kreuz oder Pflock – was immer du willst. Auf Wunsch auch mitten ins Herz...!"

Szenentrenner


Der Schlüssel passte.
Myra "einfach Myra" Applegate konnte es nicht fassen.
Als ihr großmäuliger Kavalier das Licht anknipste, strahlte ihr nie gesehener Luxus entgegen. Von draußen war es nur einer von vielen Barackenbauten, eine halbe Meile südlich des Sydneyer Hyde Parks gewesen. Nichts, was zufällige Streuner sonderlich neugierig gestimmt hätte.
"Willst du nicht hereinkommen?"
Sie stand immer noch in der offenen Tür.
"Was'n das hier? Wenn die Bullen uns –"
"Es gehört mir", wehrte er ab. "Wann glaubst du das endlich?"
"Du läufst nich viel besser 'rum als ich – und ich hab nich so'ne Klitsche!"
"Gehört zu einem früheren Leben", sagte er. "Eigentlich kann ich nicht mehr viel damit anfangen. Ich wollte dir nur eine Freude machen..."
Myra schmiss ihr Bündel irgendwohin und kickte die Tür hinter sich ins Schloss. Noch einmal warf sie einen Rundblick. Dann stemmte sie die Fäuste in die Hüften und sagte: "Okay!"
"Okay?"
Sie schniefte. "Ich nehm dein unmoralisches Angebot an. Kannst mich vögeln." Sie wischte sich die Nase am Ärmel ihres Lottermantels ab. "Das isses mir wert. Unter einer Bedingung..."
Er blickte fragend.
"Keine perversen Sachen!"
"Was ist pervers?"
Myra hörte schon nicht mehr richtig zu. Sie durchmaß das Innere der Baracke, das fast nur aus einem einzigen großen Raum bestand. Lediglich ein paar geschmackvolle Paravants grenzten den hinteren Bereich vor neugierigen Blicken ab. Alles war so stilvoll eingerichtet, dass sie aus dem Schauen und Staunen gar nicht mehr herauskam. Beiläufig schälte sie sich aus Mantel und darunter befindlichen Kleidungsstücken.
"Armstrong" machte sich an einer HiFi-Anlage zu schaffen, und kurz darauf untermalte klassische Musik die zunehmend romantische Stimmung.
Das Bett allein – Mittelpunkt des Raumes – war schon eine Offenbarung. Myra war hin und weg von dem seidigen Behang. Dicht daneben lockte eine in den Boden eingelassene Wanne mit Whirlpooldüsen. Ein breiter Streifen darum herum war marmorgefliest, während die übrige Fläche von schrittdämpfendem, flauschigem Teppich bedeckt war.
Stilvolle Tapeten, weiche, intime Beleuchtungseffekte und teure Vollholzmöbel komplettierten Myras Verdacht, im falschen Film gelandet zu sein.
Apropos Film:
"Dadrauf bin ich aber nich grad geil!"
Sie war stehengeblieben und rüttelte an einer Stativleuchte, in deren unmittelbarer Gesellschaft weitere Scheinwerfer und eine fast professionell wirkende Kamera um das Bett aufgebaut waren.
Armstrong stand mittlerweile an der gutbestückten Hausbar. "Ein Drink?"
"Immer."
Er schenkte aus einer bernsteinfarbenen Flasche ein und brachte ihr das Glas.
"Du säufst nich mit?"
"Alk bekommt mir nicht... mehr."
Myra tippte sich an die Stirn, brabbelte irgendetwas, das wie "Ich pfeif auf die Leber, die pfeift auch auf mich!", klang und stürzte den Inhalt des Glases in einem Zug herunter.
Sofort ging ein Leuchten über ihr Gesicht.
"Herrgott, was für'n Tropfen! – Zahnweh?"
Armstrong hatte das Gesicht verzogen. Aber er schüttelte den Kopf. Sein Blick maß die Altkleidersammlung an Myras Körper. "Ich lasse dir ein Bad ein. Du bist noch ganz durchfroren."
Er weiß genau, wie er mich kriegt, dachte Myra nun doch unbehaglich. "Und du? Steigste mit 'rein? Platz genug is ja."
Er antwortete nicht. Als das dampfende Wasser die Wanne bis knapp zur Hälfte gefüllt hatte, war Myra aus Altkleidern und -papier heraus und zierte sich nicht länger, ihre akzeptable Figur unverhüllt vorzuführen. Erstaunlicherweise vermittelte Armstrong nicht den Anschein, als würde er sich dafür sonderlich interessieren.
"Wag dich ja nich, mich doch irgendwie heimlich auf Zelluloid zu bannen!", wiederholte Myra noch einmal ihre Abneigung, während sie sich etwas irritiert ins ideal temperierte Wasser absenkte. Mit dem, was von ihrer weiblichen Intuition übriggeblieben war, fand sie den Knopf für den Whirpool.
Sie quietschte vor Vernügen, als die harten Strahlen ihren Körper zu kneten begannen und das Wasser an der Oberfläche des Beckens wie prickelnder Champagner zerstäubte.
"Jetzt noch'n Drink wie der von vorhin, das wär göttlich!"
Armstrong brachte die ganze Flasche.
Myra setzte an und schluckte so gierig, dass einiges über ihre Lippen schwappte und sich mit dem Wasser vermengte.
Sie lachte und stellte die halbleere Flasche neben sich.
"Du bist ja immer noch in Vollmontur... Komm endlich!"
Armstrong stand mit verschränkten Armen neben dem Beckenrand. Er starrte auf sie herab. Nun schon deutlich interessierter, wie sie mit Befriedigung feststellte. Alles andere hätte ihr verbliebenes Ehrgefühl auch nicht akzeptiert.
"Ich steh auf dich!", seufzte er plötzlich. Der glückselige Ton verursachte Myra die stärkste Gänsehaut, an die sie sich erinnern konnte.
"Is ja schon gut. Krieg dich wieder ein. Das is'n Deal, mehr nich, klaro? Bild dir bloß keine Schwachheiten ein...!"
Er ließ die Arme baumeln und stieg zu ihr in die Wanne. Mit den Fetzen, die er am Leib trug.
Sein Blick machte ihr plötzlich Angst, und sie ahnte, dass es ein nicht mehr gutzumachender Fehler gewesen war, den Mantel so weit außer Reichweite abzustreifen. Das einzige, was sich notfalls als Waffe gebrauchen ließ, steckte in einer der Außentaschen.
"Mann, bist du krank, ey", blaffte sie ihn an.
Er plumpste ihr gegenüber ins Wasser. Sie wollte aufspringen, aber er hielt sie fest und zog sie auf sich zu, bis sie halb auf ihm zum Sitzen kam.
Myra hatte Erfahrung genug, um bei solcher Nähe zu erkennen, wann ein Mann erregt war. Dieser war es nicht. Zumindest nicht dort, wo sie es hätte erwarten dürfen.
Sie schlug mit den Fäusten um sich. Er ließ kurz los und schloss dann seine Hände um ihre Unterarme.
Stählern.
Myra hatte den Eindruck, als würde ihr das Blut bis hinunter in die Finger abgeschnürt. Sie wurden taub und färbten sich blau.
"Au! Lass los, du Arsch!"
"Später", sagte Armstrong ruhig.
Er sah immer noch so abgefahren gelassen aus, dass Myra trotz Schmerzen gar nicht auf den Gedanken kam, laut loszubrüllen.
"Hör auf mit dem Scheiß!", keuchte sie lediglich. "Ich sagte doch, du kannst dich bedienen. Aber nich so – zärtlich, ey!"
Seine Hände öffneten sich.
"Entschuldige. Ich wollte dich nicht quälen. Ich will dir doch Gutes tun. Bei den anderen klappte es noch nicht richtig. Aber ich fühle, bei dir könnte es hinhauen."
Myra saß starr in der Wanne. Der Wellengang des aufgewühlten Wassers beruhigte sich etwas, obwohl die Düsen unverändert weitersprudelten.
"Die anderen...?", echote sie.
Er legte sanft den Finger auf ihre Lippen. "Psst. Sie sind nicht mehr wichtig. Du bist wichtig." Er blickte begehrlich auf ihren Hals, obwohl Männer normalerweise lieber auf ihre großen Brüste starrten, die in krassem Kontrast zu ihrem beinahe kindlichen Körper standen.
Er öffnete den Mund.
Zum ersten Mal. Deshalb fiel es ihr auch sofort auf.
"Darf ich dich... küssen?"
Myra war gelähmt vor Angst. Der Kerl machte sie fertig. Total fertig. Sie zitterte und nickte schließlich, um ihn nicht zu weiterer Gewalt zu animieren. All ihr Geschwafel über "Psycho" und "Eichenkreuz" war vergessen. So aufgeschlossen stand sie dem Sterben doch nicht gegenüber.
"Du wirst es nicht bereuen", flüsterte er bizarr. "Ich schenke dir ewiges Leben!"
Er beugte sich über sie, streifte ihre Brüste nur flüchtig und strich in plumper Begierde über ihren Hals. Die andere Hand umfasste ihren Kopf. Bog ihn zur Seite.
Myra starrte wie hypnotisiert hinüber zu den Paravents.
Sie wusste nicht, warum, aber plötzlich drängte sich ihr die Überzeugung auf, dass sich dahinter mehr verbarg, als ihre Phantasie je zu entwerfen vermocht hätte.
Viel mehr und viel, viel Schlimmeres...

Andrä Martyna
Andrä Martyna
© http://www.andrae-martyna.de/

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