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Die Herrin der Dornen

DIE HERRIN DER DORNEN
DIE HERRIN DER DORNEN

Karl-Georg Müller
Roman / Düster-phantastische Erotik

Fabylon
Covergrafik: Crossvalley Smith
Covergestaltung: Atelier Bonzai
Innengrafiken: Crossvalley Smith

ARS AMORIS: Band 3
Broschiert, 196 Seiten
ISBN: 978-392707137-7

Nov. 2009, 14.90 EUR
Bestellen: Jetzt bestellen / auch als eBook erhältlich

»Auf, mein Mädchen, wir sind da!« Morna wurde in die Seite gestoßen. Sie rieb sich die Augen und versuchte zu gähnen. Das Halskorsett saß eng wie eine Zwinge und verhinderte, dass sie ihren Mund weit öffnen konnte. Sie drehte sich zur Seite, um Syre Nygel anzusehen. Statt der legeren Reisekleidung trug er über dem hellen Hemd und der seidenen Hose einen mit Blüten und Knospen verzierten Mantel, dessen dunkles Blau die einzige Farbe in dieser von Dunkelheit beherrschten Kammer war.
»Die Prydwen hat im Hafen angelegt, wir gehen bald von Bord. Du wirst dann zum ersten Mal in deinem Leben das sehen, was wir Zivilisation nennen. Du wirst große Augen machen, Morna, denn hier wartet das wahre Leben auf dich.« Er zog sie am Arm hoch, bevor sie vollends bei Sinnen war. Durch das Halskorsett atmete sie nur schwer. Die vergangenen Stunden waren mehr, als eine junge Frau wie sie gewöhnlich in ihrem ganzen Leben mitmachen musste. Wie eine Klammer drückte es auf ihre Seele, denn das alles war sicher nur der Anfang. Die Begegnung mit Syre Nygel, ihre Entführung, die Reise mit dem Schiff, von der sie nichts mitbekommen hatte bis auf das eintönige Schaukeln des Schiffrumpfes und der Hunger, der in ihrem Bauch rumorte und die Zeit seit ihrer letzten Mahlzeit greifbar machte.
»Komm, träumen kannst du später in deiner Kammer, die man dir zuweisen wird. Ansonsten rate ich dir, aufmerksam zu sein, dich zu konzentrieren und auf jeden Wink zu achten, den eine Lady oder ein Syre an dich richtet. Ansonsten ...« Syre Nygel warf den Mantel zurück und schlug mit der in einem Lederhandschuh steckenden Hand auf den Griff der Peitsche, die an seinem Gürtel hing. Morna schluckte, dann nickte sie. Sie wusste trotz ihrer Unerfahrenheit, was eine Peitsche für sie bedeutete.
»Leg dir den Mantel um, Morna, draußen ist es kühl. Der Frühling ist in Mercia noch nicht angekommen, und die Sonne steht schon am frühen Abend sehr tief.«
Der Mantel schimmerte rot wie die untergehende Sonne, in die sie schaute, nachdem sie an Deck geklettert waren. Morna stand erst einmal still. Syre Nygel gönnte ihr die Zeit zur Besinnung.
Von ihrem Platz aus konnte sie auf die Stadt sehen. Der Anblick raubte ihr den Atem. Es war unvergleichlich, weil sie Derartiges niemals zuvor mit eigenen Augen gesehen hatte. Selbst die Dorfältesten hatten nie von einer solchen Pracht erzählt. Sie war eben doch in einem unbedeutenden Marktflecken aufgewachsen, fern von einer Stadt wie Tintagel.
Ihr Blick schweifte hin und her, aß sich satt an den Lichtern der Laternen und der Öllampen in den Fenstern, an dem Auf und Ab von tausend Dächern und Giebeln, die sich hochreckten oder duckten. Selbst im schummrigen Licht entdeckte sie so viel, was sie unbedingt und am liebsten sofort erkunden wollte.
Verdeckt von einer Reihe Häuser erkannte sie den Turm einer Kirche. Ja, von diesen Gotteshäusern hatte ihr Vater berichtet, nachdem er sich bei einer seiner Reisen mehrere Tage in Mercia aufgehalten hatte. Was sagte er noch: Die Kirche sei als Pferdestall genutzt worden. Sie war damals noch sehr jung und verstand zuerst nicht, weshalb das in den Augen des Vaters ein Frevel war. Ihr Glaube pries keinen einzelnen Gott an. Dass aber ein Haus, in dem man seinen Glauben zelebrierte, Tieren als Obdach diente, das erschien ihr doch unbegreiflich.
Wie ein Schleier schwebten das Leben, das quirlige Gelaufe und die Rufe der Menschen über ihr. Sie gewann sogar ein Gefühl dafür, was es hieß, seinen Platz in einer Stadt wie Tintagel zu finden.
Und trotzdem: Die Größe überwältigte und ängstigte sie zugleich. Zur linken Seite erhoben sich gewaltige Hafengebäude – in denen sie Verwaltungen oder Kontore vermutete – so weit in die Dunkelheit, dass sie das Ende nicht erahnen konnte. Rechts davon erstreckten sich niedrige Häuser, bei denen sie davon ausging, es handele sich um Schänken oder Läden. Sie waren gedrungener, manche zweistöckig, und mit einem das Gewerbe bezeichnenden Schild geschmückt. Das Holzfachwerk war reich verziert. Dies deutete in ihren Augen auf Wohlstand hin, denn in ihrem Dorf gab es keinen unnützen Zierrat. Sogar bunt eingefärbtes Gefach präsentierten die Besitzer, wo doch in ihrem Dorf die Bauten ohne Ausnahme lehmig braun waren. Trotz des dämmrigen Lichts hoben die Häuser die lebensfrohe Art der Bewohner Tintagels hervor.
Einen Herzschlag lang dachte sie, es war eine Fügung, was ihr widerfahren ist. Dann rief Syre Nygel sie, und Morna erinnerte sich daran, dass ihr Leben nicht mehr von ihr bestimmt wurde, sondern von heute an in seiner Hand oder der eines anderen Menschen lag. Es fröstelte sie. Sie zog den Mantel enger um ihren dünnen Leib, bevor sie Syre Nygel folgte.

Szenentrenner


Rion fand sich in einem kargen Bett wieder. Langsam kehrte die Erinnerung zurück. Umso unerklärlicher erschien ihm, wie Rianna ihn hierher getragen hatte. Ein bleiches Laternenlicht tauchte das kleine Zimmer in ein Geflecht aus Schatten. Wie jeder Winkel in diesem Viertel roch es nach totem Fisch. Rianna näherte sich mit einem dampfenden Becher.
»Hier, trink das, es wird dir guttun.« Sie drückte ihm das Trinkgefäß in die Hand, und er nippte zaghaft daran.
Wieder ein Getränk, das er ohne großes Federlesen zu sich nahm. Aber weshalb sollte Rianna ihn genauso belügen wie ihre Schwester? Wobei ihm ein Gedanke kam. »Weshalb hast du an der Schänke gewartet? Du konntest doch nicht wissen, dass ich mich befreit hatte.«
»Ich seh dir an, dass du mir nicht traust«, erwiderte sie, um gleich fortzufahren, »aber ich verstehe dich. Wer meiner Schwester in die Hände fällt, der ist meist für sein Leben gezeichnet. Wenn nicht am Körper, so doch in der Seele. Dir hätte sie sogar beides gestohlen. Jetzt aber brauchst du nichts zu fürchten.« Dann lächelte sie. »Und befreit, Rion, habe ich dich.« Sie strich ihm eine nasse Strähne aus dem Gesicht. »Die kleinen Nager – du weißt, wovon ich spreche?«
Rion brummelte etwas, was sie als Zustimmung verstand. »Das waren Eisenfresserchen, nicht größer als meine Hand, mit Zähnen ausgerüstet, denen Eisen nicht standhalten kann. Warte.« Ihre Finger verschlossen seine Lippen. »Ja, sie sind Zauberwerk. Nicht nur meine Schwester wurde von unserer Mutter mit der Gabe bedacht. Doch anders als sie wählte ich die gute Seite, mein Herz sitzt auf dem rechten Fleck. Wobei ich das in solch einfachen Worten sage, damit du es verstehst. In Wahrheit bedarf es langer Erklärungen, damit du die Unterschiede zwischen Gut und Böse und Weiß und Schwarz bei uns Hexen verstehst.«
Rion trank noch einen Schluck. Der Kräutertee tat gut, er linderte die Schmerzen in den Gliedern. »Lass gut sein, Rianna, auch wenn ich von einer Hexe an die nächste geraten bin.« Er grinste. »Aber was du von deiner Schwester erzählt hast, macht mir Sorgen. Ich bin in diesem Haus nicht sicher, ich muss so schnell wie möglich aus Alnburgh verschwinden. Wenn sie mich in ihre finsteren Pläne einbezogen hat, wird sie mir auf den Fersen sein.«
»Das sehe ich nicht anders als du, Rion. Deshalb habe ich dir Hemd, Hose, Jacke und ein Paar Stiefel bereits besorgt. Sie müssten passen.« Während sie den Stapel aufs Bett legte, sah sie ihn nachdenklich an. »Du hast Kelby getötet. Er klebte wie eine Klette an ihr, und Riamon liebte ihn. Wenn man ihre Empfindungen Liebe nennen kann. Aber du hast Recht, wir dürfen keine Zeit verlieren, sondern müssen uns auf den Weg nach Tintagel machen. Riamon wird sich für Kelbys Tod an dir rächen.«
»Ich höre immer wir?« Rion setzte sich kerzengerade auf. »Wir gibt es nicht, Rianna. Ich bin allein losgezogen, um Kayla zu finden, und ich werde das bis zum Ende allein durchziehen.«
»Wenn ich bleibe, wird Riamon mich töten. Meine Schwester ist dahintergekommen, wer dich befreit hat, und sie wird sich an mir rächen. Nimm mich mit, oder ...«
»... oder ich bin für deinen Tod verantwortlich«, fügte Rion hinzu.
Rianna nahm ihm den Becher ab und ging wortlos ins Nebenzimmer. Er hörte sie dort hantieren. Wenige Minuten später kehrte sie zurück, machte sich an einer Truhe zu schaffen und stopfte Röcke und Hemden in einen Rucksack. Einmal warf sie ihm einen verstohlenen Blick zu. Rion merkte ihr die Unsicherheit an. Dabei hatte er längst beschlossen, sie könne ihn nach Tintagel begleiten.
Als er ihr seinen Entschluss verraten wollte, hob sie den Kopf aus der Truhe und schaute angestrengt zum Vorderzimmer. Jetzt hörte auch er es. Ein Scharren an der Tür, kurz darauf ein Klopfen, dem ein Ruf folgte: »Rianna, bist du da? Mach sofort auf.«
Rianna und Rion erkannten die Stimme auf Anhieb. Wie auf ein geheimes Zeichen hin sprangen beide lautlos auf. Sie durften nur keine verräterischen Geräusche verursachen. Rianna stopfte ihre Wäsche tiefer in den Rucksack, während Rion in das Paar Stiefel schlüpfte und sich die dünne Jacke griff.
»Wie kommen wir raus?«, flüsterte er aufgeregt, doch Rianna beachtete ihn nicht. Sie schob die Bettstatt nach hinten, schimpfte mit sich selbst, weil das Holzgestell viel zu laut gegen die Wand stieß, und kramte einen Beutel hervor. Er klimperte. Aha, ihre ersparten Münzen, dachte Rion. Er schulterte seinen Rucksack. Rianna ersparte sich unnötiges Gerede, sondern wies mit der Hand in das nächste Zimmer. Rion eilte voran. Der Rucksack schlenkerte dabei gegen den schmalen Durchlass.
»Gib doch acht«, fauchte Rianna, als ob sie zerbrechliche Gegenstände eingepackt hätte.
Aus dem Nebenzimmer führte eine Hintertür hinaus. Das war nicht die Rettung, aber es würde ihnen etwas Luft verschaffen.
Bevor er die Tür öffnete, fuhr Rianna dazwischen. »Warte. Du musst mir etwas versprechen. Erst dann bring ich uns gemeinsam hier weg.«
Rion verschlug es die Sprache. Immerhin war er derjenige, der in der Not seine Muskelkraft einsetzen musste. Und eine solche Not lag nun vor, denn es klopfte erneut, diesmal hart, als ob Riamon ihrer Wut mit der Faust Ausdruck verlieh.
»Töte meine Schwester nicht«, flüsterte sie. »Wenn Riamon stirbt, kann auch ich nicht mehr leben.« Sie wandte sich abrupt ab, als die Haustüre unter einem heftigen Schlag in ihren Angeln knirschte. Ihre Hand klammerte sich in Rions Jackenärmel.
Er verstand zwar nicht, was sie damit meinte, doch er zögerte nicht. »Ich verspreche es dir, Rianna, ich werde deiner Schwester nichts zu Leide tun.«
Das Mädchen öffnete die Tür. Im anderen Zimmer schlug ein Gegenstand auf dem Boden auf und zerbrach. In Windeseile breitete sich ein gelber Nebel aus und waberte näher. Rianna war schon draußen. Die Sonne warf einen zögerlichen Strahl durch die enge Gasse. Der Nebel zerstob im trüben Sonnenlicht in tausend giftige gelbe Wölkchen, in denen kleine Gespenster hüpften und sprangen. Schnell folgte er Rianna. Keinen Augenblick zu früh, denn der Nebel tastete sich bereits zu der Stelle vor, an der er vor einem Herzschlag gestanden hatte.
Die Häuser klebten eng aneinander, doch dieses Mal achtete er darauf, genügend Abstand zu halten. Rianna legte eine hohe Geschwindigkeit vor. Sie kannte sich wohl in jeder Ecke der Stadt aus. Schon nach der zweiten Kehre mühte er sich nicht mehr, den zurückgelegten Weg im Kopf zu behalten. Er würde wahrscheinlich nicht mehr in dieses Viertel zurückkehren. Sie schaute nur zweimal kurz zurück, weil er den Schritt nicht mithalten konnte. Sobald sie feststellte, dass er aufschloss, flogen ihre Beine wieder davon. Ich folge einem Wiesel, dachte er staunend.
Als sie eine belebte Straße überquerten, prallte er mit einem Kerl zusammen. »Hau bloß ab!«, schrie der ihn an. Offensichtlich war er versucht, ihm an den Rucksack zu greifen. Doch Rion war schneller, stieß ihn kurzerhand mit dem Sack – der war schwer, da hatte sie nicht nur Kleider reingepackt! – in den Dreck und hetzte Rianna hinterher. Jetzt endlich wusste er, wo sie sich befanden. Die Schildgasse, die er mit langen Schritten entlangrannte, führte geradewegs in Richtung Hafen.

Crossvalley Smith
Crossvalley Smith
© http://www.crossvalley-design.de

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