MÜNCHEN (BLK) – Warlam Schalamow habe mit seinen Kurzgeschichten „Durch den Schnee“ ein Gegenstück zu Jonathan Littells „Die Wohlgesinnten“ geschrieben, urteilt Franziska Augstein.
Schalamow sei fast 18 Jahre lang in den Lagern des russischen Nordens eingesperrt gewesen, weiß „SZ“-Rezensentin Franziska Augstein, und habe Jahre damit verbracht, seine „Erlebnisse auf den Begriff“ zu bringen. Seine Erfahrungen im Gulag habe Schalamow nicht in Romanform, sondern auf „Hunderte Seiten in episodisch erzählte, artistisch hochdisziplinierte Literatur“ umgewandelt, urteilt die Rezensentin. Der Leser merke, dass Schalamow als Journalist und Texter sein Schreiben begann, da jedes Wort seinen Sinn habe und kein Wort zu viel sei. Schalamow benutze eine „poetische Lakonik“, um seine „schwarze Anthropologie“ zu spiegeln, bemerkt Augstein. Der Schriftsteller wolle trotz seiner Skepsis gegenüber den Menschen sein Publikum erreichen und vermitteln, was ihm widerfahren sei. Diese Hoffnung ist ihm laut Augstein geblieben, obwohl er sich vom „gelebten Leben“ auf das „papierne“ zurückgezogen habe.
Warlam Schalamows Prosa sei das Gegenstück zu Jonathan Littell, der in seinem Buch geschrieben aus der Perspektive eines SS-Mannes laut Augstein keine Formulierung zustande bringe, die für sich stehen könne. Alle Beobachtungen Schalamows seien wichtig und „schön“ in ihrer Präzision. Mit den „Kurzgeschichten aus dem Gulag“ habe Schalamow ein Buch geschrieben, dem sich der Leser anvertrauen könne, bemerkt Augstein. Die Übersetzerin Gabriele Leupold ist laut Augstein mit diesem Buch für den Übersetzerpreis der Leipziger Buchmesse 2008 nominiert. (mar)
Literaturangaben:
SCHALAMOW, WARLAM: Durch den Schnee. Erzählungen aus Kolyma 1. Aus dem Russischen von Gabriele Leupold. Mit einem Nachwort von Franziska Thun-Hohenstein. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2007. 342 S., 22,80 €.
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