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Herzprobleme

Der neue Roman von Peter Stephan Jungk

© Die Berliner Literaturkritik, 09.02.11

MÜNCHEN (BLK) – Der Roman „Das elektrische Herz“ von Peter Stephan Jungk ist im Februar 2011 im Zsolnay & Deuticke Verlag erschienen.

Klappentext: Der ehemals erfolgreiche Dramatiker Max David Villanders kämpft seit seiner Jugend mit Herzproblemen. Als er neunzehn ist, wird das Loch zwischen den Vorhöfen erkannt und geschlossen. Jahre später muss er sich wieder einer Operation unterziehen. Das Herz gibt sich nicht mehr mit der Rolle des schweigenden treuen Dieners zufrieden und mischt sich kommentierend immer wieder in das Leben von Max ein. So entsteht ein gemeinsames Buch - eine Geschichte über das Leben und die Bedeutsamkeit der Liebe. Das "elektrische Herz" stößt Max in erotische Verwirrungen und führt ihn auf untreue Abwege. Eine wunderbare Komödie über eine sonderbare Beziehung.

Peter Stephan Jungk wurde 1952 als Sohn des Zukunftsforschers Robert Jungk in Santa Monica/Kalifornien geboren. Er wuchs zunächst in den Vereinigten Staaten auf und kam im Alter von fünf Jahren nach Wien. In Berlin besuchte er die Rudolf-Steiner-Schule, sein Abitur legte er in Salzburg ab. Jungk arbeitete als Regieassistent am Basler Theater, studierte  am American Film Institute in Los Angeles und wirkte  als Peter Handkes Regieassistent bei der Verfilmung von Handkes „Die linkshändige Frau“. 1980 besuchte der gebürtige Jude Jungk eine Thoraschule in Jerusalem. Seit 1988 lebt er mit seiner Frau, der Fotografin Lillian Birnbaum, in Paris. Peter Stephan Jungk ist Verfasser von Romanen, Essays und Drehbüchern, bei deren Verfilmung er teilweise selbst Regie führte. Daneben übersetzt er aus dem Englischen. (kum)

Leseprobe:

 © Zsolnay & Deuticke Verlag ©

Vier Monate vor meinem fünfzigsten Geburtstag erhielt ich einen eingeschriebenen Brief, in dem mich das Jerusalemer Stadttheater, das „Sherover“, herzlich einlud, mit meiner Frau und meinen Töchtern drei Tage als ihr Gast im Hotel King David zu verbringen. Zwei Suiten stünden uns zur Verfügung. Man wisse, was Jerusalem für mich und mein Werk bedeute. Das 1990 in London uraufgeführte und von 1992 bis 1995 nahezu ohne Unterbrechung am „Sherover“ gespielte Theaterstück „Mamme Gigi“ lege dafür mehr als deutlich Zeugnis ab. Das Theater erachte es als Ehre, mich anlässlich meines runden „Wiegenfestes“, wie es in der auf Deutsch verfassten Einladung hieß, samt Familie in Israel begrüßen und feiern zu dürfen. „Wiegenfest“ − wie unjüdisch das klang. Der Name des Absenders ließ sich nicht identifizieren, es hieß nur: Die Direktion. Darüber lag der Schwung einer großspurigen, mit Tinte verfassten Unterschrift, die der Silhouette einer Heuschrecke glich.

Ich antwortete postwendend: „Wir freuen uns sehr. Meine Töchter studieren in den USA und werden leider nicht dabei sein können, sie erachten das Begehen von Geburtstagsfesten ohnehin als goyisch und gänzlich überflüssig. Meine Frau und ich nehmen Ihre Einladung gerne an. P. S.: Natürlich genügt eine Suite!“

Die beiden Flüge, Business Class tour-retour, wurden von den

Gastgebern bezahlt. Niemand kam zum Flughafen, um uns abzuholen. Das störte uns nicht, es kam uns nur ein wenig seltsam vor. Wir nahmen ein Taxi, Catherine empfahl mir, die Rechnung aufzuheben. Spät abends erreichten wir Jerusalem, bezogen eine grandiose Zimmerflucht im obersten Stockwerk des Hotels. Der Blick auf die beleuchtete Altstadtmauer erfüllt mich jedes Mal mit einer Mischung aus Stolz, Heimatgefühl und tiefer Verzagtheit. Mein Ruinenblick lässt mich Zukunft schauen: Jerusalem wird noch vor dem Ende des einundzwanzigsten Jahrhunderts vollkommener Zerstörung zum Opfer fallen.

Ich trat auf den Balkon, die Frühjahrsluft schmeckte nach Jasmin, ich fühlte mich kräftig und gesund wie seit Jahren nicht mehr. Ich hatte deinen Rhythmus seit Jahren ganz und gar im Griff. Catherine folgte mir nach draußen, umarmte mich, ihre Umarmungen sind immer ein Zeichen allerhöchster Zufriedenheit. Sie behält ihre Zu- und Abneigungen in der Regel für sich, sie lassen sich von ihren Augen, ihren Gebärden kaum ablesen. Sie hielt ein Kärtchen in der Hand, das neben der Mineralwasserflasche und dem großzügig bestückten Obstkorb lag: „Wir freuen uns, Sie in unserer Stadt begrüßen zu dürfen, und bitten Sie, morgen Abend ab neunzehn  Uhr in der sechsten Etage in Zimmer 609 an einem kleinen Umtrunk zu Ihren Ehren teilzunehmen.“ Die Nachricht war mit den Buchstaben SVB unterzeichnet. Wie konnte ich wissen, wer sich hinter den Initialen verbarg. Catherine wirft mir bis heute, gut vier Jahre nach dem Ereignis, vor, ich hätte in jenem Moment erkennen müssen, was auf uns zukommen würde. Ich ahnte nichts, gar nichts. Catherine und ich schliefen sogar miteinander, in dieser Nacht, rasch zwar, aber umso lüsterner. Es war seit über einem Jahr nicht mehr vorgekommen, dass wir Liebe machten.

Wir verbrachten den nächsten Tag, meinen Geburtstag, auf dem abwechslungsreichsten Spazierweg, den ich kenne, der Umwanderung der Jerusalemer Altstadt, hoch oben auf der Stadtmauer. Hielten uns zum Abschluss eine Stunde im armenischen Viertel auf, wo uns mein langjähriger Freund, der Historiker Kevork Hintlian, empfing.

Kurz vor achtzehn Uhr kehrten wir ins Hotel zurück, beide recht müde. In der Halle fiel mir eine Frau in meinem Alter auf, die mich wie ein fernes Echo an jemanden erinnerte, den ich vor Jahren gekannt hatte. Sie sah uns nicht, als wir den Aufzug bestiegen − und ich machte mich nicht bemerkbar. „Was hast du?“, wollte Catherine wissen, als wir die Suite betraten.

„Ich war in Gedanken.“

„Kein Grund, mich so böse anzuschauen.“

„Ich schaue nicht böse, mein Schatz. Ich konzentriere mich.“

„Worauf?“

„Ich bereite eine kleine Rede für die Theaterleute vor …“

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© Zsolnay & Deuticke Verlag ©

Literaturangabe:

JUNGK, PETER STEPHAN: Das elektrische Herz. Zsolnay & Deuticke Verlag, München 2011. 192 S., 18,90 €.

Weblink:

Zsolnay & Deuticke Verlag


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