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Vom Altwerden und Jungbleiben - Friederike Mayröcker

Presseschau vom 13. März 2008

© Die Berliner Literaturkritik, 13.03.08

 

BERLIN (BLK) – Die „FAZ“ berichtet über den Briefwechsel zwischen Peter Weiss und Siegfried Unseld, die „NZZ“ widmet sich Ilsabe von Bülows Monographie „Joseph Christian Lillie“. Die „SZ“ rezensiert „Durch den Schnee“ von Warlam Schalamow und „Die Zeit“ beschäftigt sich mit Friederike Mayröckers „Paloma“.

 „Frankfurter Allgemeine Zeitung“

In einer „mustergültigen Briefedition“ von Rainer Gerlach ist der Schriftverkehr zwischen Peter Weiss und seinem Verleger Siegfried Unseld nachzulesen, berichtet die „FAZ“. Die Zeitspanne des Bandes reiche von 1948 bis 1982 und umfasse somit „den langen Weg der deutschen Nachkriegsliteratur“ sowie das „Zeitalter der Gruppe 47“. Außerdem meldeten sich darin Peter Suhrkamp, die Lektoren Walter Boehlich, Karlheinz Braun und Elisabeth Borchers sowie gelegentlich Hans Magnus Enzensberger und Martin Walser zu Wort. Dabei erweise sich selbst die „sprödeste Korrekturnotiz“ als „Manifest eines Wortglaubens“, den Rezensent Alexander Honold in der heutigen Literaturproduktion vermisst.  

In einer Kurzkritik bespricht die „FAZ“ den Sammelband „Neue Liebesgedichte“, ausgewählt und mit einem Nachwort versehen von Hans-Ulrich Treichel. Der Band vereine drei Jahrzehnte deutscher Liebesgedichte, die von den „alten Situationen“ wie Erfüllung, Sehnsucht, und Klage geprägt seien. In der aktuellen Liebeslyrik mache sich häufig „Liebesskepsis“ breit, selten gewähre Liebe noch „seelischen Aufschwung“. Das „Liebes-Kaleidoskop“ sei demnach ernüchternd und wundersam zugleich.

Stefana Sabin liefert mit „Die Welt als Exil“ einen „kenntnisreichen, luziden Essay zur Geschichte des Exilbegriffs“ ab, urteilt die „FAZ“ in einer weiteren Kurzkritik. Dabei käme Sabin zu dem Schluss, dass wir, zu Zeiten von Globalisierung und Mobilität, eigentlich alle in einer gewissen Form des Exils leben. An vielen Beispielen zeige die Autorin sowohl Nachteile („Heimat- und Sprachverlust“) als auch Vorteile („Ungebundenheit und Mehrsprachigkeit“) dieser Entwicklung auf. Ein gewisses Unbehagen verspürt der Rezensent jedoch, wenn die schrecklichen Erfahrungen von Verfolgten mit dem selbst verantworteten Heimatverlust verglichen werden.

„Frankfurter Rundschau“

Michael Kumpfmüller lasse es in seinem neuen Roman „Nachricht an alle“ von Beginn an „richtig krachen“, bemerkt Rezensent Martin Lüdke in der „FR“. Das Buch biete Stoff für mehrere Thriller, schreibt Lüdke und stellt fest, der Autor setze „ganz auf den politischen Roman der Gegenwart“. Der Plan, die „Politik in die Literatur zurück zu holen“ und „Fiktion mit politischer Realität“ zu vergleichen, gehe jedoch nicht auf, urteilt der Rezensent.

„Neue Zürcher Zeitung“

Hubertus Adam rezensiert für die „NZZ“ die Monographie „Joseph Christian Lillie (1760-1827)“ von Ilsabe von Bülow. Es sei ein fundiertes Werk, das das Schaffen eines Architekten betrachte, dessen Werk bisher wenig erforscht war. Seine Herrenhäuser im weiten Lübecker Umfeld (Schönfeld, Lehsen, Pritzier, Gudow) würden hier beispielsweise ausführlich dokumentiert werden und sollen den eigentlichen Schwerpunkt der „üppig“ mit Plan- und Bildmaterialien ausgestatteten Monografie bilden.

In dem dritte Band der Guido-Guerrieri-Reihe des italienischen Autors Gianrico Carofiglio lernt man etwas über die Sehnsüchte eines einsamen Advokaten, aber auch über italienische Gerichtsverfahren und die Kunst des Plädoyers, schreibt Maike Albath für die „NZZ“. Dieser Gerichtskrimi beinhalte einen routiniert gebauten Plot, ordentliche Dialoge, Bezüge zum Zeitgeschehen, Einblicke in die italienische Gesellschaft und eine verhaltene Romanze. Jedoch seien die Umbrüche in diesem Band weniger zugespitzt als in den ersten beiden Bänden, die Anspielungen auf Filmklassiker wirken bemüht und die Nebenfiguren seien nicht so plastisch. Dem Roman schade es, dass die seelischen Nöte des Protagonisten stark in den Vordergrund treten. Der Autor packe Elemente des Entwicklungsromans in eine klassische Krimistruktur, unterfüttere das Ganze mit Lokalkolorit und zeichne so ein leicht verdauliches Porträt seiner Generation.

„Das große Meer des Sinns“ von Karlheinz Stierle ist ein perspektivreiches Buch und regt zum Neulesen, Nachdenken und -fragen an, meint Kurt Flasch in der „NZZ“. Das facettenreiche Dante-Bild betone Offenheit und Ambiguität der Dichtung. Der Autor befreie das Bild des Dichters Dante von aller schulmäßigen Verharmlosung. So beseitige Stierle die Abflachungen, und vertiefe sich ins Einzelne. Sein Buch werde für jeden Dante-Forscher unentbehrlich, weil er an Beispielen zeige, wie Dantes Werk sich gewissermaßen auch mit sich selbst beschäftige. Er entdecke thematische Konvergenzen und textuelle Verweise innerhalb seiner drei Teile. Das Politische der „Commedia“ sei bei Karlheinz Stierle diskussionslos minimiert und auch die Liebe spiele in seinem Gesamtbild eine eher geringere Rolle. Dante komme auch als Philosoph nicht vor und wirke ein wenig zu existentialistisch.

„Süddeutsche Zeitung“

In „Durch den Schnee. Erzählungen aus Kolyma 1“ erzähle Warlam Schalamow von seinen Erfahrungen, die er im stalinistischen Gulag machte, schreibt Rezensentin Franziska Augstein. Es handle sich um „episodisch erzählte, artistisch hochdisziplinierte Literatur“, die Schalamow in Kurzgeschichten darstelle. Schalamow sei nicht der „liebenswürdige (...) Überlebende“, er wolle aber als Autor seine Leser erreichen und vermitteln, was er erlebt habe. Augstein findet alle Beobachtungen Schalamows wichtig und schön „in ihrer Präzision“ dargestellt, denn der Autor benutze „kein Wort zu viel“.

„Die Zeit“

Ein „helles, träumerisches Buch“ habe Friederike Mayröcker mit „Paloma“ geschrieben, bemerkt Rezensent Otto A. Böhmer für „Die Zeit“. Die Dichterin, die laut Böhmer nie „Geschichtenerzählerin“ war, denke in ihrem neuen Werk auch über ihren Lebensgefährten Ernst Jandl nach und erzähle vom „Altwerden und Jungbleiben“.

Evelyn Finger bespricht für „Die Zeit“ Werner Bräunigs Erzählband „Gewöhnliche Leute“, in dem er ebendiese porträtiere. In dem neu erschienenen Buch stelle Bräunig, der „Arbeiterliteratur“ schreibe, die „Allerweltssorgen der Jedermänner“ dar. Bräunigs Talent erkenne der Rezensent daran, dass der Autor in der Lage sei, die Sorgen ins Metaphysische zu wenden und „lapidaren Szenen überzeitliche Geltung“ verleihe.

Die kulturwissenschaftliche Studie „Tiefer als der Tag gedacht“ von Elisabeth Bronfen schaut „teleskopartig auf Nachtthemen“, schreibt „Die Zeit“. Die Zürcher Literatur- und Kulturwissenschafterin nachtwandle durch „Philosophie und Literatur“ gehe „ins Theater und ins Kino“, und lote so die „konfliktträchtige Wechselbeziehung“ zwischen Tag und Nacht, zwischen Vernunft und Verdrängung aus. „Oft hocherzählerisch“ gewinne die Autorin ihren Texten stets neue Facetten ab. Rezensent Wilhelm Trapp stellt sich einzig die Frage, ob über 600 Seiten nicht ein wenig zu viel des Guten sind. (car/mar/win)

Literaturangaben:
BRÄUNIG, WERNER: Gewöhnliche Leute. Erzählungen. Herausgegeben von Angela Drescher. Aufbau Verlag, Berlin 2008. 300 S., 19,95 €.
BRONFEN, ELISABETH: Tiefer als der Tag gedacht. Eine Kulturgeschichte der Nacht. Hanser Verlag, München 2008. 639 S., 29,90 €.
CAROFIGLIO, GIANRICO: Das Gesetz der Ehre, Roman. Aus dem Italienischen von Claudia Schmitt. Goldmann-Verlag, München 2007. 271 S., 19,95 €.
KUMPFMÜLLER, MICHAEL: Nachricht an alle. Roman. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008. 383 S., 19,95 €.
MAYRÖCKER, FRIEDERIKE: Paloma. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 198 S., 16,80 €.
SABIN, STEFANA: Die Welt als Exil. Göttinger Sudelblätter. Wallstein Verlag, Göttingen 2008. 42 S., 14 €.
SCHALAMOW, WARLAM: Durch den Schnee. Erzählungen aus Kolyma 1. Aus dem Russischen von Gabriele Leupold. Mit einem Nachwort von Franziska Thun-Hohenstein. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2007. 342 S., 22,80 €.
STIERLE, KARLHEINZ: Das große Meer des Sinns. Hermenautische Erkundungen in Dantes „Commedia“. Wilhelm Fink, München 2007. 442 S., 49,90 €.
TEICHEL, HANS-ULRICH: Neue Liebesgedichte. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2008. 126 S., 5 €.
UNSELD, SIEGFRIED / WEISS, PETER: Der Briefwechsel. Herausgegeben von Rainer Gerlach. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 1150 S., 39,80 €.
VON BÜLOW, ILSABE: Joseph Christian Lillie (1760-1827). Ein Architektenleben in Norddeutschland. Deutscher Kunstverlag, München und Berlin 2007. 248 S., 58 €.

Presseschau vom 12. März 2008

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