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Das Meer ist fünf Minuten weit – Bemerkenswerte Gedichte Jan Volker Röhnerts

Bei dem jungen Lyriker finden sich Prosagedichte und abwechselungsreich gehaltene Hommagen

Von: ALEXANDER KLUY - © Die Berliner Literaturkritik, 08.07.08

 

„Du schielst, um dir eine Landkarte zu basteln / aus dem Buntpapier der abgegriffenen Saison / ein gesammeltes Entzücken, / in dem die Tage Fremdwörter sind.“ Die Gedichte Jan Volker Röhnerts – eine poetische Landkarte? Man reist zwar mit ihm nach Paris und Genua, nach London, Paris und New York. Man kreist über Mexico City und kommt ans Meer. Denn da ist immer ein Movens vorhanden – die Sehnsucht. Die drängende Sehnsucht nach dem Ausbruch aus dem Hier, aus dem Gewohnten, da ist die Sehnsucht nach verbindenden und vor allem nach haltenden intensiven Blicken. Da ist das Mädchen hinter der Theke im Gedicht gleichen Titels, das – vergeblich – eines Mannes harrt, der zu ihr sagt: „komm Baby, das / Meer ist fünf Minuten weit.“ Und doch wäre es verfehlt, die Poeme aus den Jahren 1998 bis 2006, die nun in der ebenso schönen wie ambitionierten Reihe des Münchner Lyrik Kabinetts im Carl Hanser Verlag erscheinen, als Reiseimpressionen zu lesen. Denn es kommt sogleich ein kleiner, biografischer Widerhaken ins Spiel, eine Ortsangabe, die lautet: Gera – Jena – Weimar. In Gera wurde Röhnert 1976 geboren, in Jena studierte er Literaturwissenschaften und lehrt dort seit 2003 Germanistik und in Weimar lebt er.

Die Reisen sind also nicht nur geographischer Natur. Sie sind bei Röhnert, der Michel Deguy und die amerikanischen Lyriker Robert Creeley und John Ashbery übersetzt hat, auch Zeitreisen, Bewegungen zurück in das historische Arsenal der modernen Dichtung. Er zählt zu der jüngeren Generation deutschsprachiger Dichter, die sehr bewusst mit der Tradition umgehen und diese gründlich kennen. Was er auch in seiner bemerkenswert aufschlussreichen Dissertation über die erstaunlicherweise bis dato vernachlässigten Bezüge von moderner Lyrik und Film elegant demonstriert.

So findet sich am Ende von „Metropolen“ eine aufblitzende und im Aufblitzen gebannte Epiphanie einer gelben Zitronenlimonade, als seien es Zeilen aus der imagistischen Phase Ezra Pounds. Es finden sich Prosagedichte, erfüllt von Licht, durchatmet von Luft und gesprenkelt von Zitaten, und spielerisch leichte, im Tonfall abwechslungsreich gehaltene Hommagen an Lyriker wie Kenneth Koch, Leonard Cohen oder an den Lakoniker Robert Creeley. Vor allem finden sich Poeme aus den Großstädten der Welt, von Istanbul bis New York City. Die Städte sind visuell: Orte des Blickens und der Blicke, aufblitzender Farben und diffuser Gesichter, von denen man keines zweimal sieht. „Wie / der Verkehr durch Straßen, das Meer / gegen die Dünen rollt, du / bist die Landschaft, darauf dein Auge ruht“. Röhnert vermisst eine Topographie des Verschwindens und des Begehrens, der Nähe in der Metro, des Voneinanderentfernens und der Liebe. „Das ist die größte im Arsenal / der möglichen Verwirrungen: Blicke, die in den meinen / stranden, als hätten wir uns erkannt.“ Von der „Lasur der Lichter koloriert“ sehen wir hier „eine Welt, die es nicht gibt.“ Und die eindrucksvoll ersteht in der Poesie Jan Volker Röhnerts.

Literaturangaben:
RÖHNERT, JAN VOLKER: Metropolen. Gedichte. Carl Hanser Verlag, München 2007. 112 S., 14,90 €.
---: Springende Gedanken und flackernde Bilder. Lyrik im Zeitalter der Kinematographie. Blaise Cendrars – John Ashbery – Rolf Dieter Brinkmann. Wallstein Verlag, Göttingen 2007. 424 S., 32 €.

Verlage

Alexander Kluy arbeitet als freier Buchkritiker für dieses Literatur-Magazin


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