Die vorliegende Liebesgeschichte mit recht ungewöhnlichen Vorzeichen berichtet über Clara Griffin. Sie ist 25 Jahre mit Clemente verheiratet, als sie ihre tödliche Krankheit entdeckt: sie hat Krebs! Die Diagnose ist für sie niederschmetternd, denn sie ist erst 46 Jahre alt. Sie leben beide in Santiago in Chile, wo Clemente als Architekt arbeitet.
In einer Liebesszene mit Claras Liebhaber Leon konfrontiert uns die Autorin mit dem Leben und Sterben einer Frau, die im Angesicht des Todes erst erkennt, wie viel sie versäumt hat.
Wechselnd von der Gegenwart in eine Traumwelt schreibt Clara alles auf, was sie bewegt, und worüber sie nachdenkt. Sie lässt durchblicken, wie sehr sie sich in ihrer Ehe und in ihrem Mann getäuscht hat. Er ist Architekt, aber sie sieht in ihm einen langweiligen, pedantischen und wenig kreativen Mann. Sie haben keine Kinder, und sein ganzes Sinnen und Trachten richtet sich auf die schönen Künste und hier besonders auf Antiquitäten, mit denen er das gemeinsame Haus von oben bis unten bestückt hat. Sie spürt schon lange keine Leidenschaft mehr in sich und erträgt das Gleichmaß ihrer Ehe mit Langmut. Dass er seit sieben Jahren ein Verhältnis mit einer schönen und sinnlichen Frau hat, wusste sie, ohne ihn je darauf anzusprechen.
Nun, fast kurz vor ihrem Tod, begegnet auch ihr noch einmal eine große Liebe! Kann man sich das Erschrecken und die Erschütterung vorstellen, als Clemente eines Tages in der Küchenschublade das Heft mit Claras Aufzeichnungen entdeckt und sie zu lesen beginnt?
In ihren Tagebucheintragungen erkennt Clemente eine Frau, die ganz anders ist, als die Clara, mit der er verheiratet ist. Er kann es nicht fassen und wagt nicht, sie auf ihre Aufzeichnungen anzusprechen.
Die Autorin hat in einer parallel laufenden Geschichte das gegenwärtige Leben und die Erinnerungen von Clara im Focus. Die Übergänge zwischen der Gegenwart des Paares und der Erlebniswelt von Clara sind fließend und erzeugen eindrucksvolle Kontraste. Keine kitschige Krankengeschichte wird hier aufbereitet, sondern diese wird als Aufhänger genutzt, um die zwei Seiten einer einzigen Persönlichkeit zu beleuchten. Die Ehegeschichte wird aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Innenwelt und Außenwelt scheinen nicht zusammen zu gehören. Doch wird deutlich, dass zwischen Phantasie und Wirklichkeit Brüche bestehen. Die Todesnähe erzeugt in Clara den dringenden Wunsch, Versäumtes nachzuholen und das eigene und das gemeinsame Leben mit Clemente zu überdenken. Auch bei ihm wecken die Aufzeichnungen ernsthafte Zweifel am eigenen Dasein.
In poetisch reichen Beispielen erschließen sich Charaktere und Lebensentwürfe. Psychologisch überzeugend und mit feinen Verästelungen ausgeschmückt öffnet sich die äußere Schale eines Menschen und zeigt ihn befreit von Konventionen mit seinen wahren Wünschen und Sehnsüchten. Für Clemente ergibt sich eine ernüchternde Bilanz: beide Partner haben sich nie richtig gekannt, und das gemeinsame Leben war mehr Schein als Sein.
Fasziniert und gebannt kann man sich dem inneren und äußeren Treiben der Protagonisten nicht entziehen und wartet sehnsüchtig auf die Lösung der rätselhaften Widersprüche. Des Rätsels Lösung wird aber erst nach Claras Tod gelüftet.
Im Klappentext heißt es, Elizabeth Subercaseaux habe eine Botschaft mit dem Buch im Sinn: dass jeder Mensch wenigstens eine wirkliche Liebe im Leben gehabt haben sollte!
Die Autorin hat sich politisch unter der Pinochet-Diktatur engagiert. Sie hat sich kritisch mit dem Regime auseinandergesetzt und sich dafür auch einen Überfall durch Schläger des Regimes eingehandelt.
Erstaunlicherweise ist in ihrem ersten, ins Deutsche übersetzten Buch nichts von den seinerzeit dramatischen politischen Verhältnissen in Chile zu spüren. Inzwischen ist sie in Chile zur Bestsellerautorin avanciert.
Von Claudine Borries
Literaturangaben:
SUBERCASEAUX, ELIZABETH: Eine Woche im Oktober. Roman. Aus dem Spanischen von Maria Hoffmann-Dartevelle. Pendo Verlag, München 2008. 200 S., 18 €.
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