FRANKFURT AM MAIN (BLK) – In wenigen Jahren hat sich der Deutsche Buchpreis zur wohl publicity-wirksamsten Auszeichnung der Branche entwickelt. Die Auszeichnung, bei der am Vorabend der Frankfurter Buchmesse unter sechs Finalisten die beste literarische Neuerscheinung eines Jahres gekürt wird, hat auch Kritik ausgelöst. Prof. Stephan Füssel, Leiter des Instituts für Buchwissenschaft an der Universität Mainz, verteidigt im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa den Preis.
Der renommierte Autor Daniel Kehlmann („Die Vermessung der Welt“) hat jüngst gefordert, den Deutschen Buchpreis abzuschaffen, weil es sich hier nur um ein Marketing-Spektakel handle. Bücher, die nicht auf die Longlist kämen, würden schon gar nicht mehr öffentlich besprochen. Teilen Sie seine Meinung?
Füssel: „Dem Deutschen Buchpreis ist es in sehr kurzer Zeit gelungen, über mehrere Monate die Aufmerksamkeit einer an Literatur interessierten Öffentlichkeit an sich zu binden, gerade durch die Dreistufigkeit des Verfahrens von einer Longlist zur Shortlist zum Preisträger. Es ist in diesem Jahr ebenso überzeugend gelungen, nicht nur vermeintlich sichere Kandidaten, Stoffe und Themen zu präsentieren, sondern vor allen Dingen unkonventionelle Schreibweisen und mehrere (noch) unbekannte Autoren zu nominieren.“
In Deutschland haben wir inzwischen eine inflationäre Zahl von Literaturpreisen. Es gibt Schriftsteller, die noch weitergehen als Kehlmann und einen weitgehenden Verzicht auf diese Art der öffentlichen Förderungspolitik fordern. Dann werde sich im Literaturbetrieb die Spreu vom Weizen trennen.
Füssel: „Auf Literaturpreise zu verzichten, hieße, einen sehr großen Teil von Förderungsmöglichkeiten, auch für junge und noch unbekannte Autoren, ohne jede Not zu opfern. Gerade die Bandbreite der Preise ermöglicht ein so reiches literarisches Leben in den deutschsprachigen Ländern, das in dieser Form weitgehend einzigartig in der westlichen Welt ist.“
Der Trend zur „Casting-Show“ im Literaturbetrieb zur Förderung des Verkaufserfolgs scheint generell unaufhaltsam. Es geht in den Medien anscheinend nur noch um die bestverkauften, meistgelesenen Bücher oder Bücher, die Prominente empfehlen. Was kann dem entgegensetzt werden?
Füssel: „Jede Form von Bestseller-Politik zu schelten, ist ein wohlfeiles Argument. Geht es nicht jedem Schriftsteller im Prinzip darum, seine eigenen Kenntnisse, Erfahrungen, kreativen Fantasien und Ideen mit möglichst vielen Menschen zu teilen? Sind Verlage nicht auch auf gut verkaufbare Titel angewiesen, die – wie ja gerade das Beispiel Kehlmann zeigt – durchaus auch höchst qualitätsvolle Literatur sein kann? Was nicht angemessen ist, sind tatsächliche Casting-Shows, die dann aber auch wie der (zur Leipziger Buchmesse organisierte) ‚Deutsche Bücherpreis’ nach drei Jahren missglückter Fernseh-Präsentation mit Showtreppe etc. rasch abgesetzt wurden.“
(Interview: Thomas Maier, dpa / bah)