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Auf den Geschmack von Christensen kommen

Gedichte, Gedichte, Erzählung – eine Sammelleseprobe

© Die Berliner Literaturkritik, 02.04.09

 

Die Lyrikerin, Essayistin und Hörspielmacherin Inger Christensen ist am 16. Januar 1935 in Vejle am gleichnamigen Fjord an der jütländischen Ostküste in Dänemark als Tochter eines Schneiders und einer Volksschullehrerin geboren.

Schon in der Mittelstufe lernte sie als zweite Fremdsprache Deutsch und übersetzte später Werke von deutschen Gegenwartsautoren ins Dänische, so auch Theaterstücke von Max Frisch und Gedichte von Paul Celan.

Wie ihre Mutter, genießt Christensen eine Volksschullehrer-Ausbildung, welche sie im Jahr 1958 abschließt, ehe sie sich an der Universität Kopenhagen für Medizin, Chemie und Mathematik einschreibt. Dieses naturwissenschaftliche Studium wird ihr gesamtes literarisches Werk prägen. So wie die Sprachtheorien von Noam Chomsky sie prägen werden.

Ende der 1950er Jahre lernt sie den Lyriker Poul Borum (1934 – 1995) kennen, mit dem sie ab 1959 eine 17-jährige Ehe führt.

In dem turbulenten Jahrzehnt der 1960er Jahre verbrachte sie einige Zeit in Frankreich und Italien; so erlebte sie in Paris die Studentenunruhen im Mai 1968. Zudem veröffentlichte sie in diesem Jahrzehnt ihre ersten Gedichtbände: „lys“ („licht“) im Jahr 1962 und im darauf folgenden Jahr „græs“ („Gras“). 1964 und 1968 folgten ihre einzigen Romane „Evighetsmaskinen“ („Perpetuum mobile“) und „Azoron“ („Azoron“). Ihr langes Gedicht „det“ („das“) brachte ihr 1969 den großen Durchbruch. Dieses Gedicht, von den Kritikern als Schöpfungsbericht über die Entstehung von Sprache und Welt verstanden, dreht sich auf 200 Seiten um das Wort „es“.

Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre produzierte Christensen im Auftrag des dänischen Rundfunks als auch des WDR/SDR Hörspiele, wie zum Beispiel „Massenhaft Schnee für die darbenden Schafe“ (1971 auf dem SDR ausgestrahlt, 58 Minuten). Allerdings wurde sie zu dieser Zeit in Deutschland nicht bekannt. Ihre Texte sollten erst ab 1988 ins Deutsche von Hanns Grössel übertragen und im Kleinheinrich Verlag veröffentlicht werden. Im Jahr 1979 erschien von ihr „Brev i April“ („Brief in April“).

Das wohl berühmteste Gedicht von Christensen „alfabet“ („alphabet“) erschien im Jahr 1981. Das in der Fibonacci-Folge – Null und Eins sind gesetzt und jede weitere Zahl setzt sich aus der Summe der beiden vorhergehenden Zahlen zusammen: 0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, ... – verfasste Gedicht verbindet Mathematik, Sprache und naturwissenschaftliche Disziplinen wundervoll miteinander.

Des Weiteren veröffentlichte sie in den 1980er Jahren die Tagebuch-Erzählung „Das gemalte Zimmer. Eine Erzählung aus Mantua“. Es geht um den italienischen Renaissance-Künstler Andrea Mantegna, der den Auftrag bekommt, die Fresken „Camera degli Sposi“ oder auch „Camera Picta“ zu malen. Darin soll sich die damalige höfische Gesellschaft widerspiegeln. Interessant ist hier die Frage, wer wen auf verschiedenen Erzählebenen betrachtet.

Wie oben bereits erwähnt erscheinen ihre ersten Veröffentlichungen auf Deutsch 1988 im Kleinheinrich Verlag. Seitdem genießt sie eine große Popularität im ganzen deutschsprachigen Gebiet. So wird sie mit vielen Literaturpreisen geehrt. Im Jahr 1994 erhält sie den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur, im Jahr 1995 den Preis der Stadt Münster für Europäische Poesie und im Jahr 2006 wurde sie mit dem 50.000 Euro dotierten Siegfried-Unseld-Preis ausgezeichnet.

Im Jahr 1991 veröffentlichte sie auf Dänisch ihr Sonettband „Sommerfugledalen“ („Das Schmetterlingstal“), der 1995 auf Deutsch erscheint. Diese Sonette stechen durch ihre Rhythmik als auch durch ihre Systematik hervor. Der letzte Vers eines Sonetts ist zugleich der Anfang des nächsten Sonetts, folglich gibt es 14 Sonette – da ein Sonett aus 14 Versen besteht. Doch Christensen fügt noch ein 15. Meistersonett hinzu, das aus allen Anfangsversen der vorhergehenden 14 Sonette besteht.

In den letzten anderthalb Jahrzehnten hat Christensen wenig Gedichte veröffentlicht, hauptsächlich waren es Auftragsarbeiten, wie zum Beispiel das Gedicht „Geheimniszustand“, das sie im Auftrag der Schule für Dichtung in Wien geschrieben hat. Kurios ist, dass dieses Gedicht zuerst auf Deutsch im Jahr 1999 erscheint und dann erst im Jahr 2000 auf Dänisch.

Inger Christensen starb nach kurzer Krankheit am 2. Januar 2009 in Kopenhagen, wo sie im Garnison’s Kirkegård in ihrem Familiengrab begraben wurde. Ihren literarischen Nachlass und ihre Korrespondenz überreichte sie bereits zwei Jahre vorher der Königlichen Dänischen Akademie.

Von Angelo Algieri

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