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Neue Thesen zu Hitlers Antisemitismus

Ralf Georg Reuths Buch „Hitlers Judenhass“

© Die Berliner Literaturkritik, 24.04.09

 

Antisemit war Adolf Hitler bis zum Schluss. Noch kurz vor seinem Selbstmord verlangte er von den Deutschen den „unbarmherzigen Widerstand gegen die Weltvergifter aller Völker, das internationale Judentum“. Aber wo kam dieser Judenhass her, und wann fing er an? Historiker hat diese Frage bisher nur am Rande beschäftigt. Ralf Georg Reuth ist ihr noch einmal nachgegangen und hat dabei für sein jüngstes Buch „Hitlers Judenhass“ eine Reihe von interessanten Fakten zusammengetragen, die das Thema in einem anderen Licht erscheinen lassen.

Reuth, bekanntgeworden mit einer gelungenen Goebbels-Biografie, versucht vor allem, sich von den traditionellen Hitler-Biografen abzusetzen. Sowohl Joachim Fest als auch der Brite Ian Kershaw sind davon ausgegangen, dass Hitler bereits vor dem Ersten Weltkrieg Antisemit war. Sicher ist, schon seine Reden aus dem Jahr 1920 sind voller Ausfälle gegen Juden. In „Mein Kampf“ stellte er sich als langjährigen Antisemiten dar. Genau das bezweifelt Reuth.

Den Zeitzeugen, die Hitler vor dem Ersten Weltkrieg kannten, sei er nicht durch Judenfeindlichkeit aufgefallen, in seinen Briefen von der Front spielte Judenhass keine Rolle, argumentiert Reuth. Hitler sei im Gegenteil ein „früher Judenfreund“ gewesen, der als junger Erwachsener in Wien jüdische Bekannte hatte. Auch nach dem Ersten Weltkrieg machte er nicht als Judenhasser von sich reden: In München habe er 1919 vielmehr auf der Seite der Sozialdemokraten gestanden, als gewählter „Soldatenrat“ sogar eindeutig aufseiten der „Roten“.

Der Wendepunkt in Hitlers ideologischer Entwicklung war nach Reuths Überzeugung das Ende der Münchner Räterepublik und der Versailler Vertrag vom 7. Mai 1919. Kurz darauf war Hitler bereits Mitglied einer Kommission, die Truppenteile auf „kommunistische Durchseuchung“ überprüfen sollte, nicht mehr Soldatenrat also, sondern auf der Seite ihrer Gegner. Und schon bald hetzte er gegen den „jüdischen Bolschewismus“. Für Hitler war das eine mit dem anderen verbunden, wobei Reuth davon ausgeht, dass Hitler erst Antibolschewist und dann Antisemit wurde.

Abwegig klingt diese Argumentation nicht. Dass die Enttäuschung über den Versailler Vertrag den Hass auf die Weimarer Republik und auf die Juden angestachelt hat, ist aber nicht so neu, wie Reuth es darstellt. Auch dass Hitler zunächst kein fanatischer Antisemit war, hat die Historikerin Brigitte Hamann, die Reuth häufig zitiert, lange vor ihm betont. Anders als Reuth weist sie aber auch auf den Rassismus und Antisemitismus hin, den Hitler lange vor 1919 in Wien tagtäglich kennengelernt hat. Reuth geht allzu sicher davon aus, das habe keinerlei Einfluss auf Hitler gehabt. Sein Buch ist lesenswert, seine Thesen sind interessant, ganz überzeugen können sie nicht.

Von Andreas Heimann

Literaturangaben:
REUTH, RALF GEORG: Hitlers Judenhass. Piper, München 2009. 374 S., 22,95 €.

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