BERLIN (BLK) – Die Kulturpolitik muss sich nach Ansicht von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) einer „Art Neuvermessung der Welt“ stellen. Die Deutschen müssten daher über ihr „Selbstbild nachdenken“, um auch ihre Nationalkultur in einer globalisierten Welt ständig neu zu hinterfragen. „Es entstehen nicht nur neue wirtschaftliche und politische Schwergewichte, sondern auch neue kulturelle Zentren“, sagte Steinmeier am Donnerstagabend (24. April 2008) in Berlin. Er eröffnete im Bode-Museum eine internationale Tagung des Goethe-Instituts zum Thema Nationalkultur.
„Wir können nicht mehr mit derselben Selbstverständlichkeit davon ausgehen, dass europäische Philosophie, Zivilisation und Haltung in allen Regionen der Welt als Ziel eigener gesellschaftlicher Entwicklungsperspektive gesehen wird. Erst recht nicht, dass deutsche Tradition, Werte und Prägungen, all das, was wir als Bestandteil unserer Nationalkultur bezeichnen, überall verstanden und ohne weiteres anerkannt werden.“ Steinmeier wandte sich gegen „leitkulturelle oder dogmatische Festlegungen zur Nationalkultur“ und fragte auch: „Wie selbstbewusst kann ein Land, in dem Buchenwald und Weimar Nachbarorte sind, aller Welt Ratschläge erteilen?“
Deutschland erwerbe Vertrauen, Achtung und Zuneigung in der Welt „weit weniger, als wir uns das manchmal vorstellen, über wirtschaftliches Wachstum, Produkte und Dienstleistungen, sondern durch das, was in der kulturellen Arbeit hier geschaffen wird“, meinte der Außenminister. Er erinnerte daran, „dass unsere kulturellen Wurzeln viel weiter ausgreifen, als es das politische Gebilde des Nationalstaates tut“ und fügte hinzu: „Ich bin davon überzeugt, dass Filme von Fatih Akin, Bücher von Ilija Trojanow oder Feridun Zaimoglu Leuchttürme der inneren Heimat für viele Menschen in Deutschland sind.“
Auch Goethe-Präsident Klaus-Dieter Lehmann meinte, Nationalkulturen, die sich isolierten, würden zu einer Gefährdung der menschlichen Gemeinschaft. In Deutschland gebe es längst „Schriftsteller, Regisseure, Musiker und Künstler nichtdeutscher Herkunft, die sich ganz selbstverständlich als Teil der deutschen Kultur betrachten“. Auf dem bis zum Samstag (26. April 2008) dauernden Symposium unter dem Motto „Wiedervorlage: Nationalkultur“ wollen Künstler, Wissenschaftler und Politiker über die Bedeutung der Nationalkulturen vor dem Hintergrund der Globalisierung diskutieren. (dpa/wip)