Von Frauke Kaberka
Eine vereinsamte Seele, ein Sonnenstrahl, der sie erwärmt, eine dunkle Wolke, die das zarte Pflänzchen Glück gefährdet und ein wenig Hokuspokus – so einfach die Zutaten, so wirkungsvoll das Ergebnis: Mit „Luisito“ bringt die italienische Erfolgsautorin Susanna Tamaro („Geh, wohin dein Herz dich trägt“) eine Liebesgeschichte der besonderen Art auf den Büchermarkt, die – so viel ist gewiss – ihre Fans einmal mehr zu Tränen rühren wird.
Anselma rettet aus dem Müll einen Papagei, den sie Luisito nennt, nach ihrer besten Freundin Luisita. Intuitiv, denn noch weiß sie nicht, dass der Vogel ihr genau das geben wird, was sie einst von ihrer verstorbenen Freundin bekam: Lebenslust. Längst hatte sie diese verloren, in den langen Jahren einer freudlosen Ehe.
Es ist eine triste Lebensgeschichte, die Tamaro um die pensionierte Lehrerin zeichnet: Anselma glaubt, den Mann fürs Leben gefunden zu haben. Doch schon bald nach der Hochzeit stellt sich heraus, dass er alles andere ist. Und auch bei den beiden Kindern findet sie weder das Verständnis, noch die Zuneigung, nach denen sie sich so sehnt. Der Kontakt zu Luisita bricht auf Betreiben des Ehemannes ab. Nach seinem Tod ist es zu spät, die Freundschaft zu erneuern, denn Luisita stirbt ebenfalls, noch vor einem Wiedersehen.
Allmählich vereist Anselma. Die Pflichtanrufe von Sohn und Tochter, die sie doch eigentlich lieber in einem Altersheim unterbringen möchten, empfindet sie als lästig. „Klone ihres Mannes“, wie sie findet. Zu ihren Enkeln – offenbar vom gleichen Kaliber – findet sie keinen Zugang, denn die sind Kinder ihrer Zeit, die materielle vor ideelle Werte setzen. Erst Luisito, der Papagei, bringt das Eis zum Schmelzen und die Freude am Leben zurück – bis der exotische Vogel wegen fehlender Papiere konfisziert wird...
Was Tamaro zu Papier gebracht hat, ist anrührend, aber sicher nicht jedermanns Sache. Der Plot ist unkompliziert, die Sprache ebenfalls, die Geschichte liebenswert und über weite Strecken nachvollziehbar. Das Schicksal der einsamen alten Frau ist das Los Hunderter oder Tausender Menschen. Und dass ein Tier Wärme in die gefühlskalte Welt bringen kann, ist mehr als eine Binsenweisheit. Ebenso, dass nachbarliche Missgunst und kleinliche Bürokratie mitunter ein Leben zerstören können.
Es gibt aber auch Stolpersteine in der Geschichte: so die Aussage zum Krieg, den es noch einmal geben sollte, damit die Menschheit erkennt, wie gut sie es doch momentan hat, oder zum Schlagen von Schulkindern, damit die begreifen, was Disziplin ist. Die Passagen wären anfechtbar, wenn es sich dabei nicht um Gedanken Anselmas handeln würde. Dennoch...
„Luisito“ ist ein ebenso melancholisches wie heiteres Märchen mit einigen (unfreiwillig?) komischen Momenten. Der Verstand ist beim Lesen auszuschalten, wenn sich der vernunftbegabte Papagei mit Anselma unterhält, „Danke“ bei Freundlichkeiten krächzt oder ihre Besucher mit Oliven bedient. Zauberhaft aber ist das Ende – mit viel Herz und Poesie – und fast kitschfrei.
Literaturangaben:
TAMARO, SUSANNA: Luisito – Eine Liebesgeschichte. C. Bertelsmann Verlag, München 2008. 112 S., 10 €.
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