Das beginnt mit den vier
Browserfenstern, die sich in der Mitte des Bildschirms
auftun. Im oberen linken die Fotos, im rechten die Karte,
unten links der Kalender, rechts der Text. Den Fotos, die
sich mitunter auch - wie die Panoramaaufnahme des San Rafael
Gletschers - über beide obere Fenster erstrecken, sind
Alt-Texte angehängt, die bei Mauskontakt erscheinen. So
weiß man immer, wo man gerade ist, ganz ohne
störende Titel im oder unter dem Bild. Die Markierung
in der Karte aktualisiert sich, je nach Ort, den der Text
erreicht hat (schade, dass gleiches nicht auch mit dem
Kalender geschieht). Der Text selbst ist dann ohne
Querverbindungen. Man kann, wie gesagt, über den
Kalender navigieren oder über die Karte oder auch
über das "weiter" im Textfenster. Dies ist gewiss am
sinnvollsten, denn letztlich handelt es sich hier um eine
linear zu lesende Reisebeschreibung und nicht um ein
Nachschlagewerk zu chilenischen Sehenswürdigkeiten.
Was beschreibt diese
Reisbeschreibung? Alles, was eine Frau, die allein nach
Chile reist, so erlebt. Das ist schon deswegen eine Menge,
weil diese Frau viel im Land unterwegs war und vielem
begegnete: dem aus Vietnam stammenden Australier, der auf
einer "ganz Südamerika in 4 Wochen"-Tour war, dem
Pärchen aus Alaska - "jenseits der 40 und verliebt wie
die Teenager. Nach ca. 10 Jahren hatte John seine
langjährige Friseurin Linda erstmals gefragt, ob sie
mit ihm ausgehen würde" - oder Tom und Sarah aus
London, die, beide um die 30, den Job gekündigt, das
Haus vermietet und alle Möbel eingelagert haben, um
sich ein Jahr Auszeit zu nehmen. Alle tauchen sie kurz auf
und verschwinden rasch (es ist nicht einmal Zeit für
ein Foto), machen Platz den nächsten Leuten,
Eindrücken, Informationen. Nie ist das Leben von
Begegnen und Weitergehn so voll wie wenn man reist - oder
Kind ist. Der Stil ist
erwartungsgemäß dokumentarisch, untersetzt mit
gelegentlichen Kurzreflexionen. Die Autorin bleibt sehr bei
der Sache und bei sich, unterlässt Ausflüge ins
literarische Abseits. So wird im Eintrag am 20.1. unter dem
Titel Besuch in Twin Peaks der Vergleich zwischen dem
verlassenen Kaff Puerto Chacabuco und David Lynchs
"gruseliger TV-Serie" eher gezogen als ausgemalt. "Breite,
schnurgerade Straßen, die recht bald im Nirgendwo
endeten. Gelegentlich fuhr ein Pick-up Truck vorbei, selbst
die streunenden Hunde wirkten deprimiert", heißt es
kurz und knapp; einen extra Absatz, in dem das Deprimierende
an einer beobachteten (oder erfundenen) Begegnung zwischen
einem Pick-up-Fahrer und einem Hund am Eingang des
runtergekommenen Orts-'Supermarkts' vermittelt würde,
erhält Twin Peaks nicht. Auch die zweistündige
Busfahrt (am 17.1.) von Puerto Varas zum Parque Nacional
Puyehue, in der "vier fröhliche Damen so zwischen 60
und 70" die Reisende ausquetschten, wie sie als Frau allein
in einen fremden Kontinent reisen könne, muss auf
spätere Ausmalung warten, denn hier geht es jetzt erst
einmal ja in den Nationalpark, den der Reiseführer als
Feenwald anpries. Nein, die Reisedokumentation unterwirft
sich nicht der Literatur. Dies wäre ein anderes
Projekt, das dann vielleicht wieder im Medium Buch
erfolgt.
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