Startseite > Literaturkritiken > Belletristik

Doris Dörrie

Das blaue Kleid

Florian, ein schwuler Modeschöpfer verliert seinen Freund und Geschäftspartner durch Krebs. Babette trägt innerlich immer noch Trauer; sie verlor ihren Mann Fritz bei einem Unfall auf Bali; nur deshalb wirkt sie auf die beiden Modemacher wie eine graue Maus. Sie verkaufen, besser verordnen ihr das blaue Kleid mit den Worten: "Es wird ihr Leben verändern!". Schlicht geschnitten ist es, ärmellos und leicht ausgestellt, aus blauem Organza, aquamarinblau wie das Meer. Wenn sie das Kleid trägt hebt es die männliche Herzschlagfrequenz um sie herum erheblich. Doch Babette bleibt an dem schüchternen, ja linkischen Anästhesisten Thomas hängen, der sich nach seiner Scheidung einfach nicht traut. Zumindest nicht an eine Braut, die eine Witwe ist.

Halb zog sie ihn, halb sank er nicht - ein spätpubertäres Hin und Her setzt ein und zur Belustigung aller Beteiligten wohnt sie irgendwann mit dem schwulen Florian zusammen. Sie versuchen zwischen Besäufnissen und Fressorgien ihrer beider Probleme zu lösen, vor allem ihrer sexuellen Gelüste Herr zu werden, die sie bereits vor den Todesfällen hatten.

Beide fliegen zu einem eigenartig-okkultem und äußerst rauschhaftem Totenkarneval nach Mexiko, wo die Geschichte dann doch noch irgendwie zu einem Ende kommt, oder doch nicht?

Schmerzlich schöne Erinnerungen an einen geliebten Menschen und verzweifelte Versuche das pralle Leben zurückzuerobern prägen diesen Roman. Doris Dörrie setzt gezielt ihre bekannten Stilmittel ein: Satire und Lakonie über die menschlichen Schwächen und Lebenslügen. Die vielen sprunghaften Perspektivbrüche lassen den Verdacht aufkommen, dass die Autorin eher ein Drehbuch als einen Roman im Sinn hatte; so lässt sich am besten erklären dass diese Geschichte eigentlich nicht endet und sich in belanglosem Geplänkel verliert. Der emotionsarme Reisebericht auf einen mexikanische Friedhof mündet ebenso wenig in ein "Happy End" wie der am Schluss aus dem nichts auftauchende Langweiler Thomas. Die Story ist sichtlich auf einen Höhepunkt hin getrimmt der aber dem Leser (wahrscheinlich für den bald folgenden Film?) vorenthalten wird. Der Tod als Leitthema suggeriert eine Tiefe, in die alle erzählerischen und denkspielerischen Sonden des Buches nicht hinabreichen. Irgendwie fühlt man sich um den Schluss bzw. ein finales Leseerlebnis betrogen.

Fazit: nicht gerade ein Highlight ...

Wolfgang Gonsch
2 ** bis 3 ***


mehr von Doris Dörrie

jetzt bestellen bei amazon.de | Doris Dörrie bei amazon.de

^


© 2003 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth
alle Rechte bei den Autoren

http://www.how2find.de/blauekleid.htm