Der mittlerweile zum Kult gewordene griechische Autor Petros Markaris erzählt in diesem vierten Charitos-Kriminalroman nicht nur eine atemberaubende Geschichte, er zeichnet ein pralles, realistisches Bild der griechischen Wirklichkeit, fern aller Urlaubsklischees. Und es ist ein sehr ernüchterndes Gemälde; das Verbrechen ist überall zu Haus.
Für Kostas Charitos, dem ebenfalls schon zum Kult gewordenen, kommt es knüppeldick: seine innig geliebte Tochter, die mit ihrem Verlobten Ferien auf Kreta machen will, gerät in die Hände von Kidnappern. Die Fähre wird entführt. Zunächst weiß keiner, wer dafür verantwortlich ist, Islamisten, Palästinenser oder etwa gar Tschetschenen? Das lange Schweigen der Entführer strapaziert die angespannten Nerven der Betroffenen nochmals über Gebühr. Dabei hat der Kommissar in Athen den Mord an einem männlichen Fotomodell zu klären. Er pendelt zwischen der Einsatzzentrale der Polizei auf Kreta und Athen hin und her. Seine Frau ist wild entschlossen, die Tochter zu befreien, Kostas darf nicht, er muss sich raus halten.
Nur widerwillig und in ständiger Sorge um das Wohl der Tochter sieht sich Charitos in einem Mordfall ermitteln, hinter dem weit mehr als bloße Eifersucht steckt. Seine Befürchtungen, dass hier eine ganz andere Serie von Morden begonnen hat, bestätigt sich leider nur allzu schnell: ein Verrückter will die Werbung aus den Medien verbannen, und dafür tötet er.
Die Entführer lassen indessen zunächst Alte und Kinder frei, schließlich noch alle Griechen an Bord, mit Ausnahme - Sie ahnen es bereits - von Katharina. Denn die als Tochter eines hochrangigen Polizisten erkannte ist noch ein zusätzliches Druckmittel für die Gangster. Und was alle nicht für möglich halten wird zur Gewissheit: die Kidnapper sind Griechen, politische Fanatiker, die mit ihren christlich-orthodoxen Glaubensbrüdern in Serbien gegen die islamistische Barbarei und für die Freiheit des orthodoxen Glaubens im ehemaligen Jugoslawien kämpfen.
Markige Sätze legt Petros Markaris einer „Organisation Griechischer Freiwilliger für das serbische Bosnien“ in den Mund - und rührt damit an ein griechisches Tabuthema. Zwar hatten die griechischen Medien nach dem Fall von Srebrenica von der Dankbarkeit berichtet, die serbische Soldaten für die griechischen Freiwilligen empfinden, die an deren Seite kämpften, doch spätestens als die Massengräber als Ergebnisse dieser Waffenbruderschaft bekannt wurden, zog man es auf dem Hellespont vor zu schweigen. Und genau dieser, leider mittlerweile üblich gewordene Umgang mit heikler Vergangenheit, macht das Buch von Markaris so brisant.
Der Autor erschafft zudem sehr authentisch wirkende Personen und gibt dem Plot einen unglaublichen Tiefgang. Er wird aus der Sicht eines Betroffenen erzählt, der mit dem Verbrechen in der Gesellschaft und mit der Politik umgehen und leben muss. Der trotz aller Verbrechen humorvolle und wunderbar satirische Roman ist sehr klug aufgebaut und dermaßen fesselnd, dass die Auflösung des Falles am Ende fast zur Nebensache wird. Die Dialoge Markaris´ sind äußerst lebendig und der ganze Plot wirkt genauestens recherchiert, die gnadenlosen Kommentare und spitzen Bemerkungen tun ein übriges. Mit diesem rasanten Gesellschaftskrimi um Kommissar Charitos zeigt Petros Markaris warum der Autor und der Protagonist längst Kultstatus erlangt haben ...
Fazit: ein brisanter Krimi mit unglaublichem Tiefgang.
© 2007 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth
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