Sie sind in: www.how2find.de > Sehen > Musik
Der amerikanische Marineoffizier Pinkerton kauft sich ein Haus in der japanischen Stadt Nagasaki. Die dort eingegangene Ehe mit der jungen Cio-Cio-San betrachtet er nicht anders als den Hauskauf. Das ist der Stoff, aus der Giacomo Puccini eine Oper macht: Anders als der frischgebackene Ehemann nimmt die junge "Madame Butterfly" die Sache sehr ernst, wechselt sogar zum Glauben an den "Gott des Amerikaners" und beschließt, sein Kind im Leib tragend, auf den Tag der Rückkehr des Ehemanns zu warten. Nach drei Jahren kehrt er zurück, gemeinsam mit einer amerikanischen Ehefrau. Die treue Butterfly macht keinen Skandal, sondern begeht rituellen Selbstmord: Harakiri.
Die DVD-Technik bringt diese tragische Geschichte ins Wohnzimmer. Ist die vielbejubelte Aufführung der Mailänder Scala von 1986 dazu geeignet, uns im gemütlichen Fernsehsessel zu halten? Mich konnte sie halten. Und nicht nur, weil ich gewöhnlich der lebendigen Stimmung eines Livemitschnitts, wenn auch mit ausgeklügelter Kameratechnik verfeinert, nichts vorziehe. Der besondere Reiz der Umsetzung dieser Geschichte liegt in der Besetzung der beiden weiblichen Hauptrollen durch Sängerinnen aus dem fernen Osten, sowie in der Inszenierung durch ein Team aus Japan, das mit Regie und Design von Bühnenbild und Kostümen für authentisches orientalisches Flair sorgte. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Nicht nur die Personenführung auf der Bühne wirkt echt, auch das Erscheinungsbild der Akteure von den Hauptpersonen bis hin zu dem kurzen heftigen Auftritt wütender Shinto-Priester bildet ein harmonisches Ganzes mit dem stilvollen japanischen Garten und dam Haus der Cio-Cio-San.
Beim - am Bildschirm unvermeidlichen - Studium von Details braucht man nicht den gnädigen Schleier des Abstands von der Bühne herbeisehnen, der Peinlichkeiten dankenswerterweise verdeckt. Man kann sich höchstens an der Phantasieuniform des Pinkerton stören oder an der leichten Korpulenz der Hauptdarsteller, denen man die erotische Verzückung beim Liebesduett nur schwer abnimmt. Der Gesamteindruck jedoch bleibt: man glaubt, eine gelungene Studie des Zusammenpralls zweier sich fremder Kulturen zu verfolgen.
Die DVD schadet auch nicht dem Musikgenuss. Die Tracks sind geschickt ausgewählt, diskrete Untertitel stören keineswegs den Genuss von Musik und Gesang in der italienischen Originalsprache. In bestechender Bild- und Tonqualität kann ungehemmte Freude an der Musik aufkommen. Höchstens der hin und wieder aufbrausende Szenenapplaus, der an die Liveaufnahme erinnert, kann auf manche störend wirken.
Mein Resümee: das Ensemble unter Lorin Maazel mit bekannten (Peter Dvorski) und weniger berühmten Namen (Yasuko Hayashi) lässt diese "Unterbrechungen" verdient erscheinen - und verspricht auch, dass man ein Hineinhören und -schauen in die DVD nicht bereut.
© 2003 Wolfgang Schilk, Harald Kloth
alle Rechte bei den Autoren