Viele kennen sie noch aus Kindertagen, die Märchen aus Tausendundeiner Nacht, die sich um Helden wie Ali Baba, Sindbad oder Aladin drehen. Diese Geschichten sind aber in der ursprünglichen arabischen Fassung, die ungefähr aus dem 15. Jahrhundert stammt, nicht vorhanden. Nach Europa gelangten sie erst vor dreihundert Jahren durch den französischen Orientalisten Antoine Galland. Dieser hat neue Geschichten hinzugefügt, die vorhandenen ausgeschmückt und an „pikanten“ Stellen für die prüden Europäer entschärft.
Die studierte Orientalistin und Doktorin der Arabistik Claudia Ott hat nun die älteste vorhandene Fassung in jahrelanger Arbeit neu in die deutsche Sprache übersetzt.
Die Rahmenhandlung bildet die Geschichte von Schahrasad, der jungen klugen Ehefrau des grausamen Königs Schahriyar. Dieser König wurde von seiner ersten Ehefrau betrogen. Aus Rache tötet er sie, nimmt sich danach Nacht um Nacht eine neue Jungfrau, die er am nächsten Morgen umbringt. Eines Tages bietet sich Schahrasad, die Tochter seines Wesirs an, er solle sie zur Frau nehmen. Sie erzählt dem König und ihrer Schwester Dinarasad 282 Nächte lang spannende Geschichten und rettet so ihr Leben. Die erzählten Geschichten lassen den Leser eintauchen in eine romantische orientalische Welt. Sie spielen sich im geheimnisvollen Reich der Souks und Basare, der Königspaläste, der Karawansereien und anderen märchenhaften Orte ab und handeln von weisen Kalifen, Dschinnen, vornehmen und klugen Ehefrauen, Zauberinnen, ausgefuchsten Händlern, Meerjungfrauen und vieles mehr ... Man liest sowohl von schweren Schicksalsschlägen, von um Waren und um Leben feilschenden Arabern als auch von frivolen erotischen Vergnügungen.
Die Erzählsprache wurde wohl sehr gefühlvoll übersetzt, Ott hat die umgangssprachlichen Ausdrücke übernommen, was beispielsweise bei den schlüpfrigen Geschichten oft ziemlich deftig daherkommt, und es wurden nach Angaben der Autorin die im Arabischen üblichen und häufigen Synonyme im Text belassen.
Im Text finden sich auch ungefähr 250 Gedichte, bei denen die Übersetzerin selbst die arabischen Versmaße berücksichtigt hat, und die mitnichten nur zur Ausschmückung sind, sondern durchaus handlungsrelevant sind.
Des weiteren wird oftmals zur Untermalung eindrücklicher Szenen der Koran zitiert und auch arabische Sprichwörter im Text verwendet, worauf jeweils hingewiesen wird.
Im Anhang des Buches finden sich noch Erläuterungen zu Transkription und Aussprache sowie ein Personenverzeichnis und ein umfangreiches Glossar mit den arabischen Ausdrücken, was für den Leser eine große Hilfe darstellt und auch oft in Einsatz kommt.
Das Buch ist alles in allem für Liebhaber von Erzählungen eine wahre Fundgrube von interessanten und geistreichen fremdländischen Geschichten, die auch wunderbar zum Vorlesen geeignet sind.
Schon allein das Nachwort der Autorin über die geschichtlichen Hintergründe der Entstehung der Sammlung und vor allem die Entstehung dieser neuen Übersetzung und die Erlebnisse von Claudia Ott in Kairo machen dieses Buch absolut lesens- und empfehlenswert.
Tanja Lentner
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