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Uli T. Swidler

Toskana für Arme

Liebeserklärung an ein italienisches Dorf

Luise, eine der ersten deutschen Zuwanderer auf dem Monte Dolciano, wird während die Augustsonne erbarmungslos auf den Friedhof knallt, beerdigt. Leider ist das Grab um mindestens wenn nicht noch mehr zu kurz. Alle sehen es, nur Manfredo der Totengräber nicht - und so kommt was kommen muss: der Sarg mit der Deutschen hängt schräg und bewegt sich weder vor noch zurück. Gino, der philosophierende Maurer und bester Freund von Max dem Erzähler, der sich hier vor 15 Jahren ein halb verfallenes rustico - ein kleines Häuschen - kaufte und restaurierte, meint nur lapidar: "Che ignorante".

So beginnt sie also, die Geschichte der Einwanderer nach Italien, dessen Geld aber nicht etwa für den reichen Norden oder die wunderschöne Toskana reichte, sondern alle hierher, in die Marken, die Toskana für Arme verschlug. Vielfältig sind die Gründe, warum sich hier Auswanderer nieder lassen und ebenso vielfältig sind auch die einzelnen Charaktere. Da wäre zum Beispiel Horst, der Mann von Luise, den alle nur spaccone - Großmaul nennen, da er nach einem Glas Rotwein italienischer zu sein glaubt als diese faulen und unzuverlässigen Eingeborenen hier. Da wären noch Christian und Susanne, die allen Geld schulden, die Hermanns aus dem Schwarzwald, die sich nach ihrem Lottogewinn für was Besseres halten und sich mit ihren vier Töchtern wie Erdmännchen in ihrem rustico verstecken. Auch der Engländer Julian gehört dazu: charmant, ewig klamm und stockschwul, aber wegen seiner Bildung von allen geachtet - außer von spaccone natürlich! Und da ist die schöne Valerie, die von ihrem Mann hierher abgeschoben wurde, damit er sich in Deutschland mit seinen Geliebten austoben kann und eben Max.

Sie alle und noch einige mehr brachen Anfang der 90er Jahre wie eine Lawine über den Monte Dolciano herein und die alteingesessenen Bewohner versuchten sich damit zu arrangieren und das Beste daraus zu machen: sie nahmen die Neubürger herzlich auf und anfangs natürlich tüchtig aus, luden sie ein, wurden eingeladen, bekämpften sie und schließlich freundeten sie sich mit ihnen an.

In der heimischen Mannschaft des Monte Dolciano spielen unter anderem die bereits erwähnten Gino und Manfredo, die alte Schafhirtin Sestina und ihr dauernd stänkernder Mann Giuseppe, die wunderschöne, allen Männern den Kopf verdrehende und mit dem blassen Orlando verheirateten Wirtin Luciana, der ewig schlecht gelaunte Granci mit seinem seit Jahren abgelaufenen Parkwächterausweis und noch viele weitere, nicht minder faszinierende Persönlichkeiten mehr.

Viele Episoden dieses von Integration und Immigration triefenden Buches zeigen uns den langen, 15jährigen Weg, wie die Einheimischen den Einwanderern zeigen, wie das Leben auf dem Monte auch ohne präzise Absprachen, ohne eingehaltene Termine und "alora" auch ohne exakte Rechnungen funktioniert, lernen jedoch im Gegenzug, dass es sich mit diesen Tugenden, die als typisch deutsch gelten, auch ganz gut leben lässt.

Dieser charmanten Liebeserklärung an Italien, seine Menschen, den Monte Dolciano, den lebenslustigen und großzügigen Marchigiani kann, darf und sollte man sich einfach nicht entziehen; jede Seite, jeder Satz duftet geradezu nach diesem einzigartigen Land und seinen liebenswerten Menschen! In jeder Bemerkung, in jedem Satz spürt man die Liebe des Autors zu seinen Freuden, Nachbarn und Nervensägen und zu dieser Gegend, die zu seiner Heimat geworden ist. In diesem Buch wird nichts und niemand verklärt und auch nichts beschönigt, und doch, als Max zaubert er uns mit seinen warmherzigen Beschreibungen skurriler Begebenheiten, witzigen Rededuellen und sitzenden Pointen ein ständiges Lächeln ins Gesicht!

Und als schließlich Manfredo der Totengräber auch noch den Kampf gegen die Nerv tötenden Tiefflieger, die täglich aber den Monte donnern gewinnt ist alles in bester Ordnung, denn schließlich ist es immer noch die Hauptsache bei allem und vor jedem immerzu "bella figura" zu machen.

Uli T. Swidler zeigt uns eine kleine, relativ unbekannte Region in Italien, welche trotz Wind und Sturm, trotz Wassermangel und skurrilen Nachbarn einen Charme verströmt, wie man ihn nur in Italien finden kann, den kleinen Mikrokosmos des Monte Dolciano. Diese herrliche, humorvolle Autobiographie wirkt auf uns, wie ein Kurz-Urlaub in "bella Italia"; und so sollten sie diese charmante Liebeserklärung an ein kleines italienisches Nest und seine Bewohner tunlichst mit einem guten Tropfen italienischen Weines genießen!

Wolfgang Gonsch
4 ****


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© 2009 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth
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