Der 1960 geborene österreichische Autor Wolf Haas, ein promovierter Linguist und ehemaliger Werbetexter ist durch seine sechs Kriminalromane mit Ex-Polizist und Privatdetektiv Simon Brenner bekannt geworden, hat dreimal den deutschen Krimipreis erhalten und drei seiner Romane sind genial mit Josef Hader verfilmt worden.
Mit „Das Wetter vor 15 Jahren“ wollte Haas keinen weiteren Krimi mehr schreiben. Das Buch ist ein zweihundertseitiger Dialog zwischen dem Autor und einer Literaturredakteurin über seinen neuesten fiktiven (Liebes-)Roman. Wolf Haas wurde 2006 hierfür mit dem Wilhelm-Raabe-Literaturpreis ausgezeichnet.
Zum Inhalt: Der Protagonist Vittorio Kowalski, ein White-Collar-Worker aus dem Ruhrpott studiert seit Jahren das Wetter in einem achthundert Kilometer entfernten Alpendorf – dem Urlaubsort seiner Familie in Kindestagen. Seine Leidenschaft bzw. Besessenheit bringt ihn zu „Wetten dass“ und er wird dort sogar Wettkönig. Im entfernten österreichischen Bergdorf sitzt Anni vor dem Fernseher, die Tochter der Zimmervermieter von damals und erkennt Vittorio, den Jungen mit dem sie viele Sommer verbrachte, nach 15 Jahren wieder.
Damals wurden sie durch ein heftiges Unwetter voneinander getrennt.
Nach seinem kurzweiligen TV-Ruhm fährt Kowalski auf Drängen eines Freundes nochmals in das Touristendörfchen. Dort trifft er natürlich auf Anni und wird von ihr geküsst: „Geht man vom äußeren Augenwinkel einen Zentimeter nach unten, kommt man zum Backenknochen. Und dann in gerader Linie weiter, noch einen Zentimeter. Dort hat Anni mich hingeküsst“ Und so ist es wohl doch wieder eine Art Krimi geworden – der Kuss als Tat – „wie konnte es dazu kommen, welche Verdächtigen waren beteiligt? “ und es gibt auch einen passablen Showdown.
Wolf Haas hat mit diesem Roman eine absolut unkonventionelle und mutige Idee für einen Liebesgeschichte genial umgesetzt. Wie immer werden Vorgänge bei Haas relativ neutral oder mitleidslos dargestellt aber mit lakonischem Witz, viel Schmäh und ziemlich schrägen, skurrilen Situationen, was die Sache sehr spannend macht. Der Dialog zwischen der „Literaturbeilage“ und dem Autor ist doppelt satirisch: einerseits die Komplikationen bei der Verständigung zwischen Deutschen und Österreichern und andererseits die Persiflage auf den intellektuellen Literaturbetrieb. Es ist sehr gekonnt, wie Haas die Geschichte strukturiert, wie er zwischen Gegenwart (dem Interview), Vorausschau und Rückblenden hin- und herspringt und so die Geschichte im Dialog aufbaut, selbst verworfene Romanentwürfe werden besprochen.
Anfänglich ist es ungewohnt, einen ganzen Roman über ein Interview zu erlesen und sozusagen gleich die Kritik , die Rezension und die Entstehungsgeschichte mitgeliefert zu bekommen. Trotzdem bleibt nur zu sagen, daß dieses Buch Spitzenunterhaltung ist.
© 2010 Tanja Lentner, Harald Kloth
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