Hast du Unica Zürn im Blick? Bist du bereit, zwischen den Zeilen zu lesen? Bist du bereit, zwischen die Bilder zu sehen? Wenn der erste Blick beständig eigen bleibt, wenn er die Welt nicht genormt geschachtelt und geregelt bekommt, wenn die Überraschung, das Wunder, bleibt, dann ist man vielleicht bei Unica Zürn angekommen, und bei einem Stück Thunfisch, das sehen kann:
Als sie hinuntergeht, um die Einkäufe für das Mittagessen zu machen, kauft sie eine große Scheibe Tunfisch. "Es ist verboten, heute Fleisch zu essen." Sie hängt de Thunfisch an den Nagel in der Küche, wo das Handtuch hängt, denn diese Scheibe stellt deutlich ein drohendes Gesicht dar, ein Gesicht, das sie beschützen wird.
Ein Antlitz ist Bedeutung, Bedeutung ohne Kontext, es führt über das Denken hinaus. Eines Gesichts kann man sich nicht ermächtigen. Besonders nicht, gehört es einer Scheibe Thunfisch.
[...] Manchmal scheint es eine Art von Hypnose zu sein, die das Fremdartige hier betreibt. Etwas kommt ihrem "Ich" sehr nahe, es zieht und steuert:
Es ist eine "Anwesenheit" um mich (...) - es rieselt und rollt und knirscht und knackt.
Das Paradox dieser Reise, dieses Buches: Du weßt nicht, was du sehen wirst, wel du vorher so genau weißt, wonach du Ausschau hältst. Oder: Weil du weißt, wohin du schaust, siehst du das, wovon du nichts verstehst, aber eine Ahnung hast. Zürns Texte fordern durch die konstanten Ortsangaben und die Variation von autobiographischen Elementen rationale Magie, surreale Realität. [...]
(S.122-123)
© 2020 Starfruit Publications, Fürth