Leseprobe:
Als Kind stand ich abends am Fenster, erpicht, einen Dieb zu ertappen, nein, ihn nicht zu ertappen, sondern auf frischer Tat zu erspähen, jenen letztlichen Retter, der es zuwege brachte, den immer grimmigen Alten vom Fluch seines Gelds zu befreien. Häufig lehnte der reglos an seinem Gartenzaun, die Augen zusammengekniffen, wie einer, der etwas sucht. Meistens suchte er Streit, schimpfte auf Gott und die Welt, auf Nachbarn und bellende Hunde, oder auf fremde Leute, von denen er aus der Zeitung erfuhr. Selbst die Kinder machten nichts recht, grüßten zu leise, lachten zu laut, ihr Spielen nannte er Lärmen. Oft ballte er seine Faust, drohte, sie in den Keller zu sperren, aber die Kinder, im Schutz der Gehege, lachten den Alten nur aus. Fang uns doch, Kinderschreck! Kinder sind seltsame Wesen. Der Hund mit drei Beinen tut ihnen leid, nicht der Mensch mit nur einem. Und Mitleid-kostbares Gut! Stirbt ein Verwandter, sind sie betrübt, stirbt ihre Katze, verzweifelt. Dann wieder muss ein Bienchen ins Wasser, zu prüfen, ob es denn schwimme.
(S. 41)
© Wallstein Verlag, Göttingen