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Karl-Markus Gauß: Das Erste, was ich sah

Wien: Paul Zsolnay Verlag 2013
108 S., geb.
14,90 Euro

Autor
Werke
Leseprobe

Karl-Markus Gauß hat einen schmalen Band zu seinen Kindheitserinnerungen vorgelegt, der informativer und unterhaltsamer kaum sein könnte. Es ist ein namenloser Ich-Erzähler, der uns - sich nicht um eine strenge Chronologie der erzählten Ereignisse bemühend - in Momentaufnahmen durch einige Jahre der Nachkriegszeit begleitet, die voll sinnlich erlebbarem Neuen für einen kleinen Jungen steckt. Von Entdeckungen großer und kleiner Natur berichtet eine kindliche, oftmals altkluge Stimme. Denn neu einzuordnen gibt es viel, neben dem eigenen Zu Hause, den Nachbarn, den Verwandten, dem Fußballs oder frühkindlichen sexueller Erfahrungen gilt es auch noch zu verstehen, wie ein Weltkrieg auf Menschen eingewirkt hat und wie die Nachkriegszeit im Kalten Krieg ebendiese Menschen formt. Diese Salzburger Kindheit ist jedenfalls vieles, was eine Salzburger Kindheit in Thomas Bernhards Texten nicht ist. Vor allem ist sie eine glückliche. Das Kind ist ein umsorgtes, vielleicht sogar verwöhntes, jedenfalls geliebtes. Und das, obwohl Leid und Krieg die erzählte Gegenwart und auch die angedeutete Familiengeschichte prägen.
"Ich war der einzige gebürtige Österreicher der Familie. Die Eltern und Geschwister hatten jahrelang als Staatenlose in einer Barackensiedlung für Heimatvertriebene am Stadtrand gelebt. Die Staatsbürgerschaft erhielten sie erst kurz bevor ich zu ihnen stieß ..."
Karl-Markus Gauß, selbst Nachkomme von Donauschwaben, wuchs wie das von ihm gezeichnete Kind in einer Sprachvielfalt auf; um die man ihn nur beneiden kann. Über die Eltern des Kindes erfahren wir: "[...] denn auf Ungarisch sprachen sie nur, wenn sie sich in einträchtiger Stimmung befanden, ganz anders, als wenn sie unversehens ins Serbokroatische wechselten; dann zischten sie sich die Worte zu, die wir nicht verstehen sollten, von denen wir aber verstanden, dass es böse Worte waren [...]"
Die leichte, nüchterne und ironische Sprache, die mit der kindlichen Perspektive, allerdings aus Sicht eines erwachsenen Autors zur Verwendung kommt, erlaubt, die erlebte Welt als eine zauberhaft entrückte zu erleben, ohne eine politische Perspektive auf das Erlebte zu verlieren. Die vom Kind wahrgenommene Nachkriegszeit ist eine der Kriegsversehrten und Verstümmelten, der Flüchtlinge und der bergwandernden Nazi-Nachbarn, oder auch der nach (quasi-)siegreichen Generälen und Feldmarschällen aus dem Ersten Weltkrieg benannten Salzburger Straßen. "Lauter Siege, sagte der Vater, und trotzdem hat Österreich den Krieg verloren."
Die Augenblicke des Suchens, des Verstehen-Wollens, des Riechens und Hinhörens und schließlich des Intellektualisierens laufen auf den großen kleinen Moment zusammen, der das Buch abschließt: Am Ende liegt das kranke Kind, der Ich-Erzähler, in seinem Bett und darf aufgrund der Ansteckungsgefahr nicht besucht werden. Tragisch ist dieses Ereignis nicht. Denn, so schließt der Erzähler mit dem feinsinnigen Satz "[...] etwas war in den zwei Jahren zuvor geschehen, das mein Leben veränderte und ihm die Richtung wies: Ich konnte jetzt lesen." Mit diesem Ende nehmen die sinnlichen Kindheitserinnerungen plötzlich eine andere Form an. Sie werden zu einer Erzählung darüber, wie ein Mensch zum Schriftsteller wurde, wie er die Liebe zum Lesen entdeckte und sich dieser Welt später voll Neugierde schreibend annäherte.

Elena Messner
Dezember 2013


Originalbeitrag.

Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.
































































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