Was ich sah, war ein großes Durcheinander, ein wogendes, vibrierendes Durcheinander. Wer in einen Slum gerät, hält ihn anfänglich für gefährliches Terrain, in dem die Ordnung zerfallen ist und die Willkür regiert. Was er sieht, mutet ihn chaotisch an, unberechenbar, weil er in seinem Ablauf weder Ziel noch Struktur zu erkennen vermag, sondern nur Laune, Verhängnis, die Despotie des Augenblicks. In Lunik IX kam mir ein Haus wie das nächste vor, außer dass ein paar besser in Stand waren als die anderen; die unzähligen Leute wiederum, die sich im Freien befanden, schienen mir wie absichtslos und zufällig auf dem Gelände verstreut zu sein, auf dem Scharen von Kindern fangen spielten, dabei ihre Haken schlugen und ungeregelt das ganze Revier durchquerten. Auch als ich das zweite, das dritte Mal heroben war, manche Leute bereits wiedererkannte und mir ein paar Burschen schon lässig zuwinkten, kam ich nicht dahinter, nach welchen mir verborgenen Regeln hier herumgestanden, von da nach dort gegangen, die Zeit mit wenig Handlung ausgefüllt wurde; bis ich schließlich überzeugt war, dass es gar keine besonderen Regelen dafür gab und die soziale Geometrie der Bewegungen aus zufälligen Arabesken bestand.br> (S. 33)
© 2004, Verlag, Ort.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.