Wahrscheinlich braucht es nur eine solche Nacht im Leben eines Menschen, um niemals mehr tief zu schlafen. Eine solche Nacht reicht aus, um ein Leben lang wach zu halten.
Er wollte nicht, dass sie aufwachte. Obwohl sein Rücken schmerzte, hielt er still, denn er liebte die letzten Stunden der Nacht an ihrer Seite. Sie waren voll trügerischem Frieden, und es fiel leicht, sich der Illusion hinzugeben, dass nichts, nichts zwischen ihr und ihm stand außer dem Schlaf.
Er liebte es, wenn sie ihm den Rücken zuwandte, und er ihr Gesicht nicht zu sehen brauchte, in dem – er wusste es – keine Spur jenes Friedens zu finden war, den er in der Phase zwischen Erwachen und Wachsein an ihrer Seite empfand.
Er versuchte, nicht an ihr Gesicht zu denken. Früher hatte er das Verlangen verspürt, es zu betrachten, manchmal war es ihm gelungen, sich über sie zu beugen, ohne dass sie sofort aufwachte. Er war erschrocken über das, was er sah: ein geballtes, in sich zusammengezogenes, ein verkrampftes Gesicht, das jede Ähnlichkeit mit sich selbst verloren hatte, ein entstelltes Gesicht, vor dem er zurückprallte.
Es war eine Fläche, zerfurcht von Entsetzen, ein aufgewühltes Schlachtfeld, gepflügt von granatengleich einschlagenden Träumen. Es gab ihm zu verstehen, dass er ihr niemals so nahe kommen würde, um sie das Erlebte vergessen zu machen, das der Grund dieses abgrundtiefen Entsetzens war.
Schlagartig hatte er begriffen: Niemals konnte er ihr soviel bedeuten, dass sie aufhören würde, Angst zu haben.
(S. 95)
© 2008 Edition Splitter, Wien.
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