Im Freundeskreis hat mir meine Reserviertheit den Ruf latenter Kinderfeindlichkeit eingetragen, Agnes macht sich nichts aus Windelnwechseln, Agnes hat besseres vor, so scherzen Simons Freunde gerne zu fortgeschrittener Stunde, wenn die Themen persönlicher werden und man vom Wein zum Kognac übergeht. Ihre Frauen lächeln dazu, sanft und gütig, wir sollten endlich aufbrechen, du weißt doch Schatz, der Babysitter will auch nach Hause. Und ich denke mir, wie könnt ihr hier nur so ruhig sitzen und trinken und lachen, niemals würde ich mein Kind einem Fremden anvertrauen. (S. 22)
Kurz vor dem Newski-Prospekt entdecken wir dann das Lokal, oder besser Juri entdeckt es, die blankgeputzten Auslagenscheiben, das Neonlicht, die Menschentrauben, ich sehe ihn fragend an, und das Kind nickt und lächelt zum erstenmal, ich denke mir, daß ich Burgers und McNuggets essen werde, solange ich kann und wo immer ich sein mag, voller Dankbarkeit, nie wieder werde ich lästern, dann betreten wir das Lokal.
Der zweite Hamburger ist aufgegessen, das Cola ist ausgetrunken, Juri sitzt mir gegenüber und schaut und staunt, ich habe ihm mit einer Papierserviette Mayonnaise und Ketchup aus den Mundwinkeln gewischt. Acht Jahre, schätze ich. (S. 119)
(c) 1998, Reclam, Leipzig.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.