Gedicht, offen/dicht
das ist ein gutes Gedicht,
es hält dicht, auch nicht
von dem, was ich denke,
mutet es uns etwas zu,
das ist ein gutes Gedicht,
es vergisst die Methode
und leugnet den Inhalt,
während die Form zerfällt,
draußen steht eine Schale
nach dem Regen in der Sonne,
nach oben offen, das
ist ein gutes Gedicht
(S. 20)
Fermate
verankert als Sonnenaufgang,
als halbe Brust im Dekolleté des Horizonts,
als entzwei geschlagene Zielscheibe
mit dem Schwarzen am unteren Rand,
so steht die Fermate überm Notenbild: Gegenwert anhaltender Gegenwart
(S. 62)
flüstern
so überzeichnet, aufgebrochen bist du
hautweiß geblieben, gehäutet, aus der
Kriechspur gefahren grober Texturen,
wir haben die Normen ausgeritten,
Normalem die laue Schulter gezeigt,
das Normative abgefeiert, abgesungen,
spürbar bleibt die Kälte der Pole,
der stille Bruch, das Flüstern nordwärts
kommt von Süden zurück
(S. 106)
© 2008 Sonderzahl Verlag, Wien.