Mariella hatte mir ein weiteres Stück aus dem Buch Esther vorgelesen, denn Buch Esther hatte Robert als Titel hineingeschrieben, und was mir Mariella vorlas, ging so:
Du bist mîn, ich bin dîn,
des solt du gewis sîn.
du bist beslozzen
in mînem herzen,
verloren ist daz sluzzelîn -
du muost ouch immer dar inne sîn.
Das fuhr direkt ein in meine Hirnmuskulatur, und nach dem zweiten Vorlesen merkte ich es mir bereits, es war genau so, wie ichs spürte. Nun konnte ich mein erstes Gedicht auswendig. Aber für mich wars kein Gedicht, weil mit sogenannten Gedichten, diesem Gesülze, konnte ich wirklich nichts anfangen, sondern es war die Wahrheit, die ich bei jenen Sachen, die uns die Deutschfässerin als ihre mittelalterlichen Lieblinge ins Hirn drücken wollte, nicht spürte.
Diese ödlen Rütter, die wegen eines Tüchleins, das ein immerblondes Fröilein vom Turm fallen ließ, jahrelang ausritten und rauften und killten und sich selbst halb totschlagen ließen, und wenn sie zurückkommen, ist die bewunderte foine Frau entweder verhoiratet oder noch immer verhoirartet und schoißt gerührt auf die Scheißgroßtaten, die der ödle Rütter angeblich für sie allein vollbracht hat, weil es ihr ja mit der Macht und den Privilegien des Knilchs, mit dem sie aufs foinste verhoiratet ist, ausgezeichnet gut geht. Und so hat der bindungsscheue ödle Rütter gleich wieder einen Grund, auszureiten und den allerneuesten Gral anzupeilen, denn zu Hause hielte ers gar nicht aus, wenn wir ehrlich sind. Und das soll edel sein; ist eher ödel und dödel, aber der Fässerin gefäIlts, und sie kriegt feuchte Äugelein, wenn sies vorliest, mit dem Fuß aufklopfend skandierend, wîp lîp, shit.
Soll sie mich ruhig als unedlen Unhold und Feind von allem Schönen, Holden und Guten sehn, ich weiß, was in minem herzen drin ist, und verloren ist daz sluzzellîn.
(S. 192 f.)
© 2006, Deutsche Verlagsanstalt, München.