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Clemens Berger: Der Präsident.


Leseprobe:

Im Sommer 1981 schöpfte Jay Immer Verdacht. Seine Frau benahm sich sonderbar. Seit er auf Urlaub war, also seit er zu Hause arbeitete, wurde Lucy um die Mittagszeit nervös, schielte nach der Wanduhr, tat, als läse sie, schützte vor, fernzusehen oder etwas zu erledigen haben – wirkte aber immer abwesend dabei. Sie schien auf den Briefträger zu warten, einen dicken, pausbäckigen Einfaltspinsel namens Jim, dem die Redlichkeit ins Gesicht geschrieben stand. Jay mochte Jim. Der Briefträger war stets gut gelaunt und nie um einen Scherz verlegen. Warum wartete Lucy auf ihn? Sobald sie sein Moped hörte, verließ sie das Haus und nahm ihm lächelnd die Post ab. Hast du etwas bestellt? Nein. Wartest du auf etwas? Worauf sollte ich warten? Auf Jim, zum Beispiel? Lucy brach in schallendes Gelächter aus und schlug die Hände vorm Gesicht zusammen. Sie wollte etwas sagen; es gelang ihr nicht. Es hatte weniger witzig geklungen, als es hätte klingen sollen. Jay schämte sich ein bisschen, und weil er nicht unangebracht eifersüchtig sein wollte, meinte er abends beim Essen, er könne zwar nicht soviel verdrücken wie Jim – aber ...
Lucy winkte ab.
Schauspielen musst du vielleicht noch üben. Wartest du auf einen Liebesbrief?
Hab an einem Preisausschreiben teilgenommen. Man kann einen Swimmingpool gewinnen. Ich will auch einmal Glück haben.
Einmal hattest du Glück, sagte Jay und deutete auf sich.
Als der Brief kam, mähte Jay gerade den Rasen vor ihrem Weißen Haus. Der Himmel war dunkelblau und wolkenlos, die Garageneinfahrt schimmerte. Er hatte den heißen Asphalt abgespritzt; in drei Tagen würde er wieder die Uniform anziehen und Streife fahren. Jay schwitzte, sein weißes Unterhemd war nass, Grashalme klebten auf seinen Armen, der Brust und im Gesicht. Er fragte sich, wie viel ein Swimmingpool kostete. Jim war davongebraust, Lucy auf der Straße stehen geblieben. Sie hatte ein dünnes rotes Tuch um ihren Körper geschlungen, darunter trug sie einen getigerten Bikini, in dem sie bei Sonnenschein stundenlang auf einer Liege im Garten hinter dem Haus brutzelte. Sie war so braun, dass Jay sie bisweilen fragte, ob sie tatsächlich weiß sei. Er warnte sie eindringlich vor Hautkrebs, sie wischte seine Bedenken ein ums andere Mal milde lächelnd beiseite. Neben dem Briefkasten riss sie einen Umschlag auf, faltete das Papier auseinander, überflog die Zeilen und – erstarrte.
Sie hielt sich die Hand vor den Mund, dem trotzdem ein kurzer, greller Laut entfuhr, bevor sie den Brief mehrmals hintereinander küsste. Jay schaltete den Rasenmäher ab, die Nachbarin gegenüber öffnete das Küchenfenster. Lucy blickte Jay entgeistert an. Sie wollte etwas sagen. Presste aber bloß den Brief an sich.

(S. 10)

© 2020 Residenz Verlag, Salzburg.

 

 

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