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Kathrin Röggla

März 2004

Sie sind it-supporter, senior associate, key account managerin oder einfach Praktikantin und erzählen vom Arbeitsalltag in der schönen neuen New-Economy-Welt, in der Schlafen als nicht mehr "schick" gilt und jeder Arbeitsplatz wackelig geworden ist. Kathrin Röggla liest am 2. April im Wiener Literaturhaus aus ihrem gerade erschienen Arbeitswelt-Roman "wir schlafen nicht". Karin Cerny führte ein e-mail Interview mit ihr.

In den 80er Jahren schrieb Rainald Goetz in seinem Roman "Irre": don't cry- work!. Heute lautet das Motto, das Ihr Buch verfolgt: don't sleep - work! Was hat sich da verschoben?

Röggla: Ein Freund, den man als typischen 70er-Jahre-Künstler-Sponti beschreiben kann, sagte gestern zu mir: "Heute ist es genauso anstrengend, sich einer Karriere zu verweigern wie sie zu machen." Verweigerung ist, um es mit einem Teenie-Begriff zu sagen, uncool geworden und wird nur noch als persönliches Versagen verstanden.

Warum ist Arbeit als Droge in den letzten Jahren so wichtig geworden?

Arbeit ist so ziemlich die einzige Identifikationsmöglichkeit geworden, die uns übrig bleibt. Andere Identifikationsmöglichkeiten, etwa politische, sind zurückgetreten, demokratische Grundwerte wie Solidarität mit Minderheiten und sozial Schwächeren sind im Schwinden. Eine gewaltige Umverteilung ist im Gang. Die Schere zwischen arm und reich klafft auch in Europa immer mehr auseinander. Kurz gesagt: der Druck wächst. Die Leute haben Angst, unter die Räder zu kommen.

Ihr Roman erzählt zwar vom "schnellen Leben", aber man merkt deutlich eine Katerstimmung und Verunsicherung, gerade bei Leuten, die es eigentlich geschafft haben, die einen guten Job haben.

Ja, aber die Jobs sind wackelig. Die Leute kämpfen in den unterschiedlichsten Milieus und Schichten um ihre wackeligen Jobs. Ständig wird einem von öffentlicher Seite suggeriert, daß man nicht faul sein dürfe, sich seinen Arbeitsplatz "kreativ" selbst schaffen und sich als Ich-AG verstehen soll.

Wie der Autor und Theatermacher René Pollesch sagt: Jeder ist seine eigene Firma, die New-Economy ist tief in uns verwurzelt. Jeder soll wie ein Künstler rund um die Uhr die eigene Subjektivität anzapfen und verwerten. Der Künstler als Manager?

Ich finde den Vergleich zwischen Künstlern und Managern problematisch, weil der Manager in unserer Gesellschaft eine hegemoniale Figur, eine Art Leitfigur darstellt und der Vergleich auf zwei unterschiedlichen hierarchischen Ebenen funktioniert. Also der Manager als die starke Position, das, was gesellschaftlich vorne steht und wünschenswert ist, also den Werten und Normen der Manager zu entsprechen heißt: effizient, leistungsorientiert und flexibel zu sein. Der Künstler soll sich bitteschön danach richten, möchte er nicht irgendeinem verquasten Geniebegriff anhängen. Ich könnte das nur in einer Art hysterischer Überidentifikation mit diesem Leitbild bejahen, also Subversion durch Affirmation. Ich denke aber, daß wir nicht mehr in Zeiten leben, in denen das noch so einfach geht.

Wie arbeiten Sie denn?

Eigentlich möchte ich über meine Arbeit nur sagen, daß sie schnell und langsam zugleich ist, sehr stark über Ambivalenzen und Widersprüche funktioniert und sowohl geordnet als auch ungeordnet vor sich geht, und man in der Beschreibung der Arbeitsweise meist Abstraktionen vornimmt, die ein geordnetes zielstrebiges Vorgehen suggerieren. Aber ja, ich arbeite am besten morgens und spätnachts, fällt mir da noch ein.

"wir schlafen nicht" hat einen stark journalistischen Zugang. Wie haben Sie recherchiert? Wie ist das Buch entstanden?

Ich habe um die 25 längere Interviews (von eineinhalb bis vier Stunden) mit Consultants, Coaches, Programmierern, Journalisten geführt und ca. 15 kürzere, habe viel zum Thema Arbeit, Arbeitsbegriff gelesen. Das ist einfach ein Thema, das mich schon länger interessiert hat. Da meine Recherche immer im Dialog mit dem ästhetischen Prozeß stattfindet, es keine klar konturierte Recherchephase gibt, die man abgrenzen könnte von einer "Schreibphase", ist es schwierig, diese Recherche genau nachzuzeichnen.

War es leicht mit den Wirtschaftsleuten ins Gespräch zu kommen?

Ja, das ging sehr gut.

Haben Sie ihnen den Roman schon zu lesen gegeben? Was sagen die Interviewten dazu?

Sie haben ihn eben erst von mir bekommen, ich bin aber schon neugierig.

Zum Roman gibt es auch das gleichnamige Theaterstück. War es von vornherein klar, daß es eine Theaterfassung gibt? Der Roman spielt ja bereits sehr stark mit der dramatischen Form.

Mich haben Genre- und Medienüberschreitungen immer interessiert. Zunächst wollte ich einen Roman schreiben, aber einen, der mit der dramatischen Form spielt. Ich denke, daß beim Lesen dieser dramatische Anteil zunächst stärker auffällt und dann aber zugunsten eines epischen Anteils zurücktritt. Ich könnte mir vorstellen, daß man nach einiger Zeit vergißt, daß man eine dramatische Struktur vor sich hat. Das würde mich interessieren, wie das so rüberkommt. Zunächst hatte ich den Roman vor, dann gefiel mir aber auch die Idee, daraus noch ein Stück zu machen und zu sehen, was mit dem Text passiert, die Sache quasi umzudrehen und ein Stück zu haben, das mit der narrativen Form spielt. Sowas interessiert mich grundsätzlich.

Sind Sie sich bei ihrer Recherche ein wenig wie eine externe Betriebsprüferin, eben eine literarische, vorgekommen?

Nein, so würde ich das eigentlich nicht sehen.

(Erstveröffentlichung im Magazin "Profil")

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