logo kopfgrafik links adresse mitte kopfgrafik rechts
   

FÖRDERGEBER

   Bundeskanzleramt

   Wien Kultur

PARTNER/INNEN

Netzwerk Literaturhaeuser

mitSprache

arte Kulturpartner

Incentives

Bindewerk

kopfgrafik mitte

Bernhard Strobel: Ein dünner Faden

Leseprobe   de   en   fr   span   cz

Rezension

"Sie saßen nicht mehr am Tisch; sie waren inzwischen aufgestanden und schlenderten durch den Garten. Er ging zu ihnen hin. Sie standen vor dem kleinen Gemüsebeet und redeten laut, unkontrolliert laut, das Ganze wirkte rücksichtslos und störend, in der ganzen Nachbarschaft war sonst kein Ton zu hören. Er dachte: Es scheint sie einen Dreck zu interessieren, dass ich zurück bin. Er wartete auf ein Zeichen von Aggression, ein Bedürfnis, sich Luft zu machen, aber es kam nichts; was er stattdessen empfand, war Verwunderung, es grenzte an Fassungslosigkeit. Erst jetzt fiel ihm auf, dass unter den Bademänteln viel nackte Haut zu erkennen war, offenbar trugen sie darunter immer noch ihre Badesachen, und er sah, dass einer der Mäntel ihm gehörte. Und als er noch ein wenig genauer hinsah, in einem Moment, als Karina sich nach vorn beugte, um eine der großen Fleischtomaten zu pflücken, entdeckte er, dass sie kein Oberteil trug. Er blieb abrupt stehen. Er dachte: Hat sie untenrum etwa auch nichts an? Doch, das hatte sie, und obgleich er der Meinung war, dass er jedes Recht hatte, gemeinsam mit Karina auch ihre Freundin anzuklagen, schreckte er dennoch davor zurück, sie ebenfalls genauer ins Auge zu fassen. Ich will es nicht wissen, ich will es gar nicht wissen, dachte er, aber ehe er den Gedanken zu Ende gedacht hatte, wusste er es schon. In dieser Sekunde erst machte sich ein Anflug von Wut bemerkbar, ein weniger überzeugender Anflug jedoch, da sich durch den Anblick der beiden Frauen im Bademantel und die Vorstellung, wie sie darunter aussahen, eine leise aufwallende Erregung hinzumischte, er merkte, wie die aggressive Anwandlung immer mehr unterdrückt wurde, bis sie sich kurz darauf ganz legte und er versöhnlich, beinahe fröhlich gestimmt war, es war, als ob ein dichter, dunkler Nebel sich plötzlich lichtete. Doch als er gleich darauf sah, wie Karina sich benahm, und was sie dann sagte, lenkte das seine Gedanken schlagartig in ihre ursprünglichen Bahnen.
Sie befanden sich noch immer beim Beet. Karina hatte sich die Badeschuhe ausgezogen und stand mit einem Fuß in der Erde, pflückte die größte Fleischtomate, die sie finden konnte, und reichte sie hinaus, und als die Freundin mit einem erstaunten Gesichtsausdruck und viel zu lauter Stimme rief: ‚Du meine Güte, was sind das für Tomaten!‘, antwortete Karina: ‚Es ist der Samen von meinem Mann.‘ Sie kicherten. ‚Der Samen von deinem Mann?‘, fragte die Freundin. ‚Ein ganz besonderer Samen‘, sagte Karina, worauf das Kichern in einen Lachanfall überging, sie kreischten, wieherten und mussten sich mit den Armen auf den Oberschenkeln abstützen.
Er war fassungslos. Er konnte nicht begreifen, was eben geschehen war. Eine dunkle Tiefe höhlte sich in ihm aus, und sein Mund war von einer Sekunde auf die andere wie ausgetrocknet."

(S. 51f.)
© 2015 Literaturverlag Droschl

>> Incentives

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Link zur Druckansicht
Veranstaltungen
Sehr geehrte Veranstaltungsbesucher
/innen !

Wir wünschen Ihnen einen schönen und erholsamen Sommer und freuen uns, wenn wir Sie im September...

Ausstellung
Christine Lavant – "Ich bin wie eine Verdammte die von Engeln weiß"

09.05. bis 25.09.2019 Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit ihrem Werk und die...

"Der erste Satz – Das ganze Buch"
– Sechzig erste Sätze –
Ein Projekt von Margit Schreiner

24.06.2019 bis 28.05.2020 Nach Margret Kreidl konnte die Autorin Margit Schreiner als...

Tipp
OUT NOW - flugschrift Nr. 27 von Marianne Jungmaier

Eine Collage generiert aus Schlaf und flankiert von weiteren auf der Rückseite angeordneten...

Literaturfestivals in Österreich

Bachmannpreis in Klagenfurt, Tauriska am Großvenediger, Ö-Tone und Summerstage in Wien – der...