Sprecher: Konstantin Wecker
Gekürzte Hörfassung
Raben-Records
2 CDs
Spieldauer 85 Min.
ISBN 3-453-21427-7
München: Heyne Records, 2002
"Franz heißt die Kanaille", schrieb Ulrich Weinzierl in der Zeitung "Die Welt" bei Erscheinen der Buchausgabe von Margit Schreiners Roman "Haus, Frauen, Sex" 2001. Doch das ist nur die halbe Wahrheit der Geschichte, denn Schreiner verpackt in ihren raffiniert gebauten Text auch etwas hinein, das Weinzierl "poetische Gerechtigkeit" nennt.
Die Hasstirade, bei der wir Franz zuhören, ist die verzweifelte Vorwärtsverteidigung eines 47jährigen Mannes, dessen Leben sich soeben auflöst. Seit sieben Jahren arbeitslos, hat ihn nun - nach langer Zerrüttung - seine Frau Resi samt dem gemeinsamen Sohn verlassen. Immer mehr dem Alkohol verfallend, sitzt er in dem riesigen, leeren Haus, das er "für seine Resi" gebaut hat, poliert den neuen Superherd und legt sich die Gründe zurecht, warum das alles so gekommen ist. Dass er mit der Ursachenforschung nicht bei sich beginnt, liegt bei seiner psychischen Konstitution nahe. Also ist sie es, die Resi, die plötzlich Marie-Thérèse genannt werden wollte, was er ebenso wenig versteht wie die "Weiber" im allgemeinen. Aus der Abrechnung mit seiner Frau wird unter der Hand eine mit den Frauen an und für sich, die einfach "nichts im Hirn" haben.
Schon wie Konstantin Wecker das Wort "Hirn" ausspricht - mit vielen scharfen "r"s und ganz kurzem "i" -, wirkt wie eine akustische Unterstreichung des Textes. Überhaupt passt der bairische Einschlag, der - nicht nur im abgetönten bairischen "a" immer wieder durchkommt - recht gut zu Franz. Vor allem in den Passagen, in denen sich der Stammtisch-Geist hemmungslos Bahn bricht. Etwa wenn er sich über Resis hysterische Reaktion auf seine ganz normale"Ohrfeige" mokiert. Dabei vermeidet Wecker jedes Outrieren. Er liest den Text nicht kabarettistisch, sondern so, dass man spürt, wie hier einer nachdenkt, der ans Nachdenken nicht so recht gewöhnt ist. Man hört, wie es ihm wehtut, und wie eng die Grenzen sind, auf die er dabei stößt ohne von ihnen etwas zu wissen.
Die Schnitte sind klug gesetzt oder besser, die Ausschnitte sind gut gewählt, denn bei 85 Minuten Laufzeit (deren 17 Tracks sich leider immer wieder durch unterschiedliche Lautstärken bemerkbar machen) kann die Hörfassung nur einen Teil des Romans bringen, was mit dem Hinweis "gekürzte Hörfassung" lobenswerter Weise auch deklariert wird, wenngleich der Bearbeiter ungenannt bleibt. Abgesehen von Kürzungen in den ausgewählten Passagen sind es im wesentlichen die Spiegelfiguren aus dem Freundeskreis, die wegfallen. Auch die Funktion einiger im Buch leitmotivisch eingesetzter Elemente - wie der Küchenherd - wird deutlich reduziert.
"Das war ein psychologisches Problem, das ich da gelöst habe", sagt Franz sinngemäß an mehreren Stellen und meint damit, dass er es war, der Resi über ihre Unsicherheiten und Unentschlossenheiten hinweggeholfen hat. Und da hat er recht, allerdings in einem etwas anderen Sinn. Was er da so von sich gibt, macht klar, weshalb seiner Resi schlussendlich nur der selbstbewußte Sprung in die Selbständigkeit übrigblieb. Und darin liegt die Tragik des Textes und der Figur des verstörten Franz, die Konstantin Wecker auch hörbar macht. Mitunter verstört die kunstvolle sprachliche Geformtheit von Schreiners Text, die man im Lesen leicht übersieht. "So als stünde ..." und "so als säße ..." - das sind Konstruktionen, die ein Franz nicht nur grammatikalisch nicht hinkriegen würde. Zumindest an einer Stelle erschließt sich die emotionale Dichte von Schreiners Roman erst in der Hörfassung so richtig: Es ist das "gemeinsame" Fernseherlebnis vom Start einer Weltraumrakete, im Buch nachzulesen auf S. 172ff. Wie Konstantin Wecker diese Passage liest, macht deutlich, dass es eine Verständigung zwischen den beiden nie gab und nie geben konnte, und dass die Frage nach der "Schuld" daran auch eine gesellschaftspolitische Dimension hat.
Evelyne Polt-Heinzl
10. März 2004