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Marlene Streeruwitz: Norma Desmond

Ein Gothic SF-Hörszenario
Spieldauer: 56:51 Min.
ISBN 3-8291-1274-2
Hamburg: Deutsche Grammophon, 2003

Die eine Norma Desmond lebt ganz in der Vergangenheit, die andere im durchgeknallten 23. Jahrhundert. Fiktion sind sie beide. Die eine, ein Geschöpf Billy Wilders, zählt zu den großen tragischen Hollywood-Filmfiguren, ihre Namensschwester, eine Erfindung von Marlene Streeruwitz, muss sich erst noch einen Platz am Literaturhimmel erkämpfen.

Familienähnlichkeiten zwischen beiden bestehen kaum. Streeruwitz' Norma Desmond kann weder auf eine glorreiche Schauspielvergangenheit zurückschauen noch auf Zukunft hoffen. Im Gegenteil, ihr gewohntes Leben geht mit dem Tod ihres Beschützers Donald gerade spektakulär in die Brüche. Die abgeschottete Schrebergartenidylle im Dauerkleingartenverein "Frohsinn" entpuppt sich als bedrohtes Refugium, in dem Norma nicht länger bleiben kann. Dasselbe gilt für ihren Gefährten im Exil, dem entlaufenen Klonexperiment David. Überhaupt skizziert uns Marlene Streeruwitz das 23. Jahrhundert als ziemlich verunglückte Utopie. Die vom Menschen programmierte Zukunft scheint um nichts weniger fehleranfällig zu sein als die einst von Gott geschaffene Welt. Fortpflanzung ist zum Maßstab der Sexualität erhoben. Einen Kanon des Wissens gibt es nicht mehr, Ahnungen von Gut und Böse wabern nur mehr als amorphe Ideenfragmente im Raum, überall drohen Abgründe und Fallstricke.

Nach Donalds Tod sucht Norma zwei im Drogenrausch das Vergessen und erwacht auf unerklärliche Weise um Jahre verjüngt. Auch David, das Klonmündel mit den drei Penissen, verwandelt sich ganz und gar zum Kind, körperlich wie geistig. Die mädchenhafte Norma packt daraufhin Klein-David, um ihr kitschiges Gartenhäuschen für immer zu verlassen, und schon streckt Big Brother jenseits des Gartenzauns seine Fühler aus. Marlene Streeruwitz hat ihr Hörbuch "ein Gothic SF-HörSzenario" untertitelt - dem trashigen Motto getreu stürzt sie ihre Heldin auf der Flucht in die düstersten Abenteuer und lässt sie die aberwitzigsten Haken schlagen.

Hörbuch und Buch basieren auf einem dünnen SF-Heftchen, das die Autorin vor ein paar Jahren bei Eichborn veröffentlicht hat. Marlene Streeruwitz, die längst einen Ruf zu verlieren hat, wagt sich dabei auf heikles Terrain, denn einem Trivialgenre gerecht zu werden, ist, wie Douglas Adams und Co. aus dem Nähkästchen plaudern könnten, nicht leicht. "Norma Desmond" beginnt in vieler Hinsicht vielversprechend, gerade der tabulose Ton des Buchs trifft ins Genreherz, auch die abgehetzten, amputierten Sätze erzeugen eine stimmige Sogwirkung. Einzig das Übermaß an Ideen, ihre abrupten Einfälle, die sich auf wenigen Seiten drängen, erinnern einen daran, dass weniger manchmal mehr ist. Die Autorin, die bei der Hörfassung zur Regisseurin mutiert, verstärkt auf der CD das Tempo noch. Stimmenverfremdungen und Überblendungen drohen den Zuhörer mit schriller Kakophonie zu überwältigen. Durch einige Striche im Text wird die Handlung noch wirrer und die Gefahr droht, dass der Zuhörer ganz und gar aus der Geschichte aussteigt. Da nützt der Heldin der Geschichte ihr Todesmut nicht, mit dem sie sich in unwegsames literarisches Gebiet stürzt, in dem ein rotgewandeter Zorro sein letztes Duell ficht, das Gruselkabinett des Doktor Caligari neu erblüht und eine Phantomstadt aus dem Nichts wächst, bevor in einer zwielichtigen Bar der wiedererstandene Donald in Gestalt einer üppigen Bardame auf sie wartet.

Ob es Streeruwitz gelingt, wie einst der großen Schwester Mary Shelley, den Sprung in ein Trivialgenre ohne Blessuren zu überstehen ... die Zeit ist eine viel bessere Kritikerin als die Kritik und wird es weisen. Inzwischen kann man sich ja getrost vom schrillen Stoff im trashigen Kleid unterhalten lassen und die Frage nach der Gültigkeit der Geschichte den anderen überlassen.

Anne M. Zauner
14. Juli 2004

http://www.marlenestreeruwitz.at

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