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Heinrich Steinfest: Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Gekürzte Lesung von Dietmar Mues
Regie: Margrit Osterwold
4 CD, 318 Minuten mit 59 Tracks
ISBN 978-3-89903-605-3
Hamburg: Hörbuch Verlag 2007

Es ist immer noch keine Selbstverständlichkeit, dass die Bearbeiter der Hörbuchversion eines Romans kenntlich gemacht werden. Der Hörbuch Verlag führt Margrit Osterwald an als zuständig für die Regie der Hörversion von Heinrich Steinfests 2007 erschienenem Kriminalroman "Die feine Nase der Lilli Steinbeck", der mit dem Deutschen Krimi-Preis 2008 ausgezeichnet wurde. Es ist also zu vermuten, dass sie zuständig war für die Einkürzung des Textes, die überwiegend intelligent und schlüssig ist.

Die vier CDs sind in 16 Abschnitte eingeteilt, die nur zum Teil die Überschriften der 24 Buchkapitel übernehmen; das hat mit den Kürzungen zu tun, der einige Kapitel (10, 12, 13, 15, 20, 21) zur Gänze zum Opfer fielen, mitunter wurden allerdings auch gelesene Kapitel mit anderen Überschriften versehen. Die Hörfassung tilgt einige Handlungsstränge bzw. reduziert sie stark. Bei der Vergangenheit des dicken griechischen Detektivs Spiridon Kallimachos ist das für die Gesamthandlung unproblematisch, kostet gewissermaßen nur die Tiefendimension dieser Figur. Folgenschwerer ist die Weglassung der Handlungsteile rund um die griechischen Götter(Namen) in Athen, denn so reduziert sich in der Hörfassung die drohende Machtübernahme der antiken Götterwelt auf eine bloße Behauptung und hängt ein wenig in der Luft. Aber Steinfest-Texte können ein paar unvertäute Handlungsfäden in der Regel durchaus vertragen.

Dass sprachliche Eigenwilligkeiten, vor allem jene mit einer gewissen Österreichlastigkeit, eingeebnet werden (etwa wenn ein Steinfestsches Lieblingswort wie "solcherart" durch das schlankere "derart" ersetzt wird oder "schlichterweise" durch "schlicht"), ist wohl nur aus dem (nord)deutschen Produktionszusammenhang erklärbar. Manche dieser kleinen Eingriffe in den Text scheinen einer - wenn auch vorsichtigen - Dynamisierung des Textes geschuldet, etwa wenn das Steinfests Erzähltempo entsprechende "danach" in ein "plötzlich" mutiert. Solche "Glättungen" gehen immer auf Kosten der Stil-Eigenheiten des Autors und gerade Heinrich Steinfests Bücher erhalten durch diese Eigenwilligkeiten ihren langen Atem. Apropos: Besonders unverständlich sind Textemendationen. Wenn es über den Tod einer Nebenfigur im Text heißt "Der Pilot war noch immer im Cockpit gesessen und hatte ein letztes Mal gelacht" (S. 132), dann ist das Steinfest; wenn daraus "und hatte ein letztes Mal geatmet" wird, dann ist das beliebige Krimi-Dutzendware. Und wenn man im Roman mit jemandem "nicht gut Kirschen essen konnte" (S. 162), gibt es keinen vernünftigen Grund und vor allem keine Legitimation, daraus ein gängiges "war nicht gut Kirschen essen" zu machen. Dass zwischendrin immer wieder Sätze herausgestrichen werden, in denen Steinfest seine private Philosophie und Weltsicht einzuschleusen pflegt, ist wohl pragmatisch zu verstehen. Hörversionen sind meist - wesentlich stärker als das Buch - handlungsorientiert ausgerichtet, und für den Krimiplot sind jene Gedankenschlenker, die Steinfest-Leser lieben, ja tatsächlich unerheblich. Ein prinzipielles Problem bei akustischen Adaptionen ist immer auch die Frage, ob auf eine gleichmäßige Intensität der Aufmerksamkeit vertraut werden kann. Sicherheitshalber entschied man sich hier etwa für die durchgängige Tilgung der Bezeichnung "Verlaine" für die vielen Schießeisen, die im Roman begegnen. Bei der ersten Erwähnung erzählt der Autor die Geschichte dazu und kann hinfort darauf vertrauen, dass der Leser diese Erklärung präsent hält und die im Text jeweils kursiv gesetzte Verlaine richtig zu "übersetzen" versteht.

Was an der Hörversion der "Lilli Steinfest" nicht ganz überzeugen will, ist die stimmliche Umsetzung durch den 1945 in Dresden geborenen Dietmar Mues, der bereits Steinfests "Ein dickes Fell" für den Hörbuch Verlag produziert hat. Zweifellos sind Einschätzung und Sympathiewert einer Sprecherstimme in hohem Maße eine individuelle Geschmacksfrage. Doch objektiv lässt sich festhalten, dass Mues mit einer deutlichen Überdosis an Höhen-Tiefen-Modulation arbeitet, die er gleichförmig über den Gesamttext legt - also in gleicher Weise über alle direkten Figurenreden wie die Erzählstimme. Dieses ständige und oft übertrieben wirkende Auf und Ab der etwas kehlig-heiseren Stimme - das vor allem die von Steinfest geliebten lapidaren Nachsätze besonders übermoduliert - erzeugt im Lauf der mehr als sechs Stunden einen beinahe sirenenartigen Eindruck. Die Lakonie der Erzählweise Heinrich Steinfests wird dadurch trotz bemühter Lässigkeit eher unterlaufen, denn zur Geltung gebracht.

Verständnis für den Gesamttext des Romans zeigen die beiden kurzen Passagen, die im textlich kargen, gestalterisch aufwändigen Booklet abgedruckt sind. Sie entstammen dem zweiten Kapitel und fassen anhand der Beschreibung der Titelfigur Lilli Steinbeck den Nukleus von Steinfests Welt- und Österreichbild griffig zusammen. Auch wenn ein Mehr an inhaltlicher Information jenseits von Kurzbiografien der Akteure (Autor und Leser) und den üblichen Zitaten aus Rezensionen fehlt, führen diese Zitate doch mitten in den Steinfestschen Erzählkosmos.

 

Evelyne Polt-Heinzl
9. April 2008

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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