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Dirk Stermann, Christoph Grissemann: W. A. Mozart: Leck mich im Arsch. KV 231. Bäsle Briefe.

Es lesen: Dirk Sterman, Christoph Grissemann
ISBN 978-3-8291-1723-4
Gesamtspielzeit 1:14:30 Std.
Berlin: Deutsche Grammophon, 2008

Was bleibt vom Mozartjahr 2006 außer ungegessenen Mozartstreichwürsten? Die eine oder andere Erinnerung an pflichtbewusst absolvierte Konzerte wahrscheinlich, sowie ungehört im Regal verstaubende Musik-CDs. Zu den positiven Folgen der Mozart-Dampfwalze von vor zwei Jahren zählt hingegen der Platz, den sie für Nischenprodukte geschaffen hat. Eines davon sind Mozarts Briefe an seine Cousine Anna Maria Thekla als Hörbuch.

"Das ist curiös! ich soll was gescheutes schreiben und mir fällt nichts gescheides ein" - So beginnt der erste Brief des Komponisten an seine in Augsburg lebende Base, die er liebevoll "Bäsle" nennt. Das Thema der Uninspiriertheit zieht sich durch die gesamte Korrespondenz, von der leider nur neun an die Cousine gerichtete Briefe erhalten blieben. Dass Mozart nichts "Gescheutes" einfiel, hielt ihn nicht etwa vom Schreiben ab. Die zwischen 1777 und 1781 entstandenen Briefseiten sind trotz vorgeblicher Beschwörungen des "nothwendigen" oder "vernünftigen" mit purem Nonsens gefüllt, mit anarchischen Sprachspielereien und vulgären Zoten, wie sie der seit Falco so genannten Exaltiertheit des genialen Charakters entsprechen.

Die Briefe beginnen oft verspielt harmlos, mit Reimen wie "bäsle-häsle" oder "prälat-salat". Hat sich das Wunderkind einmal warm geschrieben, geht es derb zur Sache: "iezt wünsch ich eine gute nacht, scheissen sie ins beet daß es kracht; schlafens gesund, reckens den arsch zum mund". Eine unbändige Lust am ordinären Wortspiel und am Reim spricht aus den Briefen, die mit Harmlosigkeiten wie "Der aufrichtige wahre Vetter bei schönen und wilden Wetter" unterschrieben sein können, genauso gut aber auch mit "W. A. Mozart. Sch: scheißen, das ist hart." Eine Datumsangabe lautet "1709ni, blass mir hint aini".

Gefällt dem begnadeten Improvisateur und anarchischen Stilisten beim Schreiben ein zufällig angeschlagener Ton, variiert er ihn so lange, bis er ausgereizt ist und abrupt fallen gelassen wird: "ja ja, ich bin meiner sache gewis, und sollt ich heut noch machen einen schiss, obwohl ich in 14 Tägen geh nach Paris. wenn sie mir also wolln antworten, aus der stadt Augsburg dorten, so schreiben sie mir baldt, damit ich den brief erhalt, sonst wenn ich etwa schon bin weck, bekomme ich statt einen brief einen dreck. dreck! - - dreck! - o dreck! o süsses wort! - dreck! - schmeck! auch schön! - dreck, schmeck! - dreck! - leck - o charmante! - dreck, leck! - das freüet mich - dreck, schmeck und leck! - schmeck dreck, und leck dreck! - - Nun um auf etwas anders zu kommen; haben sie sich diese fasnacht schon braf lustig gemacht."

Eine sehr intime Vertrautheit spricht aus den Briefen an das "Bäsle", das auch einmal als "Violoncellchen" die eine oder andere kleine, unanständige Liebeserklärung zu lesen bekommt. Beim Thema bleibt der unflätige Verehrer allerdings nicht. Kaum will er ihren - wodurch auch immer erregten - Zorn besänftigen, geht der Zwang zum freien Assoziieren mit ihm durch: "besänftigen will so viel sagen, als Jemand in einer sänfte sanft tragen - ich bin von natur aus sehr sanft, und einen senf esse ich auch gern, besonders zu dem Rindfleisch."

Im Kontrast zum entfesselt derben Wortwitz der Briefe steht die betonte Coolness, mit der sie von Dirk Stermann und Christoph Grissemann vorgelesen werden. Zum Verständnis der oft jäh abbrechenden, grammatikalisch nicht ganz einwandfreien, dafür gelegentlich endlosen Mozartschen Sätze trägt die unerschütterliche Ruhe der FM4-Komiker erheblich bei. Wer die im Booklet abgedruckten Texte selbst zu lesen versucht, wird die souveräne Unaufgeregtheit, mit der sich das Duo seinen Weg durch Mozarts wild wuchernde Syntax bahnt, sehr zu schätzen wissen.

Da bloß gesprochener Mozart dennoch nicht geht, bietet die CD abwechselnd zu den deftigen Briefen noch das "Rondo alla turca", die "kleine Nachtmusik" und die "Sonata facile". Die Werke wurden von Friedrich Gulda und den Wiener Philharmonikern bereits 1981 eingespielt, die Aufnahme blieb jedoch bis 2006 unveröffentlicht.

Kritiker, denen das von Gulda auf einem Clavinova interpretierte Rondo, die etwas gewöhnungsbedürftige Abwechslung Brief-Musikstück oder womöglich gar der Inhalt der Briefe nicht gefällt, werden im schön gemachten Booklet vorsorglich mundtot gemacht. Darin steht: "Die Bäsle-Briefe sollen hier der Unterhaltung dienen. Wem das nicht gefällt ... siehe Track 18." Und dieser, ein selten gehörter Mozart-Kanon mit Nummer 231 im Köchelverzeichnis, heißt so wie die CD.

 

Georg Renöckl
15. April 2008

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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