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Franz Schuh: Schwere Vorwürfe, schmutzige Wäsche

Es liest der Autor
2 CDs, 125 Min
ISBN 978-3-0369-1179-3
Zürich: Kein & Aber Records 2007

Er habe ein "Werk in der Mangel", so startet Franz Schuh sein Hörbuch, das Auszüge des 2006 bei Zsolnay erschienen Bandes "Schwere Vorwürfe, schmutzige Wäsche" vereint. Es handelt sich hierbei, so Schuh, um sein "Hauptwerk", das aus "lauter Nebensachen besteht", sich aber gegen die "Hauptsachen des Lebens richtet", dieser "immerwährenden, glückversprechenden Folter."

Schuhs von Erfolg gekröntes Ziel besteht nun darin, dem hochwertigen Durcheinander seines Kopfes - das in manchen Überlegungen auch dem Durcheinander anderer Köpfe gleichen mag - Ausdruck zu verleihen, ohne es auf ein auf Nutzen ausgerichtetes Ziel hinzusteuern. Sein scharfsinniges Sammelsurium ist aber auch ein erfrischendes Durcheinander der Formen, Essays wechseln sich mit Aphorismen ab, Gedichte folgen auf Erzählungen.

Das alles leistet freilich das 411 Seiten fassende Buch, könnte man meinen. Aber Schuhs von ihm selbst gelesenen Texte zeigen, dass dem nicht ganz so ist. Und so erschienen 2007 beim Schweizer Hörbuchverlag "Kein & Aber" Ausschnitte aus "Schwere Vorwürfe, schmutzige Wäsche", die Franz Schuh wagemutig und sich seiner Stärken bewusst selbst liest. Schuh lässt nicht lesen (wie so viele andere Autoren, und das ist bei den meisten auch ganz gut so), sondern interpretiert, intoniert und imaginiert die heiklen und zum Teil sehr persönlichen Nebensachen seines feinen Gefühls- und genialen Denkdurcheinanders selbst.

Dass er dabei etwa einen Text wählt, den er "Erlebnis mit Jandl" nennt (und der leider wie auch "Literatur und Verbrechen" und "Gehetzte Langeweile" nur in Ausschnitten vorgestellt wird), erscheint nicht zufällig. Einzigartig wie bei Jandl sind die von Schuh gesprochenen Texte akustische Kunstwerke, Klangspuren der österreichischen Seele. Dabei differenziert er bisweilen bundesländerspezifisch, etwa wenn er in "Gehetzte Langeweile" dem Nichtvergehen der Zeit in einer oberösterreichischen Kleinstadt Hörraum verschafft, so dass man sich lebendig in ein fast Bernhard'sches Bild ländlicher Tristesse hinein imaginiert. Die Beschreibung eines Gasthofs in der Peripherie von Linz, dem "Zentrum der Weltlangeweile", und der harschen oberösterreichischen Kellnerin, die ihn an diesem heißen Sommertag unwillig bewirtet, vermag kein geschriebener Text in diesem Facettenreichtum an gleichzeitiger Ergebenheit und Auflehnung so zu vermitteln, wie es Schuhs seufzender Stimme gelingt.

Bei ihm werden die realen Orte auch zu Anhaltspunkten der eigenen Fremdheit. Selbstironisch und zugleich bittertraurig geht er dieser "eigenen Fremde", wie er sie nennt, nach und bringt die Frage nach einem Zuhause in dem Gedicht "Späte Liebe" auf den Punkt: "Soll ich dir die Nacktheit / meines Körpers zumuten, / der auch in meinem Leben / ein Fremdkörper ist." Und doch entwickelt der Text eine Perspektive:

"Soll ich dir ein paar Geheimnisse / meines Geistes verraten, / das Innenleben sozusagen, / das einem von außen keiner ansieht / Soll ich / das alles tun / a u s L i e b e".

Diese Ambivalenz des massiven Körpers - der ihm im Salzkammergut fast zum Verhängnis wird, weil er am Vortag der Verurteilung von Udo Proksch in einem Lokal am Grundlsee prompt für Proksch gehalten wird - und der Feinheit seines Geistes, bringt Schuhs gemütlich klingende, und dann wieder spitz, ja gar aggressiv einsetzende Stimme derart zum Ausdruck, dass man hofft, er lese ab nun alle seine Text ein, bevor ein engagierter Schauspieler Schuhs philosophische Überlegungen womöglich sophisticated verhunzt.

So ist denn eine gewisse artikulatorische Verhunzung bei Schuh Programm, der ganz der österreichischen Artikulation verhaftet ist, d.h. die Fortelaute allzu weich spricht und die unengagierte Aussprache mit den Spitzen seiner Aussagen konterkariert. Die kritischsten Bemerkungen werden von Schuh besonders leger und beiläufig als österreichische Alltagszustände gelesen. In einem Tempo der Selbstverständlichkeit decouvriert er brutale Jovialität und provinzielle Vorurteile, die ihn am Land noch viel unverblümter treffen als in der Stadt.

Schuh, sich selbst als einen "typischen Österreicher" bezeichnend, bringt mit ostösterreichischer "Maulfaulheit" die nationalen Merkmale nun auch akustisch auf den Punkt. Besonders deutlich wird es in der Erzählung "Als ich das letzte Mal etwas Schönes sehen wollte": Hier grüßt Schuh eine Dame, die den Gruß "auf eine einheimische Weise erwiderte, nämlich so, dass es nicht zu beweisen war, ob sie ihn erwiderte oder ihn bloß abschüttelte oder auf ihn gar nicht reagierte." In Entscheidungsnot zwischen einsamem Dasein und den Schrecken der Gemeinschaft reflektiert er weiter über Sehnsüchte und die Katastrophe, wenn diese in Erfüllung gehen. Wie die Burg Neuenthal, die in dieser Erzählung buchstäblich hohes Ziel wird, das für einen Menschen wie Schuh nur mit Mühe erreicht werden kann und dann keinesfalls den sehnsüchtig erwarteten Ausblick bietet.

Schuh spuckt lapidar Wahrheiten aus, die sich, hie und da zumindest, über sprachliche Zugehörigkeiten vermitteln. Dass er die Erzählung "Huach amoi zua!" den beiden CDs voranstellt, wäre gar nicht notwendig gewesen, da der geneigte Hörer dem "zur Floskel gewordenen Kommando" ohnedies gerne gehorcht.

Julia Danielczyk
12. Juni 2008

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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