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Arthur Schnitzler: Fräulein Else

Es liest: Senta Berger
Leicht gekürzte Vortragsfassung: Senta Berger
2 CDs Spielzeit: 85 Min.
ISBN 3-0369-1127-8
Kein & Aber Records 2002

Was Arthur Schnitzlers berühmte, 1924 erschienene Novelle "Fräulein Else", die als einer der Pioniertexte des konsequenten inneren Monologs gilt, noch immer so lebendig wirken läßt, ist unter anderem die Tatsache, daß die 19jährige Else, Tochter eines jüdischen Advokaten, ein typischer Teenager ist.
Stimmungsschwankungen bestimmen ihr Leben, das zwischen tollkühnen Träumen und Verzweifeln an der groben Realität pendelt. Else ist altklug und naiv, genau und kritisch im Blick auf ihre Umwelt und dann wieder völlig überspannt und abgehoben. Mit dem Tod kokettiert sie genauso wie mit der Liebe. Ihre Phantasie-Erotik ist aus schwülstig-kitschigen Büchern geliehen ("Ich liege nackt auf dem Marmor."), real in Bedrängnis kommt sie durch einen Expressbrief ihrer Eltern. Else befindet sich gerade von Verwandten eingeladen in einem italienischen Kurort, als ihre Mutter schreibt, daß die Familie wieder einmal am Rande nicht nur des finanziellen Abgrunds steht. Elses Vater hat ihm anvertraute Gelder - wie wohl schon öfter - unterschlagen, und wenn die 30.000 Gulden nicht innerhalb von zwei Tagen am Konto sind, muß der Vater ins Gefängnis. Es droht ihm der finanzielle und der gesellschaftliche Ruin. Die letzte Hoffnung ist Else, auf deren schmalen Schultern nun das Schicksal der ganzen Familie lastet. Else soll mit dem Kunsthändler Dorsday reden, er möge der befreundeten Familie das Geld leihen. Es muß der Mutter klar sein, in welche Lage sie ihre Tochter dadurch bringt. Dorsday, ein älterer Lebemann, hat die hübsche Else mehr als einmal mit begehrlichen Augen betrachtet. Er sagt zu, fordert aber etwas: Er will die junge Frau eine viertel Stunde nackt sehen.

Wir erleben Elses inneren Kampf. Ihre Welt, in der sie erzogen wurde, bricht zusammen und dabei wird deren verlogene Doppelmoral offensichtlich ("Vor wem werde ich mich das nächste Mal nackt ausziehen müssen? Oder bleiben wir der Einfachheit wegen bei Herrn Dorsday?"). Einsamkeitsanfälle ("Ich bin ja so furchtbar allein, wie es sich niemand vorstellen kann.") wechseln mit verwegenen Vorstellungen, jedwege Moral hinter sich lassen zu wollen. Trotzdem benennt Else klar, wie sich ihre Situation darstellt: Prostitution (?"Ein Luder will ich sein, aber nicht eine Dirne?"). Mit äußerster Spannung seziert Schnitzler dieses innere Aufgewühltsein, dieses Pendeln zwischen Scham und Aufopferungsbereitschaft. Zum Zerreissen sind Elses Nerven, die als letzten Ausweg immer dringlicher den Tod herbeiwünscht. In tiefster Verwirrung und Verzweiflung beschließt sie, Dorsdays Forderung zu erfüllen: allerdings nicht hinter verschlossenen Türen. Sie zeigt sich vor dem versammelten Musiksalon nackt, bricht zusammen und wird auf ihr Zimmer gebracht. In einem unbeobachteten Moment vergiftet sie sich mit dem schon bereit gestellten Veronal, und während die Außenwelt denkt, Else schlafe bloß, ist es schon fast zu spät. Als Else doch wieder Mut faßt und leben möchte, kann sie sich nicht mehr bewegen, ihr Bewußtsein driftet immer weiter in Kindheitsphantasien ab.

Die Wiener Schauspielerin Senta Berger ist auf den ersten Blick nicht die Traumbesetzung für diese Novelle. 1941 geboren, kennt man Senta Berger vor allem in der Rolle der charmanten Dame, die durch nichts um ihre Souveräntität zu bringen ist. Else aber wird gerade durch tausend widersprüchliche Eindrücke völlig aus dem Gleichgewicht geworfen. Sie schwankt permanent. Am Anfang ist die Irritation dementsprechend groß - den damenhaften Ton bringt Berger nicht weg. Aber seltsamerweise stört das im Laufe der CD kaum. Spielt Elsa nicht auch dauernd die Dame von Welt? Lebt Else nicht in einer Gesellschaft, die Souveränität und Gefühlskontrolle fordert? Die Qualität von Senta Bergers Vortragskunst liegt in ihrem Ausdifferenzieren von Sprechrollen. Die Männerparts gelingen ihr genauso wie die der Frauen. Ironie und Anzüglichkeit des älteren Dorsday liegen ihr vielleicht sogar noch mehr als jede Naivität. Aber Senta Berger ist auch "in Elses schwächsten Momenten ... auf ihrer Seite", wie die FAZ in ihrer hymnischen Besprechung schreibt, meistert sie doch die abrupten Stimmungswechsel mühelos und feinfühlig.

Originalbeitrag

Karin Cerny
21. Jänner 2003

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