Hörspielbearbeitung: Michael Farin
Sprecher: Sylvester Grotz, Michael Maertens, Julia Stemberger u. a.
Gesang: Sussan Deyhim
Realisation und Musik: Barbara Schäfer, Ulrike Haage
ISBN: 3-89584-840-9
Spielzeit : 65 Min.
Produktion: Bayerischer Rundfunk
Der Hörverlag 2000
Die Welt ist voller Abenteuer. Es gibt die Liebe und es gibt die Wüste. Raoul Schrott verschränkt beide Welten miteinander. "Man muß zweimal so viel lieben, damit einem wenigstens die Hälfte bleibt", heißt es in "Die Wüste Lop Nor" (erschienen 2000). Raoul Louper, der ruhelose Held der Geschichte, durchquert drei Liebesgeschichten und drei Wüsten. Ständig ist er im Aufbruch, ständig wechseln die Schauplätze, von Alexandria an die Adria, von der Wüste Sand Mountain in die Sahara und die Wüste Gobi. Raoul Louper ist wie Raoul Schrott ein Weltenbummler und ein Wüstenliebhaber. Die Wüste kommt uns nahe. Eine kleine Dünenkunde informiert uns über die Gefahren des Treibsandes und lehrt uns Dünenformen zu unterscheiden. Später beginnen die Dünen sogar zu dröhnen, ein "Chor der Dünen" singt.
Die Novelle, an die hundertzwanzig Seiten lang, besteht aus 101 kurzen Kapiteln. Sehr filmartig ist das gedacht. Man kann die Geschichte ganz naiv aufnehmen: sie macht Lust auf Reisen. Ein Stück weit ersetzt sie sogar Reisen. Bilderwelten tun sich im Kopf auf, was zu einem gewichtigen Teil auch an der sehr geglückten Musik- und Geräuschinstrumentierung liegt. Die Komponistin und Pianistin Ulrike Haage (von den Rainbirds) schafft einen Soundtrack, der nie bloß illustrativ ist. Die Wüste wird nicht in ihren Geräuschen nachgemacht, sie wird in elektronischer Verfremdung präsent. An der Adria weht von irgendwo her eine beschwingte Melodie, in der Wüste rauscht und tönt es, in Alexandria singt ein Frau im Hintergrund Orientalisches. Es könnte sich um einen französischen Film handeln, der sich auf die Reise macht, denkt man beim Hören. Die Musik unterstützt, wie Schrott mit Farben, Tönen und Motiven beim Schreiben Stimmungen malt.
Wir lernen seine drei großen Lieben kennen, Francesca, Arlette und Elif. Wohnen den Liebesnächten von Raoul bei, erfahren, wie seine letzte Frau Elif, die schönste von allen, sich gar nicht wohl fühlt in ihrem perfekten Körper, den sie selbst recht ungenügend empfindet. Es endet, dort wo es begonnen hat, nämlich in der Wüste. Diesmal in der Wüste Lot, der "unberührten Mitte der Erde", dort wo die Erde wieder zur Scheibe wird. Ganz am Schluß ist es wie am Anfang: eine riesige japanische Sanduhr läuft einfach weiter. Aber man hat als Zuhörer eine lange Reise gemacht. Zumindest im Kopf.
Originalbeitrag
Karin Cerny
31. Jänner 2002