Novellen gelesen von Christiane Hörbiger und Peter Simonischek
Die Toten schweigen / Die Frau des Weisen (Simonischek)
Das Schicksal des Freiherrn von Leisenbohg (Hörbiger)
2 CDs
ISBN 3-929079-28-3
Spielzeit: 125 Min.
Solo, 2001
Die erste CD, die als Einzel-CD bereits 1995 produziert wurde, beginnt mit der titelgebenden Erzählung Arthur Schnitzlers "Die Toten schweigen" (1897), gelesen von Peter Simonischek. Obwohl in den Dialogen die stimmliche Auflösung nicht immer ideal wirkt, vermittelt der Sprachduktus sehr genau das Zögerliche und Zurückweichende in der Haltung der verheirateten Geliebten, die sich zu einer Lösung aus dem Dreiecksverhältnis in keine Richtung recht entscheiden mag. Der dramaturgische Höhpunkt der Erzählung ist der Kutschenunfall, bei dem der Geliebte den Tod findet und das Verhältnis so für die Geliebte ein "glückliches" Ende finden könnte. Peter Simonischek liest diese Szene realtiv verhalten und unaufgeregt, gleichsam antizyklisch zur Textebene. Eine sehr geglückte sprachdramaturgische Volte, durch die der Spannungsbogen sich gleichmäßig über den gesamten Text verteilt.
Die zweite Erzählung dieser CD ist "Die Frau des Weisen" (1896), ebenfalls von Peter Simonischek gelesen. Es ist die Geschichte eines jungen Mannes, der in einem Urlaubsort unvermutet Friederike wiedertrifft, jene Frau, die er vor sechs Jahren noch als Gymnasiast in ihrem Haus geküßt hat. Er weiß, daß ihr Gatte damals diesen ersten und einzigen Kuß beobachtet hat, während Friederike davon nichts ahnt. Der junge Mann zeichnet die Dialoge ihrer Wiederbegegnung wörtlich auf, um sich klarer zu erinnern. Die Melodie der kurzen Frage / Antwort-Spiele entwickelt von Anfang an eine vorwärtstreibende Spannung, die die latent verzögernde, verschleifende Stimmführung - vor allem in den Dialogteilen Friederikes - gekonnt unterstreicht. Die Stimme unterstützt und verstärkt so von Anbeginn die in der analytisch aufgebauten Erzählung angelegte Spannung bis hin zur Enthüllung des damaligen Vorfalls.
Auf der zweiten CD (45 Minuten) liest Christiane Hörbiger Schnitzlers Erzählung "Das Schicksal des Freiherrn von Leisenbogh" (1903). Leisenbogh ist der geduldig auf seine Gelegenheit wartende Liebesanwärter, dem die sexuell sehr aktive Schauspielerin Kläre immer wieder andere Bewerber vorzieht. Als er eines Tages von ihr überraschend doch noch erwählt wird, geschieht es nur deshalb, um einen Fluch auf ihn zu lenken, den sein sterbender Vorgänger über den nächsten Geliebten Kläres verhängt hat. Christiane Hörbigers Sprechweise wirkt zunächst ein wenig outriert. Im Verlauf der Erzählung wird aber deutlich, daß genau der latent die Unernsthaftigkeit des Erzählten übertreibende Sprachduktus das Oberflächliche von Kläres Liebeskarusell von Anfang an gut einfängt. Obwohl die Erzählung mit Kläres scheinbar tiefer Trauer um den Tod eines Liebhabers einsetzt, und der Text selbst hier noch kaum Ironiesignale setzt, vermittelt Christiane Hörbigers stimmliche Umsetzung von Anfang an eine gewisse Distanz zum gesprochenen Wort, stellt die Aussagen in Frage und macht das Posenhafte in in Kläres Haltung hörbar. Die Stimme vermittelt so, mit dem Wissen um den Fortgang der Geschichte, von Beginn an, daß es dem Gesagten mit einiger Skepsis zu begegnen gilt.
Fragt man nach der Gemeinsamkeit der drei Erzählungen, ist sie wohl in der Figur der betrügerischen, unwahrhaften Frau zu suchen, der ein aufrichtiger, zur wirklichen Liebe entschlossener Mann gegenübersteht. Der Mann, der die verheiratete Geliebte zur Entscheidung drängt, der Mann, der über den kleinen Betrug der Frau vornehm schweigt, der Mann, der eine unwürdige Geliebte stetig umwirbt. Nimmt man die Variationsbreite der Liebeshändel in Schnitzlers Werk, ergibt das ein etwas einseitiges Bild. Was sich die Hersteller dieser CD bei der Auswahl gedacht haben, ist allerdings nur zu vermuten, denn dem dürftigen Booklet, das mehr Werbehinweise als Informationen enthält, ist dazu nichts zu entnehmen.
Originalbeitrag
Evelyne Polt-Heinzl
17. April 2002