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Heinrich Steinfest: Gewitter über Pluto

Gelesen von Jona und Dietmar Mues
Regie: Margrit Osterwold
6 CDs, 465 Min.
ISBN 978-3-86952-004-9
Hamburg: osterwoldaudio bei Hörbuch Hamburg, 2009

"Gewitter über Pluto" ist der erste Roman Heinrich Steinfests, der nicht Krimi heißt, und genauso viel oder wenig einer ist wie alle seine Bücher. Tote gibt's trotzdem, die Welt ist nun einmal nicht gut, weshalb auch diesmal wieder auf moralische Auflösungen verzichtet wird, dafür kommen erstmals sozusagen Science-Fiction-Elemente ins Spiel. Sozusagen deshalb, weil das Personal dieses Autors immer skurril ist, ob es vom Planeten X stammt oder aus Wien, Stuttgart und Athen, macht absolut keinen Unterschied. Auch alte Bekannte trifft man wieder, den griechischen Ermittler Stavros Stirling etwa, sogar Lilli Steinbeck taucht am Rande auf, und die Hommage an die heimische Aida fehlt ebensowenig wie die Semmelklage. Nein, letztlich hat sich nichts geändert im Kosmos Heinrich Steinfests. Mit bewährter Ruhe und Breite jagt dieser Autor seine LeserInnen durch seine fantastischen und zugleich auf sehr erdige Art in unser aller Alltag verankerten Erzählwelten.

Die Guten, oder doch Interessanten, sind die unverwüstlich in sich Ruhenden. Davon gibts diesmal mehrere. Vor allem die beiden männlichen Figuren Lorenz Mohn und Soonwold, ein Agent von Pluto, sind in ihrer Denk- und Handlungsweise sehr verwandt. Es ist also durchaus eine gute Idee, die beiden auch von unterschiedlichen Handlungsorten startenden Handlungsstränge für die Hörbuchfassung von zwei verschiedenen Stimmen sprechen zu lassen. Vater Dietmar Mues spricht mit - mitunter etwas übertriebener - Behäbigkeit die Lorenz-Mohn-Kapitel, Sohn Jona Mues mit hellerer und etwas leichtfüssig wirkender Intonation die Soonwold-Handlung. Die sechs CDs bringen in etwa ein Drittel des Gesamttextes. Natürlich muss einem bei diesem Autor um jeden Gedankenschlenker leid tun, aber die Striche sind klug gesetzt und lassen für die HörerInnen noch genug abtriftende Weltanalysen, -anklagen und -erklärungen übrig, dass ein unverfälschter Eindruck von Buch und Autor zurückbleibt. Selbst dass aus Beton "Betong" wird und vergleichbare Aussprachegermanismen sind in diesem Fall weniger störend, ist doch Steinfest selbst ein Wanderer zwischen Stuttgart und Wien und vermeidet manche Austriazismen ganz bewusst - und lässt Lorenz Mohn in Wien seine Rauchwaren im Tabakladen besorgen.

Die Handlung nacherzählen zu wollen ist sinnlos. Vielleicht soviel: Lorenz Mohn, gescheiterter Physikstudent und seit vielen Jahren aktiver Pornofilm-Darsteller, beschließt eines Tages, bevor das der natürliche Alterungsprozess für ihn macht, aus dem Geschäft auszusteigen und etwas Neues zu beginnen. Weil er zufällig eine wartende Kollegin am Set stricken sieht, weiß er auch was das sein wird: ein Wollegeschäft mit farblich wohlgeordneten Regalen muss es sein. Das Lokal dafür ist dann ebenso rasch gefunden, im Hof des Hauses mit Sera Bilten auch gleich DIE Frau fürs Leben. Das Geld streckt Claire Montbard vor, die unnahbare und undurchschaubare Unterwelt-Finanzgröße, eine sehr typische Steinfest'sche Frauenfigur und im Roman in multiplen Rollen tätig.

Leider birgt die ideale Lokalität seines Wollgeschäfts eine Fatalität und verstrickt Lorenz Mohn in die Parallelhandlung und die Parallelwelt der Pluto-Mission; einer der Plutoagenten ist Soonwold, aktuell in einer hübschen schwäbischen Kleinstadt lebend, zufrieden in einer glücklichen, weil ereignisarme Ehe. Da wird er jäh von einer "holographischen Nachricht" von "zu Hause" gestört. Er erhält einen komplizierten Auftrag und soll, nach immerhin 500 irdischen Jahren "heimkehren", was er zu hintertreiben versucht, schließlich hat er es diesmal besonders behaglich getroffen. Die Welt, so verkündet Steinfest immer wieder, ist zwar keineswegs die beste aller möglichen, aber eben auch nicht die allerschlechteste.

Ins Rollen kommen die Dinge in Wien, durch den ersten Toten unter Lorenz Mohns provisorischem Bett im neuen Geschäftsdomizil. Opfer ist dessen Vorbesitzer, der Bäcker und Hobbypaläontologe Fabian Nix, das Missing Link der beiden Handlungsstränge, die mit einem Showdown in Wien zusammengeführt, aber nicht unbedingt abgeschlossen werden.

So geschickt sie gebaut sind mit einem dichten Geflecht aus realen wie symbolischen Bezügen - hier nicht nur rund um Pluto und schicksalsschwere Gewitter - , es sind nicht primär die Plots, weshalb man Steinfests Bücher nicht vergisst. Es ist die Sprache und die Art und Weise, wie hier Figuren und Szenarien aufgebaut werden, um uns über Lebenshaltungen, Welt(ein)sichten und Alltagsprobleme zu belehren und mit einer endlosen Kette von schrägen bis verqueren Vergleichen zu erfreuen. Auch, was das Paarverhalten betrifft. "Musst Du erst etwas falsch machen, daß ich allein sein darf?" Das fragt Sera ihren Lorenz nach der ersten Liebesbegegnung unter der Dusche. Es mag das geläufige Rollenverhalten umkehren, aber die Frage enthält doch einen bedenkenswerten Ansatz. Und was ein Vorkuss ist, kann man auch nur bei diesem Autor lernen. Und diese und andere zentrale Lebensregeln sind auch in der Hörbuchfassung vom Strich verschont geblieben.

 

Evelyne Polt-Heinzl
15. Dezember 2009

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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