Du hättest besser, mein Wernher, unserer großen Wohltäter gedenken sollen, als Dich in die Gefahr zu begeben, der Komplizenschaft mit den Feinden in der Heiligen Kirche bezichtigt zu werden und zwielichtige und mißverständliche Äußerungen zu machen. Du kennst mich als einen Mann des Ausgleichs und der Mäßigung, der harte und überharte Worte scheut und auch allen Manichäismus der Schwarzweißmalerei verabscheut. Aber nicht einmal ich kann jenen Herren im Konvent aus voller Überzeugung widersprechen, die Dich mit dem häßlichen alten bairischen Wort "Nestbeschmutzer" bedenken! Während also Du offenbar nach Deinem Selbstverständnis Dich für einen hältst, der "ausmistet" und den Augiasstall von Auswurf befreit, nennen Dich Deine Confratres "Nestbeschmutzer"! Du gereichtest, sagen sie, Ranshofen nicht zur Zier, wenn Dich auch einige sogenannte Intellektuelle im Literaturfach als kritischen Geist und Mann der Distinktion und der Diskretion, das heißt der Unterscheidung der Geister, rühmen und Dir so ein Charisma, eine Gabe des Heiligen Geistes, nachsagen und zusprechen. Für die anderen bist du ein Nestbeschmutzer, der sich der Illoyalität schuldig gemacht, weil er die Kirche der Raffgier bezichtigt, indem er die Partei der Bauern ergreift. Weil ich nun dem Ausgleich das Wort rede und sicher auch, weil ich selbst als Bauernfreund dem Bauerntum nahe stehe, gebe ich, wenn solche Vorwürfe vor allem während Deiner langen Abwesenheit infolge der "Lesereisen" laut werden, immer zu bedenken, daß Du als Bauernbürtiger doch wohl entschuldigt bist, oder wenn nicht ganz enschuldigt bist, so doch ein wenig Nachsicht verdienst, wenn Du Deinem Herkunftsstand ein gutes Andenken bewahrst und ihm Dein Wort leihst.
(S. 85 f)
© 2005, Deutscher Taschenbuch Verlag, München.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.