logo kopfgrafik links adresse mitte kopfgrafik rechts
   
Facebook Literaturhaus Wien Instagram Literaturhaus Wien

FÖRDERGEBER

Bundeskanzleramt

Wien Kultur

PARTNER/INNEN

Netzwerk Literaturhaeuser

mitSprache

arte Kulturpartner

Incentives

Bindewerk

kopfgrafik mitte

Leseprobe: Inge Rowhani-Ennemoser - "Nachricht vom Verlust der Welt."

Ich adoptiere ihre beiden Ehemänner als Väter, die nach ihren Erzählungen ganz zufällig zur gleichen Zeit gestorben seien, der eine in Palästina und der andere in Russland. Zwei Männer hätte der Krieg ihr genommen, sagt sie.
So oft sie ihre Geschichten auch erzählt, es gibt keine Abweichungen. Es sind stets dieselben Redewendungen, dieselben Auslassungen. Begierig höre ich sie immer und immer wieder, kenne sie auswendig. Ich liebe meine zwei Väter, wenn sie auch, einer wie der andere, nur auf dem Papier, in ihren Briefen vorhanden sind - meine Papierväter, meine Briefväter. Ich lese ihre Briefe, Georgs Handschrift ist leichter zu entziffern. Mal erkläre ich den einen, dann wieder den anderen zum richtigen Vater, suche in den Fotos nach Ähnlichkeiten zwischen ihnen und mir, male mir das Leben mit ihnen aus. [...]
Vielleicht ist es Mitzi mit ihren Schilderungen gelungen, eine Version zu schaffen, die ihren strengen moralischen Ansprüchen an sich selbst genügte. Sie hat getan, was in ihren Kräften stand, um Georg in Sicherheit zu bringen. Doch ihr Gewissen versetzte ihr wohl den einen oder anderen Stich, wenn sie sich an ihn erinnerte und an seine enttäuschten Erwartungen. [...] Solange Otto im Feld war, konnte und wollte sie sich ihre Wünsche nach Unabhängigkeit und nach Freiheit von Bindungen und Rücksichtnahme wohl nicht zugestehen. Jedoch in diesem Drang nach Unabhängigkeit liegt der Grund, warum sie nach einer Zeit der intensiven Trauer um Otto, mitten im Krieg, wahrscheinlich die glücklichste und zufriedenste Zeit ihres Lebens verbringt.
Und ich bin - eine kurze Zeit lang - Zeugin und Nutznießerin dieser glücklichen Phase. Da ist sie zärtlich und liebevoll. Wie an jenen Sonntagmorgen, an denen ich zu ihr ins Bett schlüpfen darf. Oder wenn ich mein Gesicht in ihre warme Hand lege, die, obwohl immer rau von Rissen und Schrunden, wunderbar weich ist. "Wenn du einmal tot bist, möchte ich deine Hand behalten", sage ich, sie lacht.

(S. 281ff.)

© 2004, Mandelbaum, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Link zur Druckansicht
Veranstaltungen
Grenzenlos? (Literaturedition Niederösterreich, 2020) - online

Do, 14.01.2021, 19.00 Uhr Buchpräsentation mit Lesungen Die Veranstaltung kann über den Live...

Super LeseClub mit Diana Köhle & David Samhaber - online

Mo, 18.01.2021, 18.30-20.30 Uhr online-Leseclub für Leser/innen von 15 bis 22 Jahren Anmeldung...

Ausstellung
Claudia Bitter – Die Sprache der Dinge

14.09.2020 bis 25.02.2021 Seit rund 15 Jahren ist die Autorin Claudia Bitter auch bildnerisch...

Tipp
LITERATUR FINDET STATT

Eigentlich hätte der jährlich erscheinende Katalog "DIE LITERATUR der österreichischen Kunst-,...

OUT NOW flugschrift Nr. 33 von GERHARD RÜHM

Die neue Ausgabe der flugschrift des in Wien geborenen Schriftstellers, Komponisten und bildenden...