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Leseprobe: Veza Canetti Veza - "Die Schildkröten."

Diese vielen Braunhemden in der Allee! Er steigt in den Garten wie ein Mensch, der nicht mehr hier wohnt. Der hier fremd ist und kein Recht hat. Zum ersten Mal war er unsicher in diesem Haus, obwohl doch eben die Frau, der es gehört, sich freundlich gezeigt hat, fast mit einer Miene, als beschütze sie ihn. Sie ist sonst klar im Kopf und gar nicht weich. Südtirol hat er ihr versprochen, sie tat ihm leid. Mein Gott, wie klein sind ihre Schmerzen, und seine haben in dem Garten nicht Platz. Man muß weglaufen, wenn auch mitten hinein in die braune Rotte. Denn, wenn man nicht läuft, bricht man zusammen. Nur nicht die Haltung verlieren. Schwer, sie zu bewahren, wenn man den Berg hinunterrast, mit großen Schritten ins Dorf hineinläuft. (S. 38)

Die Schildkröte lebt in einem harten Panzer, aber er wird ihr geraubt, weil er so schön ist, er schützt sie nicht und sie bleibt nackt.
Ihr Geheimnis ist Gleichmut. Sie lebt von nichts, von Luft, von Blättern, sie läßt sich zerschneiden, zerstückeln, zerreißen, und sie lebt weiter, stumm und schwer. Aber sie braucht Wärme.
Ohne Wärme muß sie sterben.
Erspäht sie der Geier, muß sie sterben. Er trägt sie hoch in die Luft, in seinen grausamen Krallen, und läßt sie am Felsen zerschmettern. Jetzt ist ihr Fleisch sein Fleisch, jetzt verzehrt er ihr Fleisch.
Erspäht sie der Tiger, muß sie sterben. Er legt sie um und nun ist sie verloren. Er zerfetzt sie und verzehrt ihr Fleisch. Er rast um sich und in wilder Kraft legt er alle um, alle, die er findet. Er läßt sie auf dem Rücken liegen und die Schildkröte auf dem Rücken muß verhungern. Es sei denn, es erspäht sie der Mensch. Er bewundert ihren Panzer, er glänzt so schön. Der Mensch bringt das Tier zum Glühen, damit der Panzer sich löst und sein Wunsch sich erfüllt. Ist es denn ein großer Wunsch? Der Mensch ist behutsam, er sieht bald, daß das Feuer den Glanz vermindert. Er wirft das Tier doch lieber in siedendes Wasser, damit der Panzer keinen Schaden nimmt. Das Gehäuse ist gerettet und das Tier kriecht todwund davon. (S. 145f.)

© 1999, Hanser, München.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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