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Beiträge 191-200
von: Ernst Jantscher, Gerta Ulbl-Fahrngruber (1), Ferdinand Skuk, Doris Kloimstein, Erika Kronabitter (2), Martin Stankowski, Rudolf Kraus, Jella Jost, Gerta Ulbl-Fahrngruber (Bildfassung), HG Fader (Bildfassung)
Ernst Jantscher: Alle Macht der Unvernunft? Fünf Limericks:
Was macht ihr mit dem Funkhaus nur? Plant ihr einen Mord an der Kultur? Wir sind wachsam und niemals still, jetzt zeigt sich, wer kämpfen will. Fünf nach Zwölf sagt uns die Uhr!
Ein Funkhaus ohne Herz? Radio mit Küniglschmerz? Geht eine Ära zunichte? Rundfunk bar seiner Geschichte? Wahrlich ein schlechter Scherz!
Zerstörer und Zentralisierer, technokratische Organisierer, das Rundfunkvolk sind wir! Und bitte wer seid ihr? Am Ende gibt es nur Verlierer.
Nichts verläuft im Sand. Sicher nicht unser Widerstand. Gewachsen ist ein Ort, durch Musik, Gesang und Wort. Drängt die Kunst nicht an den Rand!
Aus dem Rundfunk ein Live-Konzert, ist immer stimmungsvoll und hörenswert. Welch ein Schatz, ein solcher Platz. Macht besser nichts verkehrt.
Gerta Ulbl-Fahrngruber
das funkhaus war ein fixer treffpunkt für uns in jungen jahren. mit klopfendem herzen trafen wir dort auch freunde zum rendezvous'. wir tranken limonade oder kaffee, sonntags saßen wir bei Heinz Conrads, lauschten konzerten und wohnten vielen anderen darbietungen bei. wir sind stolz auf unser funkhaus, denn es bescherte uns zahlreiche heitere und wundervolle stunden. es ist ein teil unseres lebens und wird immer in unserer erinnerung bleiben.
Ferdinand Skuk: Erinnerung an Matschedolnigs „Menschen im Gespräch“
Als Kind hörte ich im Radio oft, die Zuschrift sei zu richten an das Funkhaus Wien, Argentinierstraße dreißig a.
Da stellte ich mir eine breite Straße vor, ein schönes Haus mit vielen Fenstern und einem großen Tor.
Eines Tages stand ich wirklich da. Und als später aus dem Radio meine Stimme kam, staunte ich wie einst das Kind im Walde.
Doris Kloimstein: Funkhaus Wien, Radiokulturhaus
Habe mir als Kind gedacht, dass die Musiker im Radioapparat sitzen – winzig kleine Männchen, die da auf ihren Instrumenten spielen. Habe wissen wollen, wie die aussehen, die kleinen Männchen. Deshalb habe ich mit dem Küchenmesser dort hineingebohrt, wo so eine Art grober Stoff war. Aber es sind keine kleinen Männchen zum Vorschein gekommen. Zuerst waren meine Eltern sehr wütend, weil ich das Radio kaputt gemacht habe. Aber ich habe meinen Eltern erklärt, dass ich die kleinen Männchen sehen wollte. Meine Eltern haben sich einerseits beruhigt, weil meine Tat keine böse Absicht gewesen ist, andererseits waren sie besorgt, was aus mir wohl werden würde mit dieser überbordenden Fantasie. Die Musiker, das sind echte Menschen, haben mir meine Eltern erklärt, die im Funkhaus in Wien sitzen. Die Musik, die wird übertragen, über den Sender gesendet, der ja eben Sender heißt. Und der Radioapparat, der hat eine Antenne und kann die Musik empfangen. Damals war ich zufrieden mit der Erklärung. Und irgendwann später hat mich meine Großmutter in die Argentinierstraße nach Wien ins Funkhaus in den großen Sendesaal mitgenommen zu einem Konzert. Sie hat getestet, ob ich im Konzert wohl brav sein könnte, und weil das Bravsein funktioniert hat, sind wir immer wieder mit dem Zug von Linz nach Wien in Konzerte gefahren. Dann aber in den Musikverein. Und irgendwann, nochmal viel später, als ich schon erwachsen war, habe ich gelesen, dass Claudio Abbado als Kind auch gedacht hatte, dass im Radioapparat die Musiker sitzen – winzig kleine Männchen, die auf ihren Instrumenten spielen. Und jetzt irgendwann habe ich unterschrieben, dass ich dagegen bin, dass das Funkhaus Wien, das inzwischen auch Radiokulturhaus heißt, verkauft wird. Und denke mir, dass in meinem Kopf winzig kleine Männchen sitzen, die sagen: Wir haben die Macht und entscheiden, was mit dem Funkhaus/Radiokulturhaus passiert. Und jetzt bin ich über meine dumme Vorstellung wütend, weil so kann das doch nicht sein, und ich mir nicht erklären kann, wieso welche auf die Idee kommen können, das Funkhaus/Radiokulturhaus zu verkaufen und auch noch die Macht dazu haben dies umzusetzen. Erwachsen bin ich zwar, nur immer noch so naiv wie ein Kind.
Erika Kronabitter: Funkspruch
Das Funkhaus ist ein Freund, das Funkhaus ist vielen Freund. Mitten in der Stadt steht es da, ist einfach da und lädt ein, es zu besuchen. Viele kommen, um hier zu arbeiten: KünstlerInnen, SchriftstellerInnen, MusikerInnen, Menschen aus der Wissenschaft, Menschen, die im Funkhaus tätig sind. Viele kommen, um das Funkhaus zu besuchen, um im Bauch des Funkhauses Kaffee zu schlürfen, zu plaudern, zu diskutieren. Um im Herzen des Funkhauses den einzigartigen Flair einzuatmen. Das Funkhaus ist rund um die Uhr erreichbar, zu Fuss, mit dem Fahrrad, vor allem aber auch mit den Öffis. Das Funkhaus ist für alle da. Das Funkhaus wird von allen geliebt und ist aller Freund. Es ist aller Freund – fast aller Freund, nicht aber Freund des Herrn Wrabetz. Herr W. mag das Funkhaus nicht, weil es im Weg steht. Vielleicht, weil es ihm auf seinem Weg im Weg steht. Wenn der Herr W. ans Funkhaus denkt, wwrrr…, würgt es den Herrn W. Das Funkhaus ist ein Dorn in seinen Reformwegaugen. Es steht mitten in der Stadt und zieht die Blicke auf sich, jene Blicke, die gefälligst ihm zu gelten haben, ist Lichtblick, strahlt von seinem Platz in das ganze große schöne Österreich. Will strahlen. Wollte strahlen. Der Herr Wrabetz wollte mit der größten Reform aller Zeiten selbst im Licht der Österreichsonne stehen. Er will dieses Strahlen für sich allein verbuchen. Die Österreicher sollen alle alle alle auf ihn blicken. Mitten auf dem Küniglberg steht er und lässt sich anstrahlen. Alle sollen kommen, sollen sich aus der Stadt aufmachen, aus dem Zentrum hinaus, in langen Fußmärschen, in Autokolonnen, Bustiraden, hinaus hinauf auf den Küniglberg zu ihm pilgern, um der Lichtsäule, die Herr W. plant zu werden, zu huldigen, um diese Strahlkraft, diese neue sündteure alles verschlingende Sendemaschinerie zu beweihräuchern. Noch besser, viel besser soll alles werden. Viel besser als die Deutschen. Viel besser als die Privaten. Das was gut ist, soll nicht mehr so sein, wo er doch viel Besseres und Teureres in einem Geniestreich ausgedacht hat. Nicht Funktionierendes, das wird er uns auch noch zeigen, denn er wird uns noch zeigen, was alles nicht funktioniert, wir Dummchen haben ja nur noch nicht bemerkt, dass das Funkhaus ja gar nicht mehr funktioniert, nicht Funktionierendes wird er ebenso eliminieren, wie das Funkhaus, das er schon den Geiern angeboten hat, Bankengeiern oder gar Geierscheichen, denen es zum Fraß vorgeworfen werden soll. Alles, was nicht strahlt, das nicht in dem Maße strahlt, wie vorgegeben, wie von Herrn Wrabetz vorgegeben, soll abfallen, alles, das nicht glitzert wie neue Euro-, Dollar- und Golddukaten, soll abfallen. Weg damit, heißt es. Weg mit den zarten Blättchen und Ranken. Weg mit den Nischen, weg mit kleinen Studios, weg weg weg. Alles weg im großen Bauschundbogenstil, weg mit diesem besucherschwachen Ö1, diesem Quotensenderchen, wozu Bildungsauftrag, wer wünscht den heute noch, kreuzen Sie einfach eine von drei Antworten an, irgendetwas wird schon richtig sein, ja, irgendwie werden Sie schon durchkommen, wir werden Sie schon durchboxen, ja, Sie haben gewonnen, wir gratulieren, so macht man das, mainstream, das Publikum von heute wünscht Fetziges! Von wegen Bildungsauftrag, wer will denn diese schwierigen Texte hören, diese Toncollagen, diese Literatur- und RadiokünstlerInnen, Party ist angesagt, flapsige Sprüche vom Berg herunter. Wir sind die Besten. Besser als die Privaten. Besser als die Deutschen. Im Bausch und Bogen eine Großräumung für ein Großmaul-, äh, ein Großraumfunkhaus mit Großkapital, wozu bezahlen die ÖsterreicherInnen denn ihre ORF-Abgaben, wenn nicht für großmannssüchtige Projekte? Das war doch schon immer so. Oder hat sich da wer getäuscht? Haltet durch, ruft das Funkhaus. Er wird gehen – aber ich werde bleiben. Und wir? Wir rufen hinauf, auf den Künglberg, rufen allen, die es nicht hören wollen: Wir bleiben. Wir harren aus. Wir, die wir das Funkhaus bezahlen – wir verkaufen nicht!
Martin Stankowski: Zum Erscheinungsbild der Radio-Sprache
Eigentlich meinte ich, weniger als Rentier denn im Älterwerden der Enkelkinder spürte ich mein zunehmendes Alter. Da kommen neues Technikverständnis und Konsumverhalten voll zum Tragen. Aber doch gefehlt: Selbst im scheinbar Selbstverständlichen des Gewohnten wandelt sich die Ausführungsform enorm. Legten die Verantwortlichen im Hörfunk früher das Gewicht auf die Ausstrahlung einer eingängigen Stimme, darf heute, zumal bei Sendungen mit ansagenden Redaktoren und Moderatorinnen, erhärtet, gestählt, gar geknarzt vorgetragen werden. Das mag vielleicht gebotene Realitätsnähe suggerieren. Oder soll sachliche Kontrolle vermitteln. Oder könnte distanzierte Übersicht nahelegen. Oder gilt nur allgemein ein C’est le ton qui fait la musique? Nur welche Musik, genauer: welche Musiksparte? Für den Anfang zu einer Antwort ist zu beachten, dass man (wer auch immer) viceversa in den Sendungen zunehmend für Auflockerung in Form verbindender Verbindlichkeiten oft alltäglicher Natur sorgt. Dahinter mag der Gedanke einer Einbettung in den allgemeinen, hiesigen, nicht en détail bekannten, weil individuellen Alltag stehen. Oder das ansatzweise Aufheben der Entfernung des Aufnahmestudios zur Hörerschaft. Oder ein erwünschtes Naheverhältnis im „Ich-wie-Du“, so etwas wie eine Gewährleistung menschlicher Authentizität. Zweifellos werde ich mich an die ungewohnten Formen gewöhnen, Bis dann womöglich das Gegenteil promotet wird und wieder zum – ja, zum was? doch zum Gestrigen? zum Herkömmlichen? einfach zum Altbewährten? zurück buchstabiert wird. Zurück zur Zukunft? Oder, um noch einmal das Französische zu bemühen, es passt wohl nach wie vor schlichtweg das Qui vivra verrà . Oder auch nicht: Denn sitze ich in der S-Bahn und lausche den jugendlichen Handys um mich herum, tönen daraus die Stimmen ohnehin quäkend-tonlos. Also sind meine Überlegungen mit Blick auf die Entwicklung wohl obsolet, weil es, angesichts dieses Arguments, keinen Grund zu Änderungen gibt. Ergo: Es bleibt wohl erst einmal wie es ist, im aktuell erreichten courant normal …
Rudolf Kraus: funkhaus haiku
ich höre ö eins ö eins gehört ins funkhaus ihr habt es gehört
Jella Jost: Ein Wien mit Funkhaus ist
Ein Wien mit Funkhaus ist Qualitäts-Stabilitäts-Arbeit Klang-Körpererfahrung Atmosphärenver-Dichtung Synchronizitäts-Frequenz Akustisch-sinnliches Sendungsbewusstsein Panorama-Journalismus mit Spielräumen Da Capo Ambiente im Digitalen Leben
Ein Wien mit Funkhaus ist Funken, ist Senden, ist Vermitteln, ist Rufen! Funken vermittelt Hoffnung, wichtige Hoffnung in Krisenzeiten und ein Funken Leben für alle die hören können und ein Funken Wissen anstelle von Gleichgültigkeit und ein Funken Wahrheit der sie entzündet und ein Funken Demokratie für Österreich
Ein Wien ohne Funkhaus ist Ohne Schalldämpfer historisch nie gewesen Ohne Salzburger Nachtstudio provinziell verblieben Ohne Dimensionen geistig zurückversetzt Ohne Hörspiel emotional abgestumpft Ohne Liebe zur Musik roh dumpf grob Von Tag zu Tag von Tag zu Tag von Tag zu Tag Von Tag zu Tag So schreibt man Geschichte.
Gerta Ulbl-Fahrngruber
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