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Beiträge 221-230
von: Johanna Tomek, Nils Jensen, Monika Vasik, Arnulf Ploder, Jutta Schneeweiß, Antonio Fian, Angelika Stallhofer, Elmar Mayer-Baldasseroni, Lucie Weingartner, Eva Possnig
Johanna Tomek
Assoziationen aus Kriegskindtagen zum „Funkhaus in der Argentinierstrasse“: „In der RAVAG sitzen die Nazis“ und das „Kuckuck... Kuckuck...“-Signal aus dem Radio, das vor Bombern im Anflug warnte. Empfindung: Angst. Viel später durfte auch ich etliche Bissen meines täglichen Brotes dort vornehmlich als Sprecherin verdienen, in dieser grauen Trutzburg – so gefährdet und von so gefährlichem Potential. Wie verhalten indifferent kühl das Erscheinungsbild, so lebendig erlebte ich die Betriebsamkeit dann drinnen, getragen von leichtfüßiger Energie ganz im Gegensatz zum behäbigen Tritt der Quotenmachos „am Berg“ (dem künigelmäßigen). Und wie oft auch immer ich die Treppe rauf und durch die Glastür schritt – oder häufiger in Zeitnot stürzte – jedes Mal überrieselte mich ein leiser Schauer des Respekts vor der Bedeutung der Institution, vor dem Engagement und der Integrität der darin arbeitenden Menschen. Bei denen fühlte ich mich aufgehoben, fühlte mich als Teil eines Arbeitsprozesses, der die demokratische Verbreitung des „Wahren und Schönen“ bezweckte. JournalistInnen und AutorInnen – nix als ÜberzeugungstäterInnen! Und diese innige Beziehung zu und die ergebene Abhängigkeit von den Meistern des Tons und ihrem unvergleichbaren Können! Es war ein Privileg die schriftlich formulierten, gewissenhaft recherchierten Erkenntnisse und Einsichten in den Beiträgen der jeweiligen AutorInnen in hoffentlich aufnahmebereite Ohren träufeln zu dürfen. Für mich jedenfalls war „die Argentinierstrasse“ so was wie der Sitz des ZK’s der freien Geister. Mag sein, dass diese produktive Arbeitsatmosphäre inzwischen auch in der Argentinierstrasse Eintrübungen erlitten hat. Jedenfalls ist mir auch erinnerlich, dass ich mich anlässlich einer Livesendung von ca. einer Stunde mit der Redakteurin alleine im Studio befunden habe. Sie war zugleich meine Interviewerin und ihre eigenen Technikerin. Gut, es war in einem Landesstudio. Aber wer weiß, was und wo dem grassierenden Sparschwachsinn schon geopfert werden musste. Meine knie-erweichendste Aufgabe war eine Lesung von Gedichten Konrad Bayers, des ultimativen Schwarms meiner jungen Jahre, im „Großen Sendesaal“, allwo ich die Zeilen vom „das ist das zugrunde gehen“ zu öffentlichem Gehör bringen durfte: „niemand hilft mir / niemand spricht mir / niemand gibt mir ein stück brot ...“. Ein paar Jahre später schloss sich für mich dieses Erlebnis mit einem schier absurden anderen kurz. Ich erlebte mich in einer Menge hochgeschätzter Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Und das Rieseln setzte wieder ein, diesmal aus Empörung. Denn die illustre Truppe bewegte sich nicht drinnen, wo ja ihr legitimer Platz gewesen wäre, sondern stand draußen – vor dem Tempel –, um gegen die über sie verhängten Honorarkürzungen zu protestieren. Und eins, zwei, drei ... – die Polizei war gleich dabei... Also – wer, wann, was – und wie lange noch?
Nils Jensen: Das Ohr
Das kam so: Ich war mit meinem Enkel unterwegs. Der ist vierzehn. Und aufgeweckt. Wir sind am Karlsplatz herumgegangen, ich habe ihm erzählt von den Umbauten damals, als er noch nicht unter den Lebenden weilte, und so weiter. Wien-Museum wäre jetzt was ... doch es kam anders. Als wir am leeren Teich vor der Karlskirche stehen, dort wo einst die Henry-Moore-Skulptur war, zeigt er mir auf einmal die Argentinierstraße und will dorthin. Weil er mit seinem Vater einmal in einem Lokal war, „das ist so seltsam gewesen“. Seltsam? Na so komische Leut halt. Komisch? Sie waren dort, in jener Lokalität, weil sein Vater damals irgendwas mit elektronischer Musik zu tun hatte. Was ich nicht gewußt. Typisch. Da waren viele Leute und alle so komisch, sagt mein Enkel dazu. Weil sie wohl kaum mit dem Kind was anfangen wollten. Oder konnten. Jedenfalls war’s komisch. Wo bittschön ist das Lokal eigentlich? In der Argentinierstraße. Ganz sicher. Weil ein damaliger Freund seines Vaters war Argentinier und die beiden hatten die ganze Zeit darüber Witze gemacht. Ein Argentinier in der Argentinierstraße und so … Also suchen. Wir gehen die Argentinierstraße langsam hinauf. Eine Radfahrerin kommt uns entgegen, ich geh natürlich auf dem Radweg. Hab das übersehen, genauer: Habe nicht geschaut, dass man jetzt in der Argentinierstraße gegen die Einbahn auf einer Extrastrecke für Radl fahren kann ... Ich bin schon lange nicht mehr da gewesen. Im Funkhaus. Wo? Im Funkhaus. Da kommen wir noch hin, zuerst das Lokal finden. Was ist ein Funkhaus? Ich versuche meinem aufgeweckten Enkel zu erklären, was ein Funkhaus, nein: das Funkhaus eigentlich ist. Und uneigentlich. Keine Funken, sondern Radio und so was. Mit dem er nichts anfangen kann; er hört nicht Radio. Er hat ein Smartphone. Also verbreitere ich mich über das Funkhaus und seine wichtige Funktion inmitten der Stadt und seine Meriten und Taten und die ganze Sachlage dazu und so weiter und ich kann nicht aufhören, die Wichtigkeit des ganzen, und was wir damals dabei erlebten ... Opa wir sind da, da ist das Lokal. Ich bin etwas desperat. Welches Lokal? Wir stehen vor dem Funkhaus. Da drinnen ist das Lokal. Er zeigt auf das Riesenohr. Da wollt ich hinaufklettern aber es ging nicht ich hab‘s nicht geschafft. Da fiel es mir wieder ein, das Radiokulturcafé, dorten hatte ich ja ... Und dort hat der Papa mit seinen Freunden zugehört, aber ich war derweil draußen am Ohr. Am Ohr? – Ach, dieses bunte Ding vor dem Eingang, riesig und nicht ohne Witz. Wir waren angelangt – beim Lokal. Leider hat es zu. Vormittag halt. Glaubst du, ich kann jetzt hinaufklettern? Puh, ich weiß nicht. Schaun mir mal, probiers. Er hat’s probiert. Wieder nicht geschafft. Das Ohr steht unerschütterlich da und erträgt den Aufstiegsversuch und damit war’s getan. Das Ohr ist witzig. Find ich auch, hoffentlich noch lang. Wohin gehen wir jetzt?
Monika Vasik: küniglrau
das funkhaus funkt sich schief gegen den wünschelblick der haltlos dort am richterberg sein laster pflegt absichten hegt doch hier verfackelt er nicht lang wo kämen wir von irgendwo steigt rauch in unbestimmte höhn so schnell darfs wehn dem lauthals angezählten wenn fürs ermessen keine zeit mehr blieb nur hieb
das funkhaus sich verfunkt von hier durchpulsten stimmen einst den zenit sie dehnten stimmungen nach draußen und energien aus die ungesehen sich jener vorstellungskraft entziehn achtsam gehört jedoch erkannte man erkennt im radio wie und wieder sie vertraut herzzentrumsnah gefärbt welch unterschied
Arnulf Ploder: Übereinstimmen
Zu dritt hockten wir inmitten auf dem Parkettboden verteilter Polster. Ein Rauschen und Zirpen, eine erhabene Stimme, schnell wieder abgewürgt, darauf ein Preschen von Orchestermusik – am Knopf des Radios drehend und das Blinzeln der grünen Glaslinse verfolgend, fädelte die Mutter schließlich die gewünschte Melodie ein. Guten Abend, gut Nacht, sang sie leise dazu, mit Rosen bedacht, mit Näglein besteckt ... Immer schon hatte die Mutter die Melodien aus dem Radio, hauptsächlich die von Operetten, nicht nur mitgesummt, sondern Wort für Wort mitgesungen. Einmal lauschten wir, die Dreiheit von Mutter, Tochter und Sohn, auf unserem Bodenplatz unter dem Magischen Auge einem Hörspiel und ahmten am Tag danach die Stimmen und ihre Redewendungen nach, etwa das gedehnte Wienerisch eines Strizzis. Sein zwischendurch gepresstes Schlucken, das seinem Kehlkopf einen Würglaut abrang. Immer. Wieder. Schließlich fürchteten die Mutter und die Schwester sogar, diesen Tick nicht mehr ablegen und nie wieder normal reden zu können. Als ich mit dem Mikrofon des Kassettenrekorders ein Interview in Ö-Regional aufzeichnete, war ich über die in den Hals gesunkene, tonlose Stimme erschrocken, die etwas über meine Gedichte sagte. Ich selbst sprach aus dem Radio. Nach Vorlesungsende hatte ich mich im Funkhaus nach einem Kulturredakteur, der mir genannt worden war, erkundigt, und dieser hatte auf der Stelle ein Interview mit mir aufgenommen. Dass mein Vater einmal in einer Diskussionsrunde als Pressesprecher seiner Institution auf die gleiche unterschwellig aufgeregte Weise sprach, söhnte mich später mit meinem Befremden aus.
Jutta Schneeweiß: Tagebucheintragungen, aus: „Journey - Eine Reise“
1. 4. 2016 ... Ochsen einspannen Eichel. Eidachs. Ente - Elle Höhle. Dach. Antn. Alle Hülle. Hülse. Dachs. Amen Betten bitten beten umarmen Kierkegaard. Kertész 8.35: mußte niesen Alles auf einmal geht nicht Immer wieder Sch L Eier. Lüra. Sch lürfen Iron. Eisen Schiron. Scheißen Kupplung. Gangschaltung Sch am. Alto. Höhe Sch all W inseln w immern. S emper n. Empty Pis. Euter. Ö 1: 8.55 - 9.00 Pis - Edelrose für jeden EU - Gründer. Blütenkönigin in Großbritannien. ... Bluten. Grün founder Gründer Eizelle. Jaice. Ice. Led. Eis Spring. Pomlad. Frühling früh frue Frau Frieren. Fehe Fähre Pharao Lenz rennts Renz Sphinx Ladje. Lady. Pomlad Schiff. Juive. Jour. Journey. Sch ur Morgen. morgen fata morgana Aber Abend. EBRO Eber. Save Sch afe Säue. Affen. Ibis. If. Ob Ural. Wiff wuff Saufen if ob OB. Juice Rit Arsch. Imme. Gep Wespe Gepard Hepa Jepa Kepa Renard Leonard Ludovico. Ledvica Niere reine Nebo Himmel. Oben bene Biene Beine Zima Winter Zimmer hivernate überwintern?Hiberus Ebro Imme
Antonio Fian: Erzählen
Ich war, schon in der Abenddämmerung, auf dem Weg ins Funkhaus zu einem Aufnahmetermin und holte in der Taubstummengasse den vor mir, wohl ebenfalls Richtung Funkhaus gehenden Michael Köhlmeier ein, wir nickten einander einen Gruß und gingen dann schweigend nebeneinander her. Als wir in die Argentinierstraße einbogen, lagen auf dem Gehsteig zahlreiche Fahrräder, Polizeifahrzeuge waren vorgefahren, Blaulichter blinkten, Uniformierte mit Vollvisierhelmen und Schlagstöcken standen herum, es schien sich um einen Großeinsatz zu handeln. Wir versuchten – uns ging das ja nichts an –, an den Polizisten und Radfahrern und Passanten vorbei zum Funkhaus vorzudringen, wurden aber sofort angehalten und gegen eine Hauswand gedrängt: Was wir hier zu suchen hätten, ob wir nicht sähen, dass eine Amtshandlung stattfinde, ob wir womöglich auch zu der Bande von Fahrraddieben gehörten, die man gerade dingfest gemacht habe. Die Polizisten waren äußerst aggressiv, redeten lautstark auf uns ein, drohten mit den Schlagstöcken, versetzten uns Stöße, legten uns schließlich Handschellen an. Ich versuchte, das Missverständnis aufzuklären, wir müssten ins Funkhaus zu Aufnahmen, wir seien Schriftsteller, nicht ganz unbekannte Schriftsteller, er vor allem – ich wies auf Köhlmeier – sei ein berühmter Mann. Möglich, sagte ich zu dem Polizisten, dass er ihn noch nie gesehen habe, aber er habe ihn gewiss schon gehört, seine Erzählungen seien häufig im Radio zu hören, im Schulunterricht fänden sie Verwendung, und ich rief Köhlmeier zu, er möge doch etwas erzählen, dann würde man ihn zweifellos erkennen, das Missverständnis würde rasch aufgeklärt sein, aber Köhlmeier tat nichts dergleichen, sondern starrte grimmig auf den Boden, noch einmal, drängender, wiederholte ich meine Aufforderung, auch der Beamte neben mir herrschte ihn an, etwas zu erzählen, aber Köhlmeier schwieg beharrlich, was von den Polizisten als Zeichen gewertet wurde, dass wir gelogen hatten. Mit Gewalt wurden wir zu den Polizeiwagen gezerrt, jeder zu einem anderen, und „erzähl! Erzähl doch!“ rief ich noch einmal, flehentlich, aber Köhlmeier schwieg weiter, die Autotüren wurden geschlossen, ich weiß nicht, was aus uns geworden ist.
Aus: Antonio Fian, „Im Schlaf – Erzählungen nach Träumen“, Droschl Verlag, Graz 2009. Mit freundlicher Genehmigung des Autors und Verlags.
Angelika Stallhofer: Bleib, heller Ort, und sprich laut
Bald wird es Sommer, mein Freund. Und doch, es ist so farblos da draußen. Die Sätze werden mit jedem Tag dunkler, man muss kein Weissager sein, um es zu sehen, nicht einmal sehr hell. Man muss auch nicht zur Schwarzseherin werden. Es reicht ein offenes Auge, es genügt ein hörendes Ohr. Leute stehen an der Tür und reden. Sie schwärzen die Worte, machen Raben aus weißen Tauben, pflücken die Farben von den Bäumen, färben die Marillen grau (so kann man die Marillen nicht teilen). Sie wohnen in hellen Häusern und verdunkeln die Fenster gegen die Sonne. Sie sagen, sie würden vom Pech verfolgt. Sie beschmieren die Worte damit, auf dass man sie nicht mehr ergreift. Sie reißen sich neue aus dem Kleid der Pfauen, stecken sich die Federn der toten Vögel in den Mund. Sie behaupten, ihre Sprache würde zerfließen, sie benutzen das Löschpapier der Angst. Bald wird es Sommer, mein Freund. Ich will dich hören. Im Klang zahlloser Stimmen, erzähl mir Mensch um Mensch, lass die Schatten hinter uns fallen, vervielfältige jedes achtende Wort. Freund, der du, wenn du meinem Ohr schmeichelst, doch die Wahrheit sagst. Weil du alle Farben meiner Sprache kennst. Und das Licht in deinen Fenstern weithin sichtbar brennt. Die Worte verdunkeln sich – Bleib, wo du bist, heller Ort, und sprich laut. Dies kann und werde ich immer von dir verlangen.
Gewidmet einem unverzichtbaren Ort des Wissens. Dem Wohnort des Radio-Features und dem Klangraum der Literatur. Dem großen, atmenden Haus, in dem ich schneiden lernte, an einem Uni-Radio-Beitrag mit dem Titel „Wozu sind Freunde gut“.
Elmar Mayer-Baldasseroni: Das Funkhaus ist tot, es lebe das Funkhaus
FM4 kannte ich noch aus meiner eigenen Postadoleszenz vom Flex her und so weiter und Ostermayer war für mich ein Minister, als plötzlich ein Mail meines Verlages Sisyphus daherkam, daß mein erster Roman „Die Hinrichtung“ im Radio positiv besprochen wurde. Ich war gerade internet- und radiolos zur Winterfrische in Ischl gewesen, um nach meiner Rückkehr ein Mail von Fritz Ostermayer im Postfach vorzufinden und danach die „Im Sumpf“-Sendung im Internet nachzuhören, die mich – etwas Untertreibung darf sein – ganz schön stolz machte. „Monströses Meisterwerk des schwärzesten Humors und sprachmächtigster Roman seit Menschengedenken“, so wurde mein zugegebenermaßen geiles Machwerk geheißen. Das mußte ich später meiner ehemaligen Deutschprofessorin, bei der ich als Einziger eh immer einen fixen Einser hatte, auf fb, wo ich damals noch war, verklickern. Der enthusiastische Herr O. wollte den Schöpfer meines Romanmonsters am liebsten auch gleich zu sich in den Sumpf einladen, und, eitel und neugierig, wie ich bin, fuhr ich hin. Mit der U4 und dem D-Wagen, zum allerersten Mal ins Wiener Funkhaus an einem Abend im Jänner 2014. Ich ging mit „Die Hinrichtung“ in das alte, gemütliche Gebäude auf der Wieden und fragte den Portier nach Herrn O., der schon lustig grinsend den Gang entlang kam. Das mußte er sein, ein seriöser, freundlicher graumelierter Herr mit Jeans und kariertem Hemd und knallroten Haferlschuhen, der mich im Lift nach oben begleitete. Ich fühlte mich ein wenig wie ein Star, als ich dann oben in ein großes Aquarium mit Barhockern gebeten wurde, um ein Interview zu geben und eine Lesung zu halten. Sogar mein Verleger schrieb mir nachher, daß ich das für jemanden, der sowas selten macht, sehr interviewtauglich und gar nicht verhalten gemacht hab. Es hat obendrein viel Spaß gemacht in der Argentinierstraße 30A, denn Herr Fritz Ostermayer – Bundesminister für besten Geschmack, Spaß und kritische Beleuchtung der Welt – und ist im Gegensatz zu vielen anderen in der Branche kein Oarsch, sondern ein lässiger Interviewer und einer der wenigen Intellektuellen im Lande, die diese Bezeichnung tatsächlich verdienen und außerdem mit viel Herzblut und Kreativhumor gesegnet. Beim Bier, zu dem Herr O. mich obendrein auch noch im Funkhauscafé nachher freundlicherweise einlud, also beim Off-the-records-talk, gestand ich, daß ich eigentlich sonst immer Radio Stephansdom hörte, vor allem die schönen Mozartmessen, über die Protagonistin meines Romanes hüllte ich mich auch nach dem Abschalten der Mikros in geheimnisvolles Schweigen. Ich fand das alles ganz cool, a Star was born, zumindest ein bisserl, und wenn ich im Sommer darauf am Traunsee mein Buch bewarb und ein paar Leute mir sagten, daß sie mich damals auf FM4 gehört hatten, fand ich mich in meiner Rockstartheorie ein wenig bestätigt. Daß es „eine gottverdammte Schande sei“, daß mein Roman in keine der gängigen Bestenlisten Eingang fand, hörte ich von Herrn O. ein Jahr später aus dem Funkhaus, als er eine sexy Kurzgeschichte von mir „Im Sumpf“ verlas, und daß das nicht gerade für die heimische Literaturkritik spreche. Ich gab Fritz recht, denn wenn man gesinnungsmäßig nirgends dabei war und ist und man weder für die eine, noch die andere oder ganz andere Strömung schreibt, sondern ganz selbstbewußt vor allem für sich selber und man sich also selbst genug ist und sich also ganz ok findet, hat man es nicht einfach. Man ist dann kein Kaiser des eingelullt-marktorientierten Massenliteraturbetriebes und auch kein dauersubventioniertes Liebkind des zurechtgeschmirgelt-dosiert-betroffen-neurotischen „Ich schreibe für meine Genitalien und eine bessere Welt und weiß dabei nie, ob ich auch wirklich gut genug bin und es tut mir ja eigentlich alles so leid“-Medien- und Verlagsapparates, im Gegenteil, man wird bisweilen von sogenannten Kollegen noch bei Symposien öffentlich desavouiert, beschimpft und voller Kalkül inszeniert-empört angebrunzt. Dies alles geht mir aber am Arsch vorbei, wenn ich an die coole Zeit und das geile Lebensgefühl denke, das ich durch das und mit dem und in dem Funkhaus mit Fritz Ostermayer erleben durfte und immer noch ein bißchen erleben darf. Das Funkhaus ist tot, es lebe des Funkhaus!
Lucie Weingartner: Kärntens Beitrag – Ein kleines Stück Rundfunkgeschichte
8. Mai 1945, Klagenfurt, Luftschutzstollen am Kreuzbergl. Mit der ersten Ausstrahlung einer Radiosendung aus dem Luftschutzbunker Kreuzberglstollen wurde die Nachkriegsära des ORFK eingeleitet. Die Basis für einen modernen Rundfunk im Bundesland Kärnten war damit gelegt. Viel organisatorische Vorarbeit musste geleistet werden, bis man mit Hilfe des „Investitionsschillings“, dem Wiederaufbau von Rundfunkanlagen gewidmet, das ehemalige Vereinshaus in der Sponheimerstraße 13 in Klagenfurt als Funkhaus ankaufen und adaptieren konnte. Erst Anfang Februar 1953 waren die Vorbereitungsarbeiten soweit gediehen, dass am 8. Februar 1953 um 11.15 Uhr die Übertragung des Festaktes anlässlich der Funkhauseröffnung aus dem Sendesaal des Hauses über die Bühne gehen konnte und Sepp Prager den Bundesminister Karl Waldbrunner sowie Peter Goritschnig, den Leiter von Radio Klagenfurt an der Spitze der Ehrengäste begrüßen durfte. Robert Kehldorfer stand damals am Pult des Orchesters von Radio Klagenfurt. Seither hat dieses Haus Kulturgeschichte geschrieben. Nicht nur berühmte Dirigenten wie Leonhard Bernstein, Zubin Mehta, Schauspieler wie Oskar Werner, Boy Gobert und andere Größen wie zum Beispiel der legendäre Marcel Prawy, Dichter wie Friedrich Torberg, Ephraim Kishon, Komponisten wie Gottfried von Einem u.a. gaben dem Haus die Ehre. Friedrich Gulda produzierte hier seinen Beethoven Zyklus. Erstaufführungen von Opern z. B. Gottfried von Einems „Besuch der alten Dame“ oder „Die Tödin“, Hörspiele wie Gert Jonkes „Der Dorfplatz“ u.a. wurden hier zum ersten Mal produziert. Last but not least: Was wären der „Carinthische Sommer“ oder die „Tage der Deutschsprachigen Literatur“ ohne dieses Haus?
Eva Possnig: Gefunkt!
Das Kind der Sechziger. Ein Schaukelpferd und Legoschiff. Der Roller und die aufgeschlagenen Knie. Hör zu, was dir die Mutter sagt! Mach‘ einen Diener und sei brav! Und Lesen lernen mit dem Struwwelpeter, die Schrift von Tränen arg verschmiert.
Jedoch: Von Vaters Radio auf dem Buffet ertönt Musik! Erst Mozart, dann Chopin und Brahms. Der Klang der neuen Welt berauscht das Kind. Es jauchzt und singt, dreht sich im Kreis. Und wünscht nur eins: ein Komponist zu werden!
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