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Thomas Bernhard, Siegfried Unseld: Briefwechsel.

Gelesen von Peter Simonischek (= Thomas Bernhard) und Gert Voss (= Siegfried Unseld)
3 CDs
ISBN 978 38617 12752
München: Der Hörverlag, 2008

"Auch ich bin mit Thomas Bernhard Traktor gefahren", lautet ein Witz aus Gmunden und Umgebung. Sein wahrer Kern: an zweitklassigen Memorabilien zu Bernhard ist wahrlich kein Mangel. Jetzt also Bernhard - Unseld, der Briefwechsel zwischen dem Autor und seinem Verleger, der sich über 28 Jahre hinzieht und - kaum redigiert und durch Notizen Unselds ergänzt, - vier Stunden Aufmerksamkeit beansprucht: lohnt sich da mehr als ein bloßes Hineinhören? Liebe zu Bernhards Werk und eine gewisse Kenntnis desselben und der Vita des Autors vorausgesetzt: ja.

Im Grunde ist das eine Geschäftskorrespondenz, allerdings zwischen zwei Partnern, bei denen die Lust an der Kunst und die am Geld untrennbar miteinander verknüpft waren. Und die in der Verfolgung dieser beiden Lüste durchaus trickreich vorgingen, mit "agronomischer Schläue", so Bernhard einmal, was Unseld mit dem Kompliment quittierte, dass sei eine "schön formulierte Pression" gewesen. Bis Mitte der 80er Jahre, als Bernhards Konto endlich ein Plus von 319.000,- DM aufwies, war "die leidige Geldfrage" tatsächlich das Hauptthema. Bernhard schreibt, er sei doch keineswegs geldgierig, er wolle doch nur das, was er brauche - doch das Ausmaß seiner Bedürfnisse ging zunächst weit über den Verkaufserfolg seiner Texte hinaus. Da kann man etwas über die Ökonomie der Schriftstellerei lernen: 3 Jahre Arbeit an "Verstörung"; 1800 verkaufte Exemplare - für den Verleger eine Folge des Titels, der die Leute angeblich hinderte, das Buch zu verschenken. "Amras" - 3000,- DM, "Erzählungen" - 2000,- DM, "Ungenach" - 3000,- DM - für den Verleger ein Normalfall, auch Beckett verkaufe nur 10 Exemplare im Monat, das sei der Preis für die schwer verkäufliche "Struktur ihrer Texte", die Prestige, aber kein Geld brächte. Bernhard - "ich gehe den eigenen Weg" - wollte beides und seine selbstbewusste Kompromisslosigkeit, was günstige Erscheinungstermine, und seine Rücksichtslosigkeit, was Fragen der Herstellung und des Verkaufs betraf, ist beeindruckend. Wenn Bernhard am Ende bilanziert, er sei sicher einer der "unkompliziertesten Autoren" des Verlags gewesen, dann hat er ausnahmsweise "untertrieben".

Unseld hingegen - auch wenn er gelegentlich die Maske eines väterlichen Sozialarbeiters aufsetzte - reagierte zunächst als Kaufmann: "Ich kann die ökonomische Basis des Verlags nicht vernachlässigen". Aber diese Haltung hat von Anfang an Risse: riskante Vorschüsse und schließlich ein Monatshonorar für einen recht unzuverlässigen Autor. "Er weiß genau, was er will und versteht es sich durchzusetzen." Bernhard war damit nie zufrieden, das Versprechen Unselds die "ganze Obsorge des Verlages" auf ihn zu konzentrieren, hat er nie erfüllt gesehen. Walser, das nagte an ihm, erhielt mehr verlegerische Zuwendung und nicht nur die "liebenswürdige Beiläufigkeit" einer "anonymen Sekretärin". Und wenn er eine seiner berüchtigten "Erregungen" hatte, dann log er, brach Verträge, stoppte Auslieferungen oder vereinbarte Theateraufführungen und ging - trotz wiederholter Versprechungen - "fremd" und publizierte die "Autobiographie" bei Residenz. Das hat ihm Unseld fast bis zum Tod nicht verziehen, mehrmals war der "Endpunkt" nahe. Aber schließlich siegte die positive Seite des Urteils, dass in Bernhard "Sensibilität und Neurose eine Spitze erreicht hätten" und auch Bernhard begann zu begreifen, dass Suhrkamp - neben Peymann - sein wichtigster Partner war. Ein Beziehungsmuster bildet sich heraus: Bernhard, stark im schriftlichen, schwach in der persönlichen Konfrontation, ging brieflich bis zum Äußersten, Unseld reiste ihm nach - und man einigte sich wieder auf ein halbes Jahr.

Und das Werk? Man hat den Eindruck - trotz aller Komplimente - dass Unseld erst nach langer Zeit das Singuläre dieses Autors erkannte. In die Arbeit der Lektoren hat er kaum eingegriffen, abgesehen von einem Versuch, Bernhard die Superlativisierung eines Superlativs auszureden, oder dem, dass man einen Politiker, der Mitglied der NSDAP war, doch bitte nicht als "Nationalsozialisten" bezeichnen möge. In den Skandalen hat er kalmiert, die Staatspreisrede hat er für überzogen gehalten, "Heldenplatz" ein wenig abgeschwächt, und für die anwaltliche Beilegung der Folgen von "Holzfällen" will er 55.000,- DM bezahlt haben. Und die persönliche Beziehung? "Schade, dass mein Verleger nicht mein Freund ist", schreibt Bernhard einmal. Das erste "einlässliche Gespräch" inklusive Umarmung des "lieben Thomas" wird 1978 protokolliert. Ab da geht es aufwärts, bis zum "persönlichsten Gespräch" 1988, die Briefe werden witziger, auch Unseld wandelt sich zum "Übertreibungskünstler" und droht mit einem kollektiven Selbstmord der Verlagsbediensteten und man bildet als Pendant der Bernhardschen "Bezichtigungsgemeinschaften" eine "Lobesgemeinschaft": noch im Jahr 3000, so Bernhard, würden Archäologen bewundernd Suhrkamp-Bücher ausgraben. Was ihn allerdings nicht gehindert hat, "In der Höhe. Rettungsversuch. Unsinn" neuerlich bei "Residenz" zu publizieren, womit bei Unseld wieder einmal die "Schmerzgrenze" erreicht war.

Wie liest man das? Die akustische "persona" beider Beteiligten hat das Publikum noch im Ohr und Simonischek und Voss versuchen zum Glück nicht, den "sound" der beiden zu imitieren. Beide "übertreiben" gelegentlich, Simonischek ist gelegentlich "aufgeregter" als der Bernhard der Fleischmann-Interviews und Voss gibt dem Geschäftsmann Unseld einen ölig-belehrenden Unterton. Doch der eigentliche Reiz liegt darin, dass sie die beiden ein wenig wie ein Bernhardsches Ehepaar sprechen lassen - und das ist einfach lustig.

Ein booklet gibt es nicht, wohl aus rechtlichen Gründen; schade.

Alfred Pfabigan
4. März 2009

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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